Soziale Gerechtigkeit im Fokus von Brigitte Zypries beim Königsteiner Salon

Königstein (sk) – Das Kinderhilfswerk Childaid Network engagiert sich mit seiner Veranstaltungsreihe „Königsteiner Salon“ für benachteiligte Kinder und Jugendliche. Ziel ist es, die Themen der Childaid Stiftung einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Als „politisches Urgestein“ mit „lebenslangem Engagement und konsequenter Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen“ begrüßte Dr. Martin Kasper, Stifter und ehrenamtlicher Vorstand von Childaid Network, seine Gastrednerin, die SPD-Politikerin Brigitte Zypries. Zuletzt als Bundesministerin für Wirtschaft und Energie im Kabinett Merkel habe sie bewiesen, dass man erfolgreich Politik gestalten und sich dabei selbst treu bleiben könne, auch über ein langes politisches Leben hinweg. Mittlerweile aus dem Bundestag ausgeschieden, könne sie bestens aus der Retrospektive beurteilen, wie es ist, Politiker zu sein und wie man mit der teils unzulänglichen Reputation von Politikern umzugehen habe, moderierte Dr. Martin Kasper.

Politischer Werdegang

Brigitte Zypries schilderte souverän ihre Biografie und betonte dabei gewisse Umbruchsituationen in ihrem Leben, die ihren politischen Werdegang überhaupt erst ermöglichten. Das veränderte Schulsystem beispielsweise habe ihr als Realschülerin das Abitur auf dem Gymnasium erst erlaubt und damit die Tür zum Studium geöffnet. Ihre Eltern hätten für sie eher ein Leben als Hausfrau und Mutter von zwei Kindern im Sinn gehabt statt eines als Politikerin. Dennoch habe sich teils durch Fleiß, manchmal durch Glück und teils durch Anwesenheit am richtigen Ort zur richtigen Zeit vieles zusammengefügt, was ihre politische Karriere beflügelt habe. So wurde sie 1998 nach dem Wechsel der Bundesregierung Staatssekretärin im Bundesinnenministerium bei Otto Schily. „Dort habe ich mich erstmalig mit dem Thema der Informationstechnologie befasst“, bekannte die Politikerin. Im Kabinett von Gerhard Schröder wurde Brigitte Zypries schließlich nach der Bundestagswahl 2002 Bundesministerin der Justiz. Sie behielt dieses Amt auch in der von Angela Merkel geführten Großen Koalition bis 2009. Projekte wie die Patientenverfügung, die Gesetzesänderung zum Stalking-Paragrafen, die stärkere Gleichstellung homosexueller Paare im späteren Gleichstellungsgesetz und der Versorgungsausgleich von benachteiligten Frauen waren nur einige von vielen Themen, die die Ministerin a.D. während ihrer Amtszeit begleitete. Von 2013 bis 2017 als Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie war sie für die Bereiche Informationstechnologie und Luft- und Raumfahrt zuständig. Bis März 2018 war sie die Bundesministerin für Wirtschaft und Energie im Kabinett Merkel III. Dort habe sie sich intensiv mit der umfassenden Digitalisierung der industriellen Produktion im Rahmen des Zukunftsprojekts Industrie 4.0 beschäftigt, erklärte Brigitte Zypries.

Digitalstrategie?

„In der Digitalisierung sehe ich für die jüngere Generation enorme Chancen“, berichtete Brigitte Zypries und verwies auf das sogenannte Leap-Frogging-Modell in Afrika. Dort überspringen Millionen von Menschen den technologischen Evolutionsprozess, indem sie veraltete Technologien (zum Beispiel Festnetzanschlüsse, Stromleitungen und Ähnliches) überspringen und direkt zu modernen Lösungen (unter anderem Mobilfunkgeräte und erneuerbare Energien) übergehen. „Das schafft auch Transparenz, was ein bedeutsames Mittel gegen Korruption ist“, schlussfolgerte die Politikerin.

Es schloss sich eine belebte Diskussionsrunde an. Welchen Nutzen habe ein Digitaler Beirat für die Bundesregierung, wollte ein Zuhörer wissen. Brigitte Zypries stellte klar, dass es sich dabei um eine Hilfestellung für die Kanzlerin handele. Der Beirat berate die Bundesregierung bei der Umsetzung ihrer Agenda für die digitale Wirtschaft und unterstütze sie bei der Entwicklung der besten Rahmenbedingungen für digitale Unternehmen. „Aber den Ausbau der Digitalisierung bekommt unser Verkehrsminister leider noch nicht hin“, schmunzelte die Politikerin. „Da ist noch einiges notleidend.“ Ähnliches Bild bei den Schulen, weil den Lehrern die fachliche Kompetenz fehle.

Deutschland hinkt hinterher

Aber nicht nur die digitale Transformation gelte es zu meistern, auch mit der Geschwindigkeit müsse Deutschland mithalten können, warf ein anderer Zuhörer mit Blick auf China ein. „Im Vergleich zu China leben wir hier auf Reserve“, so sein Statement. „Mit China können wir nicht mithalten“, stimmte die Referentin zu. Als demokratisches System könne Deutschland nicht ansatzweise so viele Datenmengen generieren und transferieren, wie dies in China bereits jetzt der Fall sei. Deshalb sei in China auch eine deutlich schnellere Entwicklung zu verzeichnen.

Bildung entscheidet über Zukunft

Die aktuelle „Spurwechsel“-Debatte über abgelehnte, aber gut integrierte Asylbewerber, die mittels festen Arbeitsplatzes in den deutschen Arbeitsmarkt drängen, wurde kurz angerissen. Brigitte Zypries wies auf die „Drei-plus-Zwei-Regelung“ hin, wonach abgelehnte Asylbewerber eine Ausbildung abschließen und anschließend eine zweijährige Beschäftigung ausüben können.

„Während der europäische Zusammenhalt kriselt und nationalpopulistische Politik en vogue ist, fallen wir zurück in die 30er Jahre?“, wollte Dr. Kasper wissen. Die Schere zwischen Reich und Arm werde immer größer, die Rentendebatte sei unbefriedigend, das Wohlstandsproblem nicht gelöst, da das Geld in seiner bisherigen Verteilung einfach nicht reiche, so die Antwort der Politikerin. Und die Populisten nähmen sich dieses Themas an. Autokraten wie Trump könne man nur mit Bildung begegnen. „Apropos Bildung, wofür werden die Fördergelder in Deutschland eigentlich eingesetzt?“, wollte ein Zuhörer wissen. Unter dem Stichpunkt „Bildungsföderalismus“ warb Brigitte Zypries für weitreichende Errungenschaften in der Verbesserung der finanziellen Situation deutscher Schulen durch die Bund-Länder-Hilfe.

„Uns bewegen aber auch die ethnischen Konflikte und die Wanderungsbewegungen aufgrund von Klimakatastrophen. Was ist der große politische Wurf dazu?“, fragte Dr. Kasper abschließend. Brigitte Zypries verstand diese Besorgnis, hatte aber auch keine Empfehlung parat. Sie sehe darin die große Herausforderung für die Politik, Globalisierung und soziale Gerechtigkeit in Einklang zu bringen. Elementar sei dafür die Verbesserung der Chancengleichheit, was grundlegende Reformen des Bildungssystems erfordere.

Aktuelle Veranstaltungen und Aktionen von Childaid Network finden sich auf www.childaid.net.

Soziale Gerechtigkeit im Blick – Brigitte Zypries und Dr. Martin Kasper von Childaid Network lösten zwar nicht die Probleme dieser Welt, machten aber auf einige davon aufmerksam

Foto: Krüger



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