Von Mühlen, Hexen und der alten Dorflinde

Am Quirin-Verkehrsknoten in Gonzenheim spricht Heimatforscher Heinz Humpert (r.) beim historischen Ortsrundgang über die alte Dorflinde und die dort im Jahr 1618 stehende Gonzenheimer Schäferei. Foto: a.ber

Bad Homburg (a.ber). Wenn der Geschichtliche Arbeitskreis Gonzenheim zum jährlichen historischen Ortsrundgang einlädt, erfährt der Teilnehmer interessante Details der Stadtteil-Geschichte: die Brendel’sche Mühle „Waldlust“ und ein „Hexenhaus“ auf dem Gelände des ehemaligen Kartäuser-Guts mit der Geschichte zweier als Hexen verleumdeter Frauen nahm der Vorsitzende des Vereins, Heinz Humpert, diesmal unter die Lupe. Vor dem Heimatmuseum im Kitzenhof hatten sich 40 Teilnehmer versammelt – Mitglieder des Geschichtlichen Arbeitskreises, aber auch andere Gonzenheimer und Neuzugezogene.

Während des einstündigen Rundgangs, zu dem viele angesichts strahlenden Sonnenscheins mit Sonnenhut gekommen waren, rückten die Gastwirtschaft „Zwiwwel“ und weitere Gonzenheimer Gastwirtschaften, das Schäfereihaus und die ehemalige Dorfbrücke ins Bewusstsein, ebenso wie frühere Einwohner des Ortes mit ihren Eigenarten und überlieferten Anekdoten. Nimmt man die am Rande des historischen Ortsrundgangs geführten Gespräche und Erinnerungen über Menschen, Stätten und Begebenheiten hinzu, dann konnte man an diesem Nachmittag spüren: Die Straßen des Ortes, mit wachem Herzen erwandert und wahrgenommen, werden dann zur Heimat, wenn man in ihnen Vergangenheit, Gegenwart und mögliche Entwicklung sieht. Unterstützt durch Archiv-Fotos von ehemaligen Gebäuden, die heute nicht mehr oder verändert stehen, erzählte GAG-Vorsitzender Heinz Humpert. Zum Beispiel vor dem Haus Alt Gonzenheim 12 von der im Jahr 1574 dort schon bezeugten Brendel’schen Mühle. Er zeigte den ehemaligen Verlauf des Mühlgrabens und den Standort des Mühlrads – der Bach, der das Rad bis Ende des 19. Jahrhunderts antrieb, trat wenige Tage nach dem Ortsrundgang, freilich heute in etwas anders verlaufendem Bachbett, bei dem Unwetter eindrucksvoll in Ober-Eschbach über die Ufer.

Man steht in der Sonne, die bekanntlich über Gute und Böse scheint, und hört von Gräueltaten der Hexenverfolgung in Gonzenheim: Eines der drei „Hexenhäuser“ stand an der Frankfurter Landstraße 91 auf dem Gelände des ehemaligen Kartäuser Guts. Die Hausbesitzers-Töchter Susanna und Anna wurden im Jahr 1652 und 1654 nach einem durch Folter erpressten „Geständnis“ in Anwesenheit von Schöffen und Pfarrer gezwungen, ihren Letzen Willen niederzuschreiben und anschließend durchs Schwert hingerichtet. „Sie gestanden, Kinder ermordet, Kühe umgebracht und Ochsen verzaubert zu haben“, zitierte Heimatforscher Humpert aus überlieferten Gerichtsakten. Etliche Nachkommen der Anna seien heute noch bekannt: so aus den Familien Wächtershäuser, Maus, Pauly, Braunberger und Wagner. Aus dem Gedächtnis des Heimatorts kramten Teilnehmer aber auch Heiteres und Kurioses hervor: Rolf Wagner zeigte am Ort des früheren Gasthauses „Frankfurter Hof“ die Stelle, „wo unser Lehrer Klimpel auf dem Weg zur KFS immer mit dem Auto gehalten und Zigaretten am Automaten gezogen hat“; das Ehepaar Starke erinnerte sich an die von Humpert erwähnte befahrbare „Gemeinde-Waage“ vor ihrem Hof Burk-Epp, wo bis Anfang der 1970er-Jahre Landwirte mit ihren Anhängern die Ernte wiegen ließen – sie wurde 1975 beim Ausbau der Quirinstraße abgebaut.

Für Frieden und Gerechtigkeit

Am ehemaligen Standort des Schäferei-Hauses von 1618 stand früher die alte Dorflinde, 1982 durch eine Neupflanzung von den Landfrauen ersetzt: Hier, an der Frankfurter Landstraße/Ecke Quirinstraße, wurden ehedem Urteile gesprochen, die Linde war Symbol für Frieden und Gerechtigkeit und diente als Tanzlinde der Gemeinschaft. Vor dem heutigen Gasthaus „Homburger Hof“ regten sich viele der Teilnehmer des Rundgangs über die Hässlichkeit des derzeit vernachlässigten Gunzoplatzes auf: „Die Stadtpolitiker geben Geld für ein Tennisturnier aus, aber nichts für die Neugestaltung unseres wichtigen Ortsplatzes.“ „Die laufen stattdessen mit dem Klingelbeutel rum für den U-Bahn-Ausbau und ein neues Kurhaus“, wurde kritisiert. Über der Theke des einmal abgebrannten „Homburger Hofes“ habe früher der Spruch „Und neues Leben blüht aus den Ruinen“ gestanden, erwähnte Heinz Humpert zur Geschichte des heute noch für Gonzenheim bedeutenden Gasthofs. Beim abschließenden Kaffeetrinken im Vereinshaus wurde viel geredet über Hoffnungen und Weiterentwicklung des Heimatorts Gonzenheim.

Die nächste Veranstaltung des Geschichtlichen Arbeitskreises Gonzenheim ist der „Frankentag“ am 16. Juni von 11 bis 18 Uhr im Vereinshaus am Kitzenhof 4 in Gonzenheim: Die Mittelalter-Gruppe „Ex Corde Naturae“ tritt auf, und die „Frankentaufe“ mit Namensgebung des in der Museums-Gruft liegenden Franken durch Schüler der Friedrich-Ebert-Schule steht an. Die Teilnahme ist kostenlos.

Weitere Artikelbilder



X