Falkenstein/Kronberg (pu/kw) – In diesen Wochen werden zunehmend Parallelen zu vergleichbaren einschneidenden Ereignissen in der Vergangenheit gezogen.
Bedeutend war, so zeigt es der Blick in die Historie laut Stadtarchivarin Dr. Alexandra König, beispielsweise die Tuberkulose (TBC oder TB), früher auch als „Schwindsucht“ oder „Weißer Tod“ bezeichnet. Dabei handelt es sich um eine durch Mykobakterien verursachte Infektionskrankheit, die in den meisten Fällen die Lungen betrifft, unter ungünstigen Umständen wie bei abwehrschwachen Patienten allerdings über das Blut in andere Organe vordringen kann.
Ein direkter Vergleich mit dem neuartigen Coronavirus / Covid-19 hinkt zwar ein wenig, ungeachtet dessen „war das schon eine Geißel für Königstein“, wie Dr. König ausführt. Für die Burgenstadt hatte die Krankheit aber auch den daraus resultierenden Effekt, dass hier Sanatorien zu ihrer Behandlung gegründet wurden mit entsprechend auch positiven wirtschaftlichen Folgen.
In diesem Zusammenhang fällt der Blick geradezu zwangsläufig auf den am 4. August 1837 in rheinhessischen
Wintersheim geborenen und am 12. Januar 1904 in Kronberg im Taunus verstorbenen Dr. Peter Dettweiler. Der Sohn eines Landwirts sollte als Arzt
in Falkenstein
eine international anerkannte Kapazität in der Bekämpfung der Lungentuberkulose werden. Nach dem Besuch des Gymnasiums in Darmstadt studierte Peter Dettweiler
zunächst
an den Universitäten Gießen, Würzburg und Berlin Medizin. Im Jahr 1863 schloss er seine Promotion über die Schlafkrankheit ab. Er nahm am Deutsch-Dänischen Krieg (1864) und zwei Jahre später am Deutsch-Österreichischen Krieg (1866) aktiv teil. Nur kurze Zeit arbeitete Dr. Dettweiler in seiner eigenen Praxis, die er wegen eines noch zu Studentenzeiten zugezogenen Lungenleidens schließen musste. Nach kurzer Tätigkeit als Militärarzt ging er als Patient zu dem damals bekannten Lungenarzt Dr. Hermann Brehmer nach Görbersdorf in Schlesien. Unterbrochen von der Teilnahme am Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 arbeitete er seit 1869 in Görbersorf als zweiter Arzt unter Dr. Brehmer. Unterschiedliche Auffassungen zu den Ursachen und der Heilung der Tuberkulose führten dazu, dass Dr. Dettweiler sein berufliches Wirkungsfeld von Schlesien in den Schwarzwald (St. Blasien) verlegen wollte.
Heilanstalt in Falkenstein
Frankfurter Ärzte, die sich mit der Behandlung der damals weit verbreiteten Lungentuberkulose beschäftigten, gründeten im Jahr 1873 eine „Gesellschaft Falkenstein zur Erbauung und den Betrieb einer Kur- und Heilanstalt bei Falkenstein im Taunus“. Zwei Jahre später konnte die auf dem Kocherfels erbaute Heilanstalt im Debusweg eröffnet werden. Nachdem der leitende Arzt 1876 selbst an Tuberkulose verstorben war, wurde die Leitung der Heilanstalt Dr. Peter Dettweiler übertragen, der sie zwei Jahrzehnte innehatte.
In kürzester Zeit erreichte die Falkensteiner Lungenheilanstalt bedeutenden internationalen Ruhm: Davon zeugten nicht nur viele Patienten aus dem Ausland, auch Ärzte aus Davos in der Schweiz sowie aus Frankreich informierten sich von der Wirksamkeit der Dettweilerschen Therapie. Diese bestand aus einer ausgedehnten Luft- und Ruhekur. Ebenso gehörte zur Therapie eine reichhaltige Ernährung, zu der anfangs auch als Stärkung der Genuss von Alkohol zählte. Kognak, Weine und Champagner wurden gemäß dem Alter, dem Geschlecht und den Lebensgewohnheiten der einzelnen Patienten „verordnet“.
Blauer Dettweiler und Tuberkulin
Durch eine besondere Erfindung wurde er überregional bekannt: Das „Fläschchen für Hustende“ sollte anstelle des unhygienischen Taschentuches den Auswurf der Kranken aufnehmen. Dieser kleine, aus blauem Glas gefertigte Behälter war als der „blaue Dettweiler“ bekannt und wurde in Lüdenscheid hergestellt. Auf Grund seiner Beziehungen zur in Kronberg lebenden Kaiserin Friedrich kam Dr. Dettweiler, der zahlreiche wissenschaftliche Veröffentlichungen verfasste, an eine kleine Menge des von Dr. Robert Koch entdeckten Heilmittels Tuberkulin, auf dem viele Hoffnungen ruhten, und testete es an seinen Patienten. Erwähnenswert ist auch die von Dettweiler initiierte Gründung der ersten deutschen „Volksheilstätte für unbemittelte Lungenkranke“, die sich bis 1895 auf dem Weg von Falkenstein nach Königstein befand und dann nach Ruppertshain umzog.
Aus gesundheitlichen Gründen zog sich Dr. Peter Dettweiler 1895 von der Klinikleitung zurück und verlegte seinen Wohnsitz nach Kronberg. Dort ging er nun seinen künstlerischen Neigungen nach: Er beschäftigte sich mit Bildhauerei, erbaute 1894/95 das heute noch stehende schöne Haus Hainstraße 21, das nach den von ihm selbst geschnitzten Figuren am Tor des Anwesens den Namen „Drachenhaus“ erhielt. Am 12. Januar 1904 verstarb er in Kronberg.
Mit seinem Wirken trug Dr. Peter Dettweiler in fundamentaler Weise zur Entwicklung des zuvor armen Dörfchens Falkenstein bei. Das Zentrum seines Schaffens, die Lungenheilanstalt im Debusweg, wurde zwar 1906 abgerissen, nachdem sie durch das Aufkommen besserer Heilmethoden in anderen Kliniken zunehmend an Bedeutung verloren hatte. Drei Jahre später jedoch errichtete Kaiser Wilhelm II. an gleicher Stelle einen Gebäudekomplex zur Erholung und Genesung seiner Offiziere. Dies vor Augen, wenn auch an leicht verändertem Standort im Asklepiosweg, eröffnete 1999 die Asklepios Fachklinik für Neurologie und neurologische Rehabilitationsmedizin. Denn nach wie vor sieht man dort aufgrund der ruhigen Waldrandlage mit altem Baumbestand und der sauberen Luft einen ausgezeichneten Ort der Genesung und Rehabilitation. Darüber hinaus trägt Falkenstein seit 2002 das Prädikat „Heilklimatischer Kurort“.
An Dr. Peter Dettweiler erinnert unter anderem der nach ihm benannte „Petersfelsen“.