Wörter für ein gutes Zusammenleben

Am Marktstand der Händlerin der Worte (Katharina Smutny) gibt es weder Obst noch Gemüse zu kaufen, sondern Buchstaben und bunte Wörter in allen Sprachen der Erde. Foto: fch

Friedrichsdorf (fch). In einen großen Marktplatz verwandelt hatte sich die Aula der Hardtwaldschule Seulberg am Montag. Dort hatte „Die Händlerin der Worte“ (Katharina Smutny) ihren Marktstand aufgebaut. Schnell stellten die Grundschüler fest, dass es sich hier um einen besonderen Stand handelte. Dort gab es keine Eier, Kartoffeln, Gemüse oder Blumen zu kaufen, sondern Wörter.

Markteröffnung in der Aula der Hardtwaldschule. Ein besonderes Unterfangen, denn in der Auslage und am Stand lagen und hingen überall Buchstaben oder bunte Wörter herab. Und zwar nicht nur deutsche Wörter, sondern Wörter in allen Sprachen der Welt. Stolz verkündete die Händlerin, dass es bei ihr süße, schöne, kleine, große, höfliche, tröstende Worte, aber auch Fremd- oder Schimpfworte zu kaufen gäbe. Nebenbei erklärte sie den Schülern im Theaterstück „Die Händlerin der Worte und die gestohlenen Wörter“, wie die Wörter im Alltag angewendet werden. Als Beispiel für ein schönes Wort gab sie „Ferien“ an und verkündete: „Bei mir gibt es alle Ferien“, worüber sich ihre Zuhörer sichtlich freuten. Neben ihrem Marktstand hatte die Marktfrau einen Artikel-Omat aufgebaut und sang: „Fehlt Dir der, die, das, auf meinen Automaten ist Verlass.“ Dann führte sie weiter aus: „Wörter habe ich zuhauf. Mein Automat findet den Artikel sogar in einem Satz. Ihr müsst nur ein Wort oder einen Satz wie „Leiter ist nicht mehr zu gebrauchen“ in den Automaten schmeißen, und schon kommt der richtige Artikel heraus.“ Zum Erstaunen der stolzen Marktfrau warf der Artikel-Omat den Artikel „der“ anstelle von „die“ aus. „Dein Artikel-Omat ist kaputt“, riefen ihr die Kinder im Chor zu. Doch die pfiffige Marktfrau wusste sich zu helfen. „Es heißt ja auch „der Schulleiter“, verkündete sie und meinte einen Schuldirektor.

Wortspiel Teekesselchen

„Es gibt eine Menge Worte wie Leiter, See, Birne oder Kessel, die unterschiedliche Dinge beschreiben.“ Bei einer Birne könne es sich um Obst oder um eine Glühbirne handeln, bei einem Nagel um einen Fingernagel oder einen Metallstift. Und bei einem Kessel, um einen Behälter, ein Gefäß zum Heizen, Waschen, Kochen oder um ein von Bergen eingeschlossenes Tal. Schon stellte die quirlige Marktfrau zwei Teekesselchen vor ihrem Stand ab und zog sogleich Zettel voller Wörter aus einem ihrer beiden Kessel. „Beim Kauf von zehn Teekesselwörtern gibt es einen umsonst“, verkündete die geschäftstüchtige Händlerin. Singend und plaudernd entführte sie ihr vom kurzweiligen Marktgeschehen gefesseltes Publikum durch die vielfältige und faszinierende Welt der Wörter. Doch dann bemerkte sie, dass ein Dieb auf dem Wochenmarkt unterwegs gewesen sein musste und all ihre Wörter und Buchstaben gestohlen hatte. Dieser gemeine Diebstahl barg für sie und alle Menschen böse Folgen. „Wörter sind für das gute Zusammenleben unter den Menschen wichtig.“ Durch den Verlust ihrer Ware konnte die Händlerin die für ein gutes Zusammenleben wichtigen Wörter nicht mehr aussprechen. Und sie konnte sie nicht mehr ihren Kunden zeigen und verkaufen. Es blieb ihr nur übrig, die noch vorhandenen Wörter anzupreisen. Sie sprach mit ihren jungen Zuhörern über die Wörter der Höflichkeit, über die Angst vor Fremdwörtern, über Worte, die verletzen können und über die Schwierigkeit, mit Worten zu heilen. Mit Hilfe der Kinder gelang es der Händlerin, die gestohlenen Wörter wiederzufinden.

Das Theaterstück wurde 1999 in Frankreich unter dem Titel „La marchande de mots“ uraufgeführt. Seit 2005 ist es fester Bestandteil im Spielplan der „Nimmerland Theaterproduktion“.



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