Falkenstein (kw) – „Wenn es am schönsten ist, soll man aufhören“, heißt es. Wer den leidenschaftlichen Gastronom Georgios Toutziarakis in diesen Wochen in seiner Falkensteiner Gaststätte „Zum Schorsch“ besucht, könnte meinen, dass dieser genau jene Empfehlung beherzigt.
Jeden Mittag ist das Restaurant bestens belegt und allabendlich zum Bersten gefüllt. Und dennoch wird der herzliche griechische Wirt seiner in Königstein beispiellosen Gastro-Karriere am 22. Dezember dieses Jahres ein Ende setzen und Abschied nehmen. Damit endet eine Ära.
Die Nachricht, dass Schorsch, wie seine Freunde und Weggefährten ihn liebevoll nennen, und seine Frau Kula ihr gutbürgerliches Lokal zum Jahresende schließen, hatte sich im Herbst in Falkenstein und Umgebung wie ein Lauffeuer verbreitet. Schließlich ist dieses seit 16 Jahren eine weit über die Grenzen Königsteins hinaus beliebte Institution – und wer einmal dort war, weiß auch warum. Während Schorsch jede und jeden Einzelnen mit Handschlag und leuchtenden Augen in den gemütlichen, einladenden Gasträumen begrüßt, verwöhnt Kula die Gäste mit ihrer köstlichen griechisch-deutschen Küche. Fragt man das Ehepaar, wer von ihnen den „schöneren“ Job habe, schmunzeln beide: „Die Aufgaben sind bestens verteilt.“ Kula liebt nicht nur ihre Gäste, sondern auch ihre Küche. Wenn sie über das Kochen spricht, spürt man ihre Freude und Hingabe. „Das hat etwas Meditatives“, schwärmt sie. Und tatsächlich hat die begeisterte Köchin, deren Credo „frisch und selbstgemacht“ lautet, in all den Jahren noch nie jemand anderem das Spargelschälen überlassen: „Das mache ich selbst. Das beruhigt“, lacht sie.
Schorsch hingegen genießt den Dialog mit den Menschen. Er nennt diesen Austausch scherzhaft seine „Gesprächstherapie“. Doch was so spaßig klingt, könnte in manchem Fall näher an der Realität sein als man zunächst denken mag. Zuweilen kehren auch alleinstehende, ältere Gäste ein, für die die Zeit beim „Schorsch“ nicht nur kulinarischen Genuss bedeutet, sondern auch zum probaten Mittel gegen die Einsamkeit geworden ist. Wer hierher kommt, ist nie allein. Neben dem hervorragenden Essen ist es ebenjene herzliche und gesellige Atmosphäre, die das Lokal über die Jahre zum Magneten für Groß und Klein, für Jung und Alt hat werden lassen. Familien mit Kindern fühlen sich hier ebenso willkommen wie Falkensteins große Herrenrunde.
Als Kind Gastro-Luft geschnuppert
Betrachtet man die Biografie von Georgios Toutziarakis, überrascht es nicht, dass es so gekommen ist. Bereits im Alter von fünf Jahren schnuppert der kleine Schorsch erste „Gastro-Luft“: In einem Dorf nahe dem nordgriechischen Evros betreibt der Onkel ein florierendes Kafenio, ein Café, das auch als Milchsammelstelle für Schafsmilch fungiert, und in dem sich vor allem die Herren zu Kaffee, Plausch und Brettspiel treffen. Dort hält sich Jorgaki, wie er auf Griechisch genannt wird, am liebsten auf. Er saugt dieses lebendige, bunte Treiben in sich auf, lauscht den Gesprächen und weiß früh: Das will er auch. Menschen bewirten und Wünsche erfüllen. In den Folgejahren wächst Schorsch bei den Großeltern auf. Als junger Mann folgt er seinem Vater in die Niederlande. Dort besucht er tagsüber eine Berufsschule, abends kellnert er. Bei einem Urlaub in Griechenland lernt er 1980 seine Lebensliebe Kula kennen. Beide heiraten, und Schorsch begleitet Kula nach Deutschland, die hier bereits seit 1973 in Frankfurt-Zeilsheim lebt.
Einstieg im Gasthof „Zur Post“
Zunächst arbeitet er als Aushilfe im Gasthof „Zur Post“, Frankfurter Straße 5 in Königstein. Gern erinnert er sich an diese Anfangszeit zurück, in der ein Glas Bier und ein Apfelwein 80 Pfennige, das Pils 90 Pfennige kosteten. Nur wenige Monate sind vergangen, als der Wirt der „Post“ die Gaststätte nicht mehr führen möchte. Schorsch ist mutig und übernimmt gemeinsam mit seiner Kula den Betrieb. Acht Jahre bewirtschaften die beiden das Lokal erfolgreich. Manch einer, der als Student dort seinen Apfelwein trank, ist der Familie Toutziarakis noch immer verbunden und nunmehr vierzig Jahre später Stammgast in der Gaststätte „Zum Schorsch“. Es ist eine glückliche Zeit in der alten „Post“, und 1983 wird zu einem ganz besonderen Jahr für Kula und Schorsch: Sohn Kosta wird geboren. Als das Gebäude 1988 abgerissen wird, heißt es weiterziehen. Kula und Schorsch eröffnen die „Neue Post“ (heute als „Da Marco“ bekannt). In diesem Jahr, 1988, macht die Geburt von Tochter Irini das Familienglück der Toutziarakis perfekt. Zwei Jahre später nimmt die Familie das Angebot an, die Gastronomie des Opel-Zoos zu leiten: Sie führen über sechs Jahre den Pavillon und die Kioske. Zwischen Elefant, Giraffe & Co. lassen sie Kinderherzen mit Pommes und Eis höherschlagen und gehen hierin voll auf. „Vielleicht würden wir das bis heute tun“, resümiert Kula.
Doch 1996 ändert der Zoo sein Konzept und lässt seine Gastronomie fortan durch die eigenen Mitarbeiter führen. Kula und Schorsch haben längst etwas anderes im Auge: Sie eröffnen im gleichen Jahr die Ratsstuben in Königstein. 2003 gönnt die Familie sich eine Pause von der Gastro-Szene, die gleichermaßen erfüllt wie fordert. Schließlich zieht es Schorsch nach fünf Jahren wieder hinter den Tresen. Er und Kula hören von einer geschlossenen Kneipe in Falkenstein, für die händeringend ein neuer Pächter gesucht wird. Anfang 2008 betreten sie die Gasträume erstmalig, im Mai ist Eröffnung und der Rest Geschichte. Namensgeberin des Lokals ist übrigens Tochter Irini, die mittlerweile seit vielen Jahren den Service der Gaststätte managt und den Gästen mit ihrer gewinnenden und einfühlsamen Art die Wünsche von den Augen abliest.
Wenn es in zweieinhalb Wochen „Lebwohl“ heißt, freut sich Familie Toutziarakis auf mehr Familienleben, und Kula und Schorsch sehen vor allem der gemeinsamen Zeit mit ihren kleinen Enkeln Jorgo und Jannis freudvoll entgegen. Aber es wird auch ein wehmütiger Abschied: „Mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Wir haben die letzten Jahrzehnte mit viel Leidenschaft und Liebe unseren Gästen gewidmet und durften so viele wertvolle Begegnungen und schöne Momente erleben.“ Ein besonderer Dank geht an alle Gäste und Freunde, die die Familie über die Jahre unterstützt und den „Schorsch“ zu einem zweiten Zuhause gemacht haben. „Die Erinnerung an all diese Jahre wird uns für immer begleiten.“ Ihr großer Dank gilt auch den treuen Mitarbeitern, Peter und Ivan, die längst zu einem Teil der Familie geworden sind. Das Gefühl von Heimat, das in der Gaststätte lebendig war, ist für Familie Toutziarakis ein besonderer Schatz. „Wir sind dankbar für die vielen Erfahrungen, die wir machen durften, und die Freundschaften, die hier entstanden sind.“
Die Geschichte der Toutziarakis‘ ist – fernab von Grillteller und Schnitzel – eine Geschichte, von Liebe und Familie, Miteinander und Füreinander, Freundschaft und Zusammenhalt. Diese besondere Energie hat man stets gefühlt. Auch das werden Gäste, Freunde und Wegbegleiter sehr vermissen.