Frankreich nach der Wahl – braucht Macron Deutschland?

Königstein (gs) – Einen interessanten Vortrag zum Thema „Die deutsch-französischen Beziehungen nach den französischen Präsidentschaftswahlen“ fand in der vergangenen Woche in den Räumen der Frankfurter Volksbank in Königstein statt. Im Rahmen des Jahresprogramms „50 Jahre Städtepartnerschaft mit Le Cannet“ hatte der Förderkreis der Städtepartnerschaft e.V. zu diesem informativen Vortrag von keinem geringeren als dem Präsidenten der Deutsch-Französischen Gesellschaft in Frankfurt, Christophe Braouet, eingeladen. Im 100 Personen fassenden Foyer der Frankfurter Volksbank waren fast alle Plätze besetzt, als Wolfgang Riedel, Vorsitzender des Förderkreises, Christophe Braouet begrüßte.

Die Frage der deutsch-französischen Freundschaft und Zusammenarbeit habe, so Braouet, angesichts der aktuellen politischen Lage in Europa und den Aggressionen Russlands gegenüber der Ukraine deutlich an Gewicht gewonnen. Es stelle sich, so Braouet, die Frage nach der Zukunft Europas.

Ende gut, alles gut?

Eingangs nahm Christophe Braouet Stellung zu der aktuellen Befindlichkeit der französischen Gesellschaft. Sie sei, so der Vortragende, extrem frustriert. Trotz des deutlichen Sieges von Emanuel Macron in der Stichwahl gegen Marie Le Pen habe Macron bei Weitem nicht die Mehrheit der Franzosen politisch hinter sich. Er führte aus, dass Le Pen in Le Cannet mehr als 49 % der Stimmen erhielt. Die französische Gesellschaft sei gespalten, was multiple Gründe habe. Während ein Sieg Le Pens womöglich einen „Frexit“ bedeutet hätte, schreibe sich Macron „Europa auf die Fahne“. Über Macrons Präsidentschaft hänge eine große Unzufriedenheit in der Bevölkerung, die dazu führe, dass der neu gewählte Präsident lt. Umfrage nach den Wahlen lediglich 36 % der Wähler hinter sich weiß – 64 % der Bevölkerung unterstützen seinen politischen Kurs somit nicht. Dies bedeute, so Braouet, dass sich Macron auch in seiner 2. Amtszeit als Präsident „bewähren“ müsse. Er sei jung (44 Jahre) und die Neugier von 2017 sei verflogen. Harte Coronamaßnahmen und der Ukrainekrieg stellten große Herausforderungen dar. Bei den anstehenden Parlamentswahlen sehe das französische System eine regierungsfähige Mehrheit für das erfolgreichste politische Bündnis vor. Es sei jedoch keinesfalls sicher, dass die politische Mitte, die Macron vertritt, auch bei den Parlamentswahlen erfolgreich sein werde. Im Zweifelsfall müsse Macron mit einem Premierminister regieren, der nicht seiner eigenen politischen Richtung angehört, was in Frankreich eher unüblich und damit schwerer zu „händeln“ sei.

Macron-Hass?

In Frankreich gebe es, so Braouet, glühende Macron-Verehrer – jedoch ebenso fanatische Macron-Hasser, was innenpolitisch ein großes Problem darstelle. Der Neid auf den „elitären“ Politiker, dem scheinbar alles gelingt, sei groß. Macron sei ein brillanter Redner, der ein souveränes Europa fordere und dazu aufrufe, die europäischen Werte zu verteidigen. Nicht zuletzt durch das Hissen der europäischen Fahne am Triumphbogen und das Spielen der Europahymne zu seiner Antrittsrede habe sich Macron bei den nationalbewussten Franzosen jedoch wenig Freunde gemacht, so Braouet. Macron werde, so führte er aus, im eigenen Land von vielen als „unerfahren und arrogant“ wahrgenommen.

Düsterer Blick in die Zukunft

Die Franzosen, so Christophe Baouet, seien deprimiert und blickten eher negativ auf die Zukunft. Hohe Staatsdefizite zwängen zum Personalabbau im öffentlichen Dienst, was ca. 20% der Franzosen betreffen dürfte. Zudem schwinde die Kaufkraft, da die Einkommenssteigerungen nicht mit den Preissteigerungen mithalten könnten. Im Flächenstaat Frankreich ist ein 100 km weiter Weg zur Arbeitsstelle keine Seltenheit, weswegen die überproportionale Erhöhung der Energiepreise den Menschen besonders zu schaffen mache. Die Franzosen empfänden soziale Ungerechtigkeit und seien deshalb wenig kompromissbereit, obwohl Macron durchaus wirtschaftliche Erfolge und eine Verminderung der Arbeitslosigkeit bei den jungen Franzosen zu verzeichnen hat. Auch die Energiewende schreite zügig voran und werde massiv vom Staat gefördert.

Schulterschluss mit Deutschland?

Macron, so ist sich Braouet sicher, brauche Deutschland, um seine europäischen Ziele voranzutreiben. Hinderlich seien dabei die deutschen Alleingänge der letzten Jahre gewesen, die mit dem Atomausstieg, der Förderung von NordStream 2 und in der Flüchtlingsfrage deutliche Irritationen bei den europäischen Partnern hervorgerufen hätten.

Auf Macrons Agenda stehe u.a. die Neuverhandlung der Maastrichtkriterien zur Neuverschuldung im Euroraum, die ohne Deutschland nicht umsetzbar sei. Auch die Themen Zuwanderung, Grenzsicherung und Energie müssten aufgenommen und neu bewertet werden. Neu auf der Agenda stehe zudem die Frage des Wiederaufbaus der Ukraine nach Kriegsende, die Macron als europäische Frage adressiert.

Christoph Braouet beendete seinen Vortrag mit dem Appell, dass sich die Zivilgesellschaft in die europäische Diskussion einmischen und Veränderungen fordern solle – gelebte Städtepartnerschaften wie die in Königstein könnten – und müssten – diese wichtige Rolle annehmen und zu diesem Prozess beitragen.

Als ausgewiesenen Kenner der französischen Seele konnte Wolfgang Riedel (Förderkreis der Städtepartnerschaft e.V. Königstein) den Vorsitzenden der Deutsch-Französischen Gesellschaft, Frankfurt – Christophe Braouet – begrüßen.
Foto: Scholl



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