„Ich ziehe den Hut vor diesen Gonzenheimern“

Von der Freiheit der Bürger in einer Demokratie ist mehrfach die Rede beim Jubiläumsfest zum 25-jährigen Bestehen der „Bürger für Gonzenheim“– unter der Freiheitslinde im Garten des „Homburger Hofs“ am Gunzoplatz wird auf ehrenamtliches Engagement angestoßen (v. l.): Dr. Alexander Rastädter, Yvonne Velten, Stefan Schenkelberg, Dr. Alfred Etzrodt, Dr. Jörg

Schmalfeld und Alexander Hetjes. Foto: a.ber

Bad Homburg (a.ber). Protestbriefe wegen des drohenden Verkaufs der Ortskirche Heilig Kreuz an den katholischen Bischof schreiben? Unermüdlich die Neugestaltung des abgrundtief hässlichen Gunzoplatzes in der Ortsmitte anmahnen? Die Verwaltungen von Stadt, Kreis und Land wegen einer behördlich verweigerten Ruhebank für Spaziergänger auf dem Bornberg aufscheuchen? Unbequeme Fragen zum geplanten U-Bahn-Bau stellen? Der Verein „Bürger für Gonzenheim“ tat und tut all dies. Und feierte fröhlich sein 25-jähriges Bestehen mit einem Fest im „Homburger Hof“.

Die Stimmung war, wie es sich für basisdemokratisches Engagement gehört, humorvoll-heiter bis rebellisch. Oberbürgermeister Alexander Hetjes, auch unter den Festgästen, bezeichnete den Verein, der sich seit dem Jahr 1999 konstruktiv und kritisch für den südlichen Stadtteil Bad Homburgs einsetzt, als „APO – eine außerparlamentarische Opposition“ und gestand ein: „Man muss sich mit ihnen auseinandersetzen, wenn man etwas im Stadtteil erreichen will.“

Der Verein, dem heute mehr als 120 Mitglieder – Gonzenheimer Ureinwohner, Eingeplackte und solche einfach mit Herz für den Stadtteil – angehören, hat nach wie vor Einfluss und erarbeitet sich immer wieder Respekt. Davon zeugten allein schon die Ehrengäste, die der Vorsitzende, Dr. Alexander Rastädter, gemeinsam mit Co-Organisator Dr. Jörg Schmalfeld zum Jubiläum mit leckerem Festessen eingeladen hatten: Bad Homburgs Stadtverordnetenvorsteher Dr. Alfred Etzrodt, Oberbürgermeister Hetjes, der Kreisbeigeordnete Stefan Schenkelberg, Ober-Eschbachs Ortsvorsteherin Yvonne Velten. Alle würdigten das ehrenamtliche Engagement der Gonzenheimer mit Worten und zum Teil erheblichen Spenden-Schecks für die weitere Vereinsarbeit.

„Ich würde mir wünschen, dass sich noch viel mehr Menschen im Hochtaunuskreis mit Herzblut und Interesse für ihr direktes Umfeld interessieren würden. Die Bürger für Gonzenheim leisten Großartiges, ohne sie würde der Stadtteil anders aussehen“, sagte Schenkelberg. Yvonne Velten, die in ihrer Funktion als Vertreterin der Taunus Sparkasse auch eine Spende überreichte, lobte: „Ich ziehe den Hut vor diesen Gonzenheimern, die sich abseits von politischen Ehren einsetzen!“

Dass die „Bürger für Gonzenheim“ sich ihre demokratischen Rechte der freien, mutigen Rede und Kritik an politischen Entwicklungen, die Auswirkungen auf ihren Stadtteil haben, nicht nehmen lassen, davon zeugte schon die Moderation von Vereinsmitglied Jörg Schmalfeld vor der hochgeschätzten Freiheitslinde im Wirtsgarten des „Homburger Hofes“. Bei einem Jubiläumsfest duelliert man sich bekanntermaßen nicht – doch der geplante U-Bahn-Ausbau kam als Steilvorlage sogleich, aber abgebügelt von OB Hetjes mit den beruhigenden Worten „Ich will auch nicht mehr über die U-Bahn sprechen“ und den Hinweis, den „Bürgern für Gonzenheim“ bliebe ja auf jeden Fall das Spielfeld der Kultur. Das Stadtoberhaupt überreichte einen von der Bad Homburger Spielbank gesponserten Sonderzuschuss von 2500 Euro.

Auch die späte Gründung eines in der Stadtpolitik parlamentarisch verankerten Ortsbeirats für Gonzenheim im Jahr 2016 konnte der „außerparlamentarischen Bewegung“ nicht den Wind aus den Segeln nehmen: „Es war kein Todesstoß für unseren Verein, im Gegenteil, viele unserer Mitglieder sitzen heute außerdem im Ortsbeirat, beteiligen sich kons-truktiv an Diskussionen. Diese Zusammenarbeit ist für Bad Homburg einzigartig“, betonte Vorsitzender Rastädter in seiner Festrede. Er erinnerte an den Initiator Adolf Foeller, der gemeinsam mit neun anderen Gründungsmitgliedern den Verein am 6. Juli 1999 ins Vereinsregister hatte eintragen lassen. Damals aus der Motivation heraus, an den seit Ende der 1990er-Jahre laufenden Planungen und Umbrüchen im Ortskern und den Verkehrsführungen durch Gonzenheim endlich teilzuhaben. „Und bis heute ist das aktive Mitgestalten die Seele unseres Vereins“, so Rastädter.

Die „Bürger für Gonzenheim“ sind dabei eines geblieben: ein Bindeglied zwischen den Vereinen des Stadtteils und eine Gesprächs- und Vernetzungsplattform für alle Einwohner. Der Verein gestaltet jährlich Festlichkeiten und Feiern wie das Osterfeuer auf dem Bornberg mit der Feuerwehr Gonzenheim, den Adventsbasar am 2. Advent auf dem Gunzoplatz und beteiligt sich mit einem selbstgestalteten Motto-Wagen am Laternenfestumzug. Die Mitglieder sind aktiv an Veranstaltungen der Gonzenheimer Vereine mitbeteiligt, halten Kontakt zu Marienbadern in der Partnerstadt. Auf einem Bildschirm im Wirtsgarten waren Ereignisse der vergangenen 25 Jahre zu sehen. Diese aktive Gonzenheimer Bürgerschaft hat natürlich auch Zukunftswünsche und -forderungen an ihre Stadt: Der Gunzoplatz – „die farbliche Gestaltung und der kaputte Brunnen sind wirklich ein Ärgernis, die Stadt ignoriert uns, dabei haben wir selbst schon eine große Summe zur Neugestaltung gesammelt!“, monierte Dr. Alexander Rastädter – und die Wiederbelebung des Gonzenheimer Wochenendes mit Kerbeburschen und Kerbebaum stehen ganz oben auf der Liste.

„Wir wünschen uns eine konstruktive Diskussionskultur“, so der Vereinsvorstand. Dass die Politik den Bürgern am Ort viel zutrauen kann, zeigt der nunmehr beschlossene Erhalt der katholischen Heilig-Kreuz-Kirche als Gottesdienstort: der Protest, an dem sich die „Bürger für Gonzenheim“ maßgeblich beteiligten, trug Früchte; die Kirchen-Oberen respektierten hier den berechtigten Protest „von unten“. Florentina Scholz, Vorsitzende des „Fördervereins Heilig Kreuz“, dankte in einer bewegenden kurzen Rede und mit Geschenken den „Bürgern für Gonzenheim“ für ihre effektive Schützenhilfe. Man sollte in einer Demokratie durchaus die Kirche im Dorf lassen und auch auf die direkt betroffenen Einwohner hören – da könnte die Bad Homburger Stadtpolitik ihren Lippenbekenntnissen wohl endlich auch Taten folgen lassen.



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