Dunkle Wolken über der Burg – ein Dauerzustand in der zweiten Hälfte des Burgfestes. Die Königsteiner ließen sich nicht unterkriegen und feierten beim Festzug am Sonntag vor allem Burgfräulein Jessica I. mit (vorne v.l.) Junker Niclas, Hofdame Nina und Junker Justin. Foto: Schramm
Königstein (as) – Königstein feiert das Burgfest. Aber das Wetter hat sich nicht so recht in Feierlaune gezeigt. Nach anderthalb schönen, ja schon heißen Tagen kippte das Wetter am späten Samstagabend mit Sturm, Regen, Blitz und Donner und sorgte noch vor 23 Uhr für ein jähes Ende auf der Burg. Immerhin zeigte sich Petrus am Burgfestsonntag entgegen der Befürchtungen den Königsteinern und deren Hoheit, Burgfräulein Jessica I., gnädig und erlaubte einen trockenen und fröhlichen Festzug.
Traditionell feierlich hatte der Burgfestfreitag um 18 Uhr mit dem ökumenischen Gottesdienst in der evangelischen Immanuelkirche mit Pfarrerin Katharina Stoodt-Neuschäfer zu Füßen der Burg begonnen, danach eröffnete Burgfräulein Jessica I. das 71. Burgfest hoch oben in den ehrwürdigen Mauern. Und die Menschen strömten auf die Burg. Es wurde ein typischer Burgfestfreitag mit bester Party- und Tanzstimmung. Auf der Hauptbühne auf der großen Festwiese heizten die SoundClowns und später die Buzzin’Lights ein – zwischendurch erstrahlte bei noch leicht rötlich gefärbtem Spätabendhimmel das grandiose Höhenfeuerwerk über der Burg – traditionell das erste große Highlight des Wochenendes. Im oberen Burghof und in den Kellern, wo die Vereine ihr alternatives Live- oder DJ-Musikprogramm anboten, war dann teilweise kaum ein Bein vor das andere zu bekommen, und das bis zum Ausklang um 2 Uhr. So kennt man den Auftaktabend.
Jessica I. übernimmt Burgschlüssel
Traditionsreich ist auch die Gestaltung des offiziellen Teils des Burgfestsamstags: der Empfang der Bürgermeisterin für das Burgfräulein und sein Gefolge vor dem Rathaus. Eingeläutet mit Pauken und Trompeten durch die Musik- und Showband des Fanfarencorps Königstein und deren Tanzgruppen Carisma und Young Carisma hatte Beatrice Schenk-Motzko – noch keinen Monat im Amt – die Ehre, als erste Bürgermeisterin der Stadtgeschichte diese Zeremonie vollziehen zu dürfen. „Das Burgfest verbindet die Geschichte und die Tradition unserer wunderbaren Stadt“, würdigte die neue Amtsträgerin das Ereignis und den Veranstalter, den Burgverein Königstein, um kurz darauf von dessen Präsidentin Birgit Becker die zweite Präsidentenkette umgehängt zu bekommen. Die erste erhielt der ehemalige Bürgermeister Leonhard Helm während seiner 18-jährigen Amtszeit, der selbstverständlich ebenfalls gewandet, aber in „schön entspannter“ privater Mission an der Zeremonie teilnahm – wie auch trotz drückender Hitze rund 200 Bürgerinnen und Bürger sowie weitere Festgäste, wie unter anderem die Weiße Dame aus der Partnerstadt Kórnik. Apropos Gewand: Für ihr erstes Burgfest hatte sich die Bürgermeisterin auf die Schnelle ein Kleid aus dem Atelier des Burgvereins geliehen, das sie durchaus schmückte. Aber es soll noch schöner werden: Birgit Beckers „Antrittsgeschenk“ war das Versprechen, dass sich die Bürgermeisterin für das kommende Jahr im Atelier ein Kleid nach individuellem Geschmack schneidern lassen darf. Dann kam der große Moment: die offizielle Übergabe des Burgschlüssels an das Burgfräulein zum Zeichen, dass es für drei Tage die Herrin über die Burg sein wird. „Ich möchte Friede für Burg, Stadt und Tal aussprechen“, waren die Worte Ihrer Lieblichkeit Jessica I., ehe sie sich als 67. Burgfräulein der Geschichte ins Goldene Buch der Stadt Königstein eintragen durfte.
Nach dem Festakt ging es für die Festgesellschaft hoch zur Burg zum Empfang des Burgvereins, bei dem auch eine Frau genannt wurde, die mit ihren süßen Verführungen aus der „Sugeria“ beim Burgfest nicht wegzudenken ist. Gemeint ist Doris Eiserloh, die in der siebten Generation ihre große Schausteller-Familie vertritt und seit 40 Jahren eine Konstante des Traditionsfestes fest. Mit 14 Jahren ist sie erstmals mit ihrem verstorbenen Vater Helmut auf die Burg gekommen, man hat im Wohnmobil oder unter der Theke des Verkaufsstandes geschlafen, erzählt sie gerne von den alten Zeiten – und dem „sehr familiären Verhältnis“ mit vielen Königsteinern. Sie spricht von einen „entspannten, guten Publikum“ auf der Burg. „Die jungen Leute trinken zwei, drei Bier und sind friedlich.“
Nur das Kinderkarussell, das sie schon mit 14 bediente und das die Familie mühsam in den oberen Burghof karren musste, haben die Eiserlohs schon lange aufgegeben, da habe sich das Publikum dann doch zu sehr verändert.
Party machen ist das Stichwort, aber so richtig voll wurde es im Vergleich zu anderen Burgfest-Samstagen an diesem Abend dann nicht mehr. Die drückende Schwüle, Unwettergefahr und nicht zuletzt das EM-Achtelfinalspiel der deutschen Fußball-Nationalmannschaft hielten doch einige davon ab, auf die Burg zu kommen. So konnte man an vielen Ecken Platz finden und sich gut unterhalten, wie auch HR-Fernsehköchin Stephanie Kowalt aus Weilrod-Gemünden („Zur Linde“), die mit Freunden gekommen war und sich als echter Fan des Burgfestes und der Burg zu erkennen gab: „Als Teenagerin war ich immer hier, ich liebe es.“ Jetzt, wo sie ihren Landgasthof nur noch wochentags öffnet, hätte sich endlich wieder mal die Gelegenheit ergeben, beim Burgfest in Erinnerungen zu schwelgen, denn auch die Hochzeitsfotos mit Ehemann Thoma sind auf der Burg Königstein entstanden.
Für tolle Abkühlung sorgten an diesem heißen Abend die Keller. Der legendäre Downtown-Keller von „Musik & Szene Königstein“ mit Disco-Kugel war wieder erster Treffpunkt der Party-Szene aller Generationen, hier legten die DJs Matze und Bernie auf. Der beste Ort zum körperlichen und mentalen Chillen war – quasi als Gegenprogramm – sicher wieder die Schänke der Ritter von Königstein „Zum Zwinger“. Im Heimatkeller des Burgfräuleins, der nur über den (zum Burgfest erleuchteten) dunklen Bogen zu erreichen ist, gab es die alkoholischen Getränke sogar stilecht in Tonschalen und -krügen. Die Ritter wissen einfach, was sich auf einer Burg ziemt.
Nur Fußball konnte aus rechtlichen Gründen nicht live auf der Burg gezeigt werden. Die Idee des Burgvereins, Gästen mit Eintrittskarte, die in der Stadt oder zu Hause das Spiel sehen wollten, mit Armbändchen einen freien Wiedereintritt zu ermöglichen und die Siegesfeiern auf die Burg zu verlagern, war zwar gut, kam aber nicht mehr zum Tragen. Um kurz vor 23 Uhr hatten sich die Unwetterwarnungen derart konkretisiert, dass Birgit Becker in Abstimmung mit Feuerwehr und Polizei die Burg räumen lassen musste – was bei dem, was kurz nach Mitternacht über Königstein niederging, auch eine absolut richtige und vernünftige Entscheidung war. Und das Burgfräulein musste die an diesem Abend geplante Tour durch die Vereinskeller laut Mutter Anke Dyhringer „etwas geknickt“ auf den Sonntagnachmittag vertagen, weitergefeiert wurde privat. Der begehrte Titel „Keller des Jahres“ ging am Sonntag im Übrigen an die Minnesänger.
Traditioneller Festumzug
Tradition bleibt Tradition auch am Sonntagmorgen. Der gehörte dem Empfang der Hohen Burgfrauen des Burgvereins. In diesem Jahr war das „Falkenstein Grand“ der Gastgeber. Birgit Becker dankte mit einem Geschenk dem Hotel Manager Manuel Slapnig für den überaus freundlichen Empfang. Präsentialrätin Ursula Althaus-Byrne konnte neben den vielen Hohen Burgfrauen auch Burgfräulein Jessica I. mit Gefolge, den Schirmherrn des Burgfest Fürst Alexander zu Stolberg-Roßla mit seiner Gattin und Bürgermeisterin Beatrice Schenk-Motzko begrüßen. Für alle ging es bald darauf weiter zum Höhepunkt des Wochenendes, dem Großen Festzug vom Tal zur Burg.
Gespanntes Warten an der dicht gesäumten Hauptstraße auf Höhe des Kapuzinerplatzes. Die Blinklichter des Vorabfahrzeugs der Ordnungspolizei signalisierten, dass sich der Festzug, der sich vor einer guten halben Stunde in der Wiesbadener Straße in Bewegung gesetzt hatte, näherte … aber die hohe Gesellschaft ging zu Fuß. Statt wie angekündigt als Zugnummer drei in der ersten Kutsche zu sitzen, schritten Birgit Becker, Burgfest-Schirmherr Alexander Fürst zu Stolberg-Roßla, der erste Königsteiner Bürger, Stadtverordnetenvorsteher Michael Hesse und Ex-Bürgermeister Leonhard Helm winkend voran. Alle Kutschen waren wegen Wetters und des befürchteten glitschigen Kopfsteinpflasters in der Altstadt aus Gründen des Tierschutz abgesagt worden. Wieder ein Novum, vermutlich auch wieder vernünftig – aber wieder das Wetter, das selbst, wenn das schlimmste Szenario nicht eintrat, den Ablauf diktierte. Aber der Stimmung tat es keinen Abbruch, die war bei den Umzugsteilnehmern genauso ausgelassen wie bei den Königsteinern am Straßenrand, die den Höhepunkt ihres Burgfestes feierten. Und wenn es ihnen mal etwas zu ruhig wurde, riefen die Zugteilnehmer „Jubel!“ – das ist die Variante zum „Helau“ in der Fastnachtszeit – und tatsächlich flogen auch beim Burgfest da und dort Kamelle. Im Mittelpunkt standen aber die festlichen und historischen Roben, die kreativen geschichtlichen Darstellungen der Fußgruppen – von der Fehde zwischen Falkenstein und Reifenberg vor 650 Jahren bis zur Werdung des Grundgesetztes vor 75 Jahren in der Villa Rothschild – Minnegesang der Singgemeinschaft und Kirchenmusik mit einer selbst gebauten Miniatur-Holzorgel vorgetragen vom Evangelischen Kantor Carmenio Ferrulli. Ein großer Augen- und Ohrenschmaus, der zeigte, wie sehr die Vereine und Instiutionen das Königsteiner Burgfest lebten und leben. Das klang dann nach dem Familiennachmittag bei weiterhin gnädigem Wetter und dem Abendprogramm mit mit Livemusik von Mangold & Band sowie Niksfield auf einer gut gefüllten Burg aus. Ein solch versöhnlichen Abschluss hatten sich alle Mitwirkenden und Gäste nach dem Schreck am Samstagabend dann auch wirklich verdient. Das klang dann nach dem gut besuchten, schönen Familiennachmittag bei weiterhin gnädigem Wetter und dem wieder feuchten Abendprogramm mit Livemusik von Mangold & Band sowie Niksfield so langsam aus. Den versöhnlichen Abschluss hatten sich alle Mitwirkenden und Gäste nach dem Schreck am Samstagabend dann auch wirklich verdient.
Spektakuläres Feuerwerk am Freitagabend, fotografiert vom Schwarzen Weg. Foto: Riedel