Vorgänge auf der „Sultan of the Seas“ geben Rätsel auf

Lisa Stiller (Helene Jany, Mitte) ist außer sich. Ihre Mutter Julia Stiller (Charlotte Neef), Polizeipsychologe Martin Schwartz (Silvio Hildebrandt), Kapitän Daniel Bonhoeffer (André Zimmermann) und Dr. Elena Beck (Kristin Schulze, v. l.) hören, was sie zu sagen hat. Foto: jas

Bad Homburg (jas). Wahre Krimifans wissen: Wer herausfinden will, wer wen umgebracht hat und warum, der muss hellwach sein. Das galt auch für den Psychothriller, für den sich  am Freitagabend auf der Kurhausbühne der Vorhang öffnete. Das Berliner Kriminal Theater zeigte unter der Regie von Wolfgang Rumpf den Bestseller „Passagier 23“ des bekannten deutschen Thrillerautoren Sebastian Fitzek. Und da war volle Konzentration gefragt, denn die Situation war unübersichtlich, zuweilen mysteriös, verwirrend und unheimlich. Handlungsstränge bauten sich auf, liefen dann aber in eine ungeahnte Richtung. Personen erschienen, andere verschwanden oder wurden hinterrücks umgebracht. Das, was auf der Bühne geschah, war keine leichte Kost.
Grundlage für Fitzeks Thriller aus dem Jahr 2018 ist ein statistisches Ergebnis: Jedes Jahr sind es weltweit 23 Menschen, die während einer Reise mit einem Kreuzfahrtschiff verschwinden. 23, bei denen man nie erfährt, was passiert ist. Noch nie ist jemand zurückgekommen. In Fitzeks Krimi ist das anders: Anouk Lamar (Kira Lina Klemm), ein Mädchen, das vor einem halben Jahr mit seiner Mutter Naomi Lamar (Susanne Meyer) verschwand, taucht plötzlich wieder auf. Verängstigt, scheu, sprachlos findet man sie auf dem Kreuzfahrtschiff „Sultan of the Seas“, das auf dem Weg von Southampton nach New York ist. In ihrem Arm hält Anouk einen Teddybär. Und es ist nicht ihr eigener. Es ist ein Kuscheltier, das der Polizeipsychologe Martin Schwartz nur zu gut kennt – der Teddy seines verschwundenen Sohnes. Gemeinsam mit seiner Mutter, Martin Schwartz’ Frau, verschwand auch Timmy vor fünf Jahren von der „Sultan of the Seas“. Ein Fall der nie aufgeklärt werden konnte.
Die Zuschauer im Kurhaus erleben mit, wie der Polizeipsychologe, der nach diesem traumatischen Ereignis nie wieder ein Schiff betreten und nie wieder seine zerstörte Seele den Qualen der Erinnerung aussetzen wollte, auf das Kreuzfahrtschiff gerufen wird, um Anouks Wiederauftauchen aufzuklären. Das Schiff legt ab, begibt sich auf den Weg über den Atlantik. An Bord: 3000 Passagiere, ein traumatisiertes Mädchen, der verstörte Polizeipsychologe, Kapitän Daniel Bonhoeffer (André Zimmermann), seine Geliebte Julia Stiller mit Tochter Lisa (Charlotte Neef und Helene Jany), die alternde Ermittlerin Gerlinde Dobkowitz (Vera Müller), Schiffsärztin Dr. Elena Beck (Kristin Schulze), der Reeder Yegor Kalini (Alejandro Ramón Alonso) sowie ein Mörder auf der Jagd.
Fest steht – die mysteriösen Vorgänge an Bord müssen schnellstens aufgeklärt werden, denn sie stellen die Reederei vor ein großes Problem. Wie viel des Urlaubs auf hoher See ist beabsichtigter Selbstmord, und wie viel muss unter den Tisch gekehrt werden, um den Reichen dieser Welt diesen Luxus weiterhin unbeschwert zu gönnen? Tote während einer Kreuzfahrt sind geschäftsschädigend. Martin Schwartz muss in einem Fall ermitteln, der ihm persönlich näher geht als ihm lieb ist.
Und er stößt dabei auf so manche Abgründe. Inwieweit ist der Kapitän beteiligt, der so unbeteiligt tut? Wie sieht es mit dem Reeder aus, der seine Augen hinter schwarzen Brillengläsern versteckt? Warum wird der Offizier erschossen, und welche Rolle spielt die mysteriöse Shala (Michael Fersch)?
Die Zuschauer im Kurhaus verfolgen gebannt und konzentriert, was sich vor dem riesigen Bullauge (Bühnenbild Sven Seemann), das auch als Projektionsfläche dient, abspielt. Sie versuchen zu verstehen. Und werden immer weiter hineingezogen in den Strudel aus Lügen, Racheplänen, Geständnissen und Verstrickungen. In eine Geschichte, die den Missbrauch von Kindern in den Mittelpunkt rückt.
Das Ensemble aus Berlin wurde am Ende mit etwas verhaltenem Applaus bedacht. Wobei die schauspielerische Leistung der Darsteller durchweg gut war. Vielleicht musste das Gesehene bei den Theaterbesuchern einfach erst einmal sacken.



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