Friedrichsdorf. In der idyllischen Weite des Gartens des Anwesens ihrer Familie steht Alice, mit ihrer Katze und ihrer Zofe. Das Blau ihres Kleids sticht aus dem allgegenwärtigen Grün hervor, so, als ob ein Stück des blauen Himmels in den Garten gekommen wäre. Während die Zofe mit steigender Verzweiflung versucht, der jungen Dame eine Lehrerin zu sein, driften Alice’s Gedanken in die Fantasie ab. Es ist diese Fantasie, die die Ereignisse der Geschichte ins Rollen bringen, die die Zuschauer auf der Freilichtbühne der Burgspielschar am Samstagabend bei der Premiere von „Alice im Wunderland“ miterleben dürfen.
Angeblich war es eine Bootsfahrt auf der Themse mit den drei Schwestern Lorina, Edith und Alice Liddle, die den britischen Schriftsteller Lewis Carroll dazu inspirierte, die Geschichte, die er den Damen währenddessen erzählte, zu einem Buch auszuarbeiten. Drei Jahre später erschuf Caroll dann eines der kulturell einflussreichsten Werke der britischen Geschichte, das von Verfilmungen, von Disney bis hin zu Videospielen, Malereien und eben auch Theaterstücken inspirierte.
Und obwohl sich Carroll selbst das wohl nie hat träumen lassen, ist es angesichts des Werkes wohl nicht überraschend, dass es diese Geschichte auch auf die Freilichtbühne der Burgspielschar aus Burgholzhausen geschafft hat.
Das idyllische Gelände des Vereins, der dieses Jahr bereits sein 75-jähriges Bestehen feiert, bietet nicht nur eine große Bühne und moderne Technik, sondern auch eine Grillhütte und Toiletten, alles Dinge, die der Verein im Verlauf seiner langen und bewegten Geschichte erbaut hat. Ilona Kunz erzählt, dass die Burgspielschar bereits direkt nach dem Zweiten Weltkrieg eine Auswärtstour nach Marburg gemacht hat, und die Strecke in Ermangelung von Autos mit einem Pferdewagen bewältigte. Sie berichtet auch, dass das Gelände damals noch nicht eingezäunt war und auch keine Toiletten hatte, so dass zum Schutz der Requisiten und des Geländes jedes Wochenende eine Zeltstadt errichtet wurde, in der die Mitglieder schlafen mussten. Heute ist das anders, was den Erfolg des Vereins widerspiegelt, der sich aus den Einnahmen der Kartenverkäufe finanziert und diese Einnahmen in die Gestaltung von Kostümen, Bühnen und den Erwerb von Drehbüchern und Musiklizenzen investiert.
Das Bühnenbild für das Stück ist selbst gebaut, die Kostüme und Masken professionell, riesige Pilze, ein Drehbarer Baum, und ein großes, handgemaltes Bild, das wie ein Triptychon aufgeklappt werden kann, um die nächste Kulisse zu offenbaren, dienen als Hintergrund für die jungen Schauspieler, die auf der Bühne ein abwechslungsreiches Programm aufführen. Ähnlich wie einem Disney Film ist auch diese Inszenierung mehr als nur Schauspiel und enthält mehrere Gesangsstücke, die vor allem dazu dienen, Charaktere, aber auch Situationen zu präsentieren.
So stellt sich etwa die weise Raupe mit einem Lied über sich selbst vor, so singen die Blumenkönigin und ihr Hofstaat für Alice, und so feiert die endlose Teegesellschaft den Nicht-Weihnachtstag, also jeden Tag, an dem nicht Weihnachten ist. Die Inszenierung ist kinderfreundlich und nahe am Original, Alice – gespielt von Malia Cimiotti – folgt ihrer Katze Dina durch ein Loch zwischen den Wurzeln eines Baumes und fällt in ein magisch – verrücktes unterirdisches Reich, wo sie viele seltsame Kreaturen trifft, die ihr mehr oder weniger erfolgreich dabei helfen, ihre Katze wieder zu finden.
Neben dem weißen Kaninchen selbst – gespielt von Joel Kavanagh – und der weisen Raupe – dargestellt von Arne Harff – trifft sie viele weitere merkwürdige Gesellen. Die weise Raupe war besonders eindrucksvoll. Nicht nur sein clever umgesetztes Kostüm, dass die vielen Arme der Raupe gekonnt inszeniert, sondern auch die Effekte – Schwärme von Seifenblasen und Wasserdampf sollen den Pfeifenrauch simulieren – sind ein absoluter Hingucker. Ebenfalls sehenswert sind die Blumenkönigin, gespielt von Isabella Gielow, und ihr Hofstaat sowie der verrückte Hutmacher und der Märzhase – gespielt von Madita Lepper und Paula Peindl – die Alice die endlose Teegesellschaft und das Nicht-Weihnachtsfest zeigen, bevor sie dann endlich im Finale am Hof der Herzkönigin – dargestellt von Anna Katharina Krieger – ihre Katze in einem Croquetspiel gewinnen muss.
Federführend für die Inszenierung war Tanja Garlt, die jetzt schon das zweite Mal im Sessel des Regisseurs sitzt. Die Freischaffende arbeitet schon seit 30 Jahren in vielen Theatern und auch als Theaterpädagogin an Schulen und ist besonders auf ihre Arbeit an Romeo und Julia in der Gärtnerei Fischer in Rodgau stolz. Für sie ist die Freilichtbühne der Burgspielschar in Burgholzhausen ein ganz besonderer Ort, und sie schätzt, dass der Verein kein Casting betreibt, sondern jeden Interessierten aufnimmt und in seiner Entwicklung fördert und unterstützt. Für diese Inszenierung haben sie und der Verein besondere Effekte zur Unterstützung der Szene der weisen Raupe konzipiert und konnten diese, trotz einer sturmbedingt ausgefallenen Generalprobe zu vollem Erfolg einsetzen.
Jan Tore Ohlsen, der maßgeblich an dem Bau des Bühnenbilds und der Organisation beteiligt war, beschreibt, dass die Vorbereitung für die Stücke von Januar bis Juni dauern und neben der Konzepterstellung, Planung, dem Proben und dem Bau der Requisiten auch allgemeines Schauspieltraining beinhaltet. Er erklärt, dass für die Schauspieler diese Vorbereitungszeit aus zwei Proben die Woche und oft auch am Wochenende, sowie natürlich den Projektphasen zum Bau der Requisiten besteht. Das ist nicht wenig Arbeit, Arbeit, die der Verein durch den mit 1,80 Euro im Monat sehr niedrigen Beitrag seiner 130 Mitglieder, aber vor allem durch die Erlöse der Karten finanziert.
Tanja Garlt hat vor, in Zukunft noch mehr Stücke zu inszenieren, und weil der Verein auch ein Erwachsenentheater macht, freuen sich die Mitglieder auf die Vorbereitungen für dieses Stück, dass dann im Winter aufgeführt wird.