Kampf um Königsteins Geschichte

Wie geht es weiter mit dem geschlossenen Stadtmuseum? Wanja Müller-Hesse (li.), Leiterin des Fachbereichs Kultur im Rathaus, und ihre Dienst­herrin Beatrice Schenk-Motzko haben dem Verein für Heimatkunde die Nutzung der Räumlichkeiten im Alten Rathaus gekündigt. Die Zukunft vieler Exponate ist noch offen, das Schicksal des Burgmodells aber scheint klar: für den Abtransport wird es zersägt werden müssen. Foto: Schramm

Königstein (as) – Die Vereinbarung, dass der Verein für Heimatkunde die Betreuung und Pflege der Museumsstücke des Burg- und Stadtmuseums übernimmt und die Stadt dafür das Alte Rathaus – in dem es seit 1910 ein Stadtmuseum gegeben hatte – dafür unentgeltlich zur Verfügung stellt, stammt aus dem Jahr 1968. Damals hatte die Stadt mit einem offenen Lkw die Reste des Burgmuseums vor die Tür des Alten Rathauses gekarrt, erinnert sich Rudolf Krönke, der ab 1976 für 46 Jahre der Vorsitzende des Heimatkundevereins war. Krönke und seine Mitstreiter nahmen sich der Sache an, und bis vor drei Jahren verlief die Koexistenz mit der Stadt weitestgehend geräuschlos, aber offenbar auch nicht im größten gegenseitigen Interesse ab.

Doch diese Zeit scheint nun endgültig zu Ende gegangen zu sein. Bürgermeisterin Beatrice Schenk-Motzko hat dem Heimatkundeverein in einem Brief mitgeteilt, dass die Zusammenarbeit beendet ist. Das geschieht bereits zum zweiten Mal, denn ihr Vorgänger Leonhard Helm hatte bereits am 31. Januar 2023 den Nutzungsvertrag für das Alte Rathaus gekündigt. Diese Kündigung war zunächst noch einmal ausgesetzt, dann aber vollzogen worden – seit dem 31. März 2024 ist das Museum mit der kompletten Sammlung, die durch Grabungen des Vereins auf der Burg und Leihgaben Dritter über die Jahrzehnte, zuletzt auch verstärkt durch eigene Forschungsprojekte des Vereins, erweitert worden war, geschlossen.

Die Versuche seit August 2024, unter Helms Nachfolgerin Schenk-Motzko mit dem Heimatverein und dessen Repräsentanten Frauke Heckmann (2. Vorsitzende) und den Beisitzern Christoph Schlott und Krönke doch noch einen Konsens zu erzielen, sind entgegen der anfänglichen positiven Signale und „guter Gespräche“ (Schenk-Motzko) offenbar gescheitert.

Der Verein wurde in einem Schreiben aus dem Rathaus nun aufgefordert, bis zum 11. April seinen Teil der Sammlung aus dem Alten Rathaus zu entfernen. Dem werde er auch nachkommen. Die Räumung sei für den 4. bis 6. April geplant, sagte Frauke Heckmann. Und das bekannte Burgmodell im ersten Stockwerk, großer Stolz des Heimatvereins, wird zerschnitten werden müssen, da es durch keine Tür und kein Fenster des historischen Gebäudes passt. Dort steht zu allem Überfluss derzeit auch noch ein Gerüst im Treppenhaus, was den Auszug auch zu einer sportlichen Prüfung für alle Beteiligten machen wird.

Aber musste es so weit kommen? Das Verhältnis ist zerrüttet, seit der Heimatverein in einem offenen Brief zu Beginn des Jahres (die KöWo berichtete) die Stadtverwaltung in Person der Stadtarchivarin Dr. Alexandra König, die früher selbst Vorstandsmitglied des Vereins war, beschuldigt hatte, sich des Besitzes des Vereins habhaft machen zu wollen. „Diese Diffamierungen waren für uns der Punkt zu sagen: Jetzt ist Schluss. Das ist auch die Meinung des Magistrats“, so Schenk-Motzko. Wer den Verein und insbesondere seine beiden aktuellen Führungsköpfe Heckmann und Schlott kennt, weiß, dass dieser nicht so einfach klein beigeben, sondern seine Rechte geltend machen wird. So heißt es in einer aktuellen Pressemitteilung, dass die von der Stadt als Diffamierungen bezeichneten Äußerungen im offenen Brief Krönkes (der die Vereinsmeinung widerspiegelt) Tatsachen seien. Sie könnten bei Bedarf durch Erklärungen an Eides statt und interne Dokumente belegt werden. Klingt bereits verdächtig danach, dass sich bald Gerichte mit dem Fall beschäftigen könnten. Denn neben der unterschiedlichen Interpretation des Gesagten und Gemeinten geht es ganz handfest darum, wem welche Teile der umfangreichen Sammlung eigentlich gehören.

Ursprünglich hatten beide Seiten sogar beabsichtigt, auch wegen der Überalterung der Mitglieder des Vereins für Heimatkunde und dessen Schwierigkeiten, das Museum während der Öffnungszeiten personell zu besetzen, ein gemeinsames Museumskonzept zu verwirklichen und dies nach der bereits begonnenen Renovierung des Alten Rathauses einschließlich der Ertüchtigung des Brandschutzes am bisherigen Ort zu zeigen. Der Verein hatte der Stadt Dauerleihgaben aus seiner Sammlung angeboten, auf der Jahreshauptversammlung im vergangenen August war das sogar einstimmig beschlossen worden.

Doch zu den folgenden Vertragsentwürfen, für die sich beide Seiten juristischen Rat zur Seite geholt hatten und die mittlerweile auch auf der Homepage des Vereins eingesehen werden können, gibt es äußerst Widersprüchliches zu hören. „Es gab immer wieder Änderungswünsche, es ging dreimal hin und her“, so Schenk-Motzko. Und Wanja Müller-Hesse, die ebenfalls involvierte Fachbereichsleiterin Kultur im Rathaus, sagte, „dass einvernehmliche Gespräche postwendend zurückgenommen“ wurden. Der Verein habe etwa die Dauerleihgaben statt der üblichen 15 auf fünf Jahre begrenzen wollen. Zudem sollte sich die Klausel in der Satzung, dass im Falle der Auflösung des Vereins die komplette Sammlung an die Stadt falle, nicht auf den Vertrag beziehen – sprich, die Dauerleihgabe würden mit Auflösung des Vereins (und der möglichen Gründung eines Nachfolgevereins) enden. „Wir hätten in die Exponate investiert und sie restauriert, aber der Verein hätte die Zügel in der Hand gehabt. Das ist schwierig darzustellen“, so die Bürgermeisterin auch mit Blick auf den städtischen Haushalt.

Frauke Heckmann sagte dazu, dass die Begrenzung auf fünf Jahre von der Stadt gekommen sei, man halte diese selbst für viel zu kurz. Der Verein habe lediglich die Klausel gewollt, nach fünf Jahren prüfen zu können, ob es tatsächlich zu einer Ausstellung der Leihgaben in einem Museum gekommen sei (oder es einen bindenden Verwaltungsbeschluss dafür gebe). In diesem Fall verlängere sich der Leihvertrag um jeweils weitere fünf Jahre. Damit erhalte der Vertragsentwurf des Vereins eine Rechtssicherheit für die Stadt als Leihnehmerin – sofern ein städtisches Museum besteht.

Und zum Übergang der Rechte an die Stadt: „Jeder Verein muss das Recht haben, seine Satzung zu ändern“, sagte Heckmann. Allen künftigen Generationen von Sammlern die Möglichkeit zu nehmen, dem Heimatverein Sachen zu geben, die dann an die Stadt übergehen, sei nicht zulässig.

Entscheidend seien für den Heimatverein aber zwei andere Punkte. „Dass wir keinen vollen Zugriff mehr auf die Leihgaben bekommen sollten, sondern sie uns auf Anmeldung nur gezeigt werden, ist nicht akzeptabel. Genauso, dass uns verboten wird, zu den Themen der Sammlung zu publizieren. Wir forschen, wir betreiben Heimatkunde, das ist unser Auftrag“, so Heckmann.

Inhaltliche Dissonanzen

Unstimmigkeiten hinsichtlich der künftigen Schwerpunkte des Stadt- und Burgmuseums hatte es schon länger gegeben. Man könnte es schon einen Richtungsstreit nennen, wem die Geschichte Königsteins gehört bzw. wer die Interpretationshoheit darüber hat. Der Heimatverein hatte neben der „Festungsruine“ (im normalen Sprachgebrauch der Burg) zuletzt unter neuer Führung am Thema Demokratiegeschichte Königsteins anlässlich des 75. Jubiläums der Verfassung der Bundesrepublik und der Bedeutung der Villa Rothschild als Verfassungsort geforscht und im Winter dazu auch seine erste (und wohl auch letzte) Bauzaun-Ausstellung in der Hubert-Fassbender-Anlage präsentiert.

Einseitig nur Demokratiegeschichte zu beackern, weist der Verein zurück, es gebe genügend andere, auch mit Bundes- und Landesförderungen ermöglichte Projekte wie das virtuelle Museum im Stadtrundgang Festung – Demokratie – Altstadt.

Alexandra König bekannte, dass es noch kein fertiges städtisches Museumskonzept gebe, da man ja lange von einem gemeinsam zu entwickelnden Konzept ausgegangen sei. Aber das Museum müsse auf jeden Fall die gesamte 800-jährige Stadtgeschichte abbilden, dazu zählten neben der Burggeschichte die Landhäuser und Villen, das Entstehen des Kurorts, die illustren Gäste der Kurkliniken einschließlich deren kulturellem Vermächtnis und in diesem Zusammenhang auch das von einem Kurgast gespendete Freibad. Das Thema Demokratiegeschichte sieht sie eher in der Villa Rothschild als im Stadtmuseum verortet.

Ärger auch ums Geld

Sie gab sich aber optimistisch, nach der Renovierung ein modernes, digitaleres „städtisches Stadtmuseum“ aufbauen zu können, auch wenn die Haushaltsmittel dafür aktuell sehr begrenzt scheinen. Für dieses Jahr stehen immerhin schon 20.000 Euro für das Stadtmuseum im Haushalt, das ist mehr als in den Vorjahren. Die vom Verein jährlich benötigten 6.000 Euro für Aufsichtskräfte, die im Haushalt 2024 noch ausgewiesen und dann mit einem Sperrvermerk versehen wurden, sind aber eine weitere „Forderung“ des Vereins, zu der die Stadt mittlerweile Nein sagt.

Also stehen die Zeichen auf endgültige Trennung – und auf Kompletträumung des Museums, aller Vitrinen, Schubladeninhalte und Kisten, die noch auf dem Dachboden lagern. Und damit wird das Thema „Besitzansprüche“ relevant – denn laut Heckmann beruft sich der Verein auf die im Bürgerlichen Gesetzbuch genannte Klausel der „Ersitzung“. Der Verein habe sich durch die Reinigung, Pflege, Beschreibung und Ausstellung seit dem Jahr 1968 die Sammlung ersessen. Zudem habe es nie geheißen, dass man im Auftrag der Stadt ein Museum der Stadt führe, hatte Krönke bereits in seinem Brief formuliert. Vielmehr geht der Verein davon aus, dass das Museum eine eigene Neugründung gewesen sei.

Von dieser Argumenation weiß auch die Stadt, ist aber anderer Auffassung. Es gebe drei Inventarlisten aus den Jahren 1914, 1935 und 1961, die den städtischen Besitz auswiesen. „Wir müssen abgleichen, was noch vorhanden ist und was dazugekommen ist“, sagt König. Sie habe im Jahr 2023 auch drei Begehungen mit Rudolf Krönke gemacht, dabei sei aber noch keine Schublade geöffnet worden und zu Folgeterminen sei es nicht mehr gekommen. Der Verein sagt, dass eine von ihm angestrebte Inventarisierung der Sammlung mit deutlicher Beschreibung und Zuordnung aller Sammelstücke mit Unterstützung des Hessischen Museumsvereins nie zustande gekommen sei, angeblich habe das die Stadtarchivarin als damalige Beisitzerin im Vorstand für unnötig gehalten.

Heckmann und Schlott schließen nicht aus, dass hier bald ein Amtsrichter gefragt sein könnte, die Rechts- und Besitzverhältnisse zu klären. Frauke Heckmann: „Es gibt noch immer die Möglichkeit, die letzte Version des Dauerleihvertrags zu unterzeichnen. Das Angebot ist weiterhin da.“ Aber zu den Bedingungen des Heimatvereins, und das dürfte nach den letzten Signalen der Stadt so ziemlich ausgeschlossen sein.

„Wir wollen alle das Gleiche: Die Geschichte Königsteins für die Bürgerinnen und Bürger sichtbar machen“, schüttelt Schenk-Motzko ob der konfrontativen Situation den Kopf. Doch auch Menschen, die die gleichen Ziele haben, können sich aufgrund der unterschiedlichen Wege dahin entzweien.

Die nächsten Kapitel im Zwist zwischen Stadt und Verein für Heimatkunde dürften also in Kürze geschrieben werden – und vielleicht wird auch dieser „Königsteiner Historikerstreit“ irgendwann einmal als eigenes Kapitel in einem wiedereröffneten Königsteiner Stadtmuseum abgebildet werden.

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