Ist das Aufstellen von Automaten die Lรถsung einer fehlenden Nahversorgung?

Erstellt von Leser-Reporter: Michael Rehwald
Symbolbild: ยฉ FW-BHg

๐—ช๐—ถ๐—ฟ ๐—ณ๐—ฟ๐—ฎ๐—ด๐—ฒ๐—ป ๐—ป๐—ฎ๐—ฐ๐—ต ๐˜‚๐—ป๐—ฑ ๐—ธ๐—นä๐—ฟ๐—ฒ๐—ป ๐—ฎ๐˜‚๐—ณ: Ist das Aufstellen von Automaten die Lösung, wenn in einem Ort die Nahversorgung komplett wegbricht? So liest sich der Artikel „Post setzt immer mehr Automaten ein“ der Taunuszeitung vom 17.06.2024. 

๐—ช๐—ฎ๐˜€ ๐˜€๐˜๐—ฒ๐—ฐ๐—ธ๐˜ ๐—ฒ๐—ถ๐—ด๐—ฒ๐—ป๐˜๐—น๐—ถ๐—ฐ๐—ต ๐—ต๐—ถ๐—ป๐˜๐—ฒ๐—ฟ ๐—ฑ๐—ถ๐—ฒ๐˜€๐—ฒ๐—ฟ ๐—”๐˜‚๐˜๐—ผ๐—บ๐—ฎ๐˜๐—ถ๐˜€๐—ถ๐—ฒ๐—ฟ๐˜‚๐—ป๐—ด?

Am 13.06.2024 hat der Bundestag die Gesetzesnovelle im Plenum angenommen, im Juli wird das Gesetz zur Modernisierung des Postrechts dann im Bundesrat beschlossen. Ohne, dass der Bürger bisher wirklich mitbekommen hat, was es mit dieser Modernisierung auf sich hat. 

Die angeblich wichtigste Veränderung sei der veränderte Pflichtwert, wonach erst am dritten Werktag nach Einwurf 95 Prozent der Briefe zugestellt sein müssen. Dadurch können erhebliche Kosten gesenkt werden, da die Inlandsflüge zur Briefbeförderung gestrichen werden. Für den Verbraucher zwar eine etwas längere Wartezeit, für die Menschheit jedoch ein großer Beitrag zum Klimaschutz. Da sich die Kommunikation in den letzten Jahren sowieso vom Brief zur Mail wegbewegt hat, sei diese Änderung nur zeitgemäß. Und wer doch einen eiligen Brief hat, kann immer noch einen Prio-Brief aufgeben, der ist schneller, aber für den Verbraucher auch teurer im Porto. Die Modernisierung des Postgesetzes scheint also auf den ersten Blick für uns alle nur wenig Einbuße zu bedeuten, und nebenbei wird die Umwelt geschont.

Klingt akzeptabel, wäre da nicht Artikel 1, Kapitel 2, Paragraf 17, Absatz 2 des Postrechtsmodernisierungsgesetzes, wonach die Bundesnetzagentur im Benehmen mit der jeweilig betroffenen Gebietskörperschaft automatisierte Stationen anstelle von 

Universaldienstfilialen zulassen kann. Ein kurzer, komplizierter Satz versteckt in einem 184-seitigen Gesetzentwurf, mit solch folgenschwerer Auswirkung!

๐—˜๐—ฟ๐—ธ๐—นä๐—ฟ๐—ฒ๐—ป ๐˜„๐—ถ๐—ฟ ๐—บ๐—ฎ๐—น ๐—ถ๐—ป ๐—ฒ๐—ถ๐—ป๐—ณ๐—ฎ๐—ฐ๐—ต๐—ฒ๐—ฟ ๐—™๐—ผ๐—ฟ๐—บ, ๐˜„๐—ฎ๐˜€ ๐—ฑ๐—ถ๐—ฒ๐˜€๐—ฒ๐—ฟ ๐—ฆ๐—ฎ๐˜๐˜‡ ๐—ณü๐—ฟ ๐—ท๐—ฒ๐—ฑ๐—ฒ๐—ป ๐—•ü๐—ฟ๐—ด๐—ฒ๐—ฟ ๐—ถ๐—ป ๐——๐—ฒ๐˜‚๐˜๐˜€๐—ฐ๐—ต๐—น๐—ฎ๐—ป๐—ฑ ๐—ฏ๐—ฒ๐—ฑ๐—ฒ๐˜‚๐˜๐—ฒ๐—ป ๐˜„๐—ถ๐—ฟ๐—ฑ:

Bei der Privatisierung der Bundespost in den 90er Jahren musste sich die Post verpflichten, mindestens 12.000 Filialen zu betreiben, damit die Bürger auch nach der Privatisierung zuverlässig Briefe verschicken konnten. Das bedeutet, dass die Post in jedem Ort mit mehr als 2.000 Einwohnern eine Filiale betreiben muss, und in Ortschaften mit mehr als 4.000 Einwohnern eine Filiale in zusammenhängenden Wohngebieten maximal zwei Kilometer entfernt sein darf. Durch diese Vorgabe hatte der Staat gesichert, dass jeder Zugang zu einer wohnortnahen Grundversorgung an Postdienstleistungen hatte.

Durch das bundesweite Postrechtsmodernisierungsgesetz wird diese Sicherheit aufgeweicht. 

Die Bundesnetzagentur kann, im Benehmen der jeweiligen Gebietskörperschaft, der Post erlauben, keine Filiale zu führen, sondern diese durch automatisierte Stationen zu ersetzen. 

In der weiterhin gültigen Infrastrukturvorgabe von mindestens 12.000 Filialen werden jetzt Automaten der menschenbetriebenen Filiale gleichgesetzt. Zwar muss dies im Benehmen mit der Gebietskörperschaft erfolgen, „Benehmen“ bedeutet aber nur, dass die Kommune ihre Sichtweise darlegen kann, aber letztendlich keine Einspruchsmöglichkeit hat. 

๐—ช๐—ฒ๐—น๐—ฐ๐—ต๐—ฒ ๐—ž๐—ผ๐—ป๐˜€๐—ฒ๐—พ๐˜‚๐—ฒ๐—ป๐˜‡ ๐—ต๐—ฎ๐˜ ๐—ฑ๐—ถ๐—ฒ๐˜€๐—ฒ ๐—ธ๐—น๐—ฒ๐—ถ๐—ป๐—ฒ, ๐˜‚๐—ป๐˜€๐—ฐ๐—ต๐—ฒ๐—ถ๐—ป๐—ฏ๐—ฎ๐—ฟ๐—ฒ Ä๐—ป๐—ฑ๐—ฒ๐—ฟ๐˜‚๐—ป๐—ด ๐—ณü๐—ฟ ๐—ฑ๐—ฒ๐—ป ๐—•ü๐—ฟ๐—ด๐—ฒ๐—ฟ?

Wenn man der Post bzw. der Bundesregierung glaubt, ist das Ablösen der Postfilialen durch 

automatisierte Stationen ein absoluter Mehrgewinn, immerhin stehen diese Automaten rund um die Uhr zur Verfügung. Keine Öffnungszeiten, an die man sich halten muss, dadurch kaum Wartezeiten. 

๐—ช๐—ถ๐—ฟ ๐˜ƒ๐—ผ๐—ป ๐—ฑ๐—ฒ๐—ป ๐—™๐—ฅ๐—˜๐—œ๐—˜๐—ก ๐—ชÄ๐—›๐—Ÿ๐—˜๐—ฅ๐—ก ๐—ณ๐—ฟ๐—ฎ๐—ด๐—ฒ๐—ป ๐—ฎ๐—ฏ๐—ฒ๐—ฟ:

• Sehen das die Menschen auch so, die uns bisher während der Öffnungszeiten in 

einer Postfiliale bedient haben?

• Wer berät uns an einer Station, wenn wir uns bzgl. des Versands unsicher sind?

• Wer hilft den Senioren und ausländischen Mitbürgern, wenn sie Probleme haben?

• Wer greift ein, wenn beim Versand ein Betrugsfall vorliegt?

๐—ช๐—ถ๐—ฟ ๐—ณ๐—ฟ๐—ฎ๐—ด๐—ฒ๐—ป ๐—ด๐—ฎ๐—ป๐˜‡ ๐—ฑ๐—ฒ๐˜‚๐˜๐—น๐—ถ๐—ฐ๐—ต: Handelt es sich bei der Automatisierung um Bürgerwille, oder um eine reine Kosteneinsparung, ergo Gewinnmaximierung bei der Post AG, deren Hauptanteilseigner immer noch die Bundesregierung ist?

Es gibt da allerdings noch ein weiteres Problem. Laut Taunuszeitung vom 17.06.2024 waren im Februar 2024 125 Pflichtstandorte gar nicht besetzt. Dass die Post ihrer „Anwesenheitspflicht“ nicht nachkommen kann, wird mit dem derzeitigen Strukturwandel erklärt. Wo kein Einzelhändler mehr vor Ort ist, könne die Post auch keine Postfiliale betreiben. Denn eine Voraussetzung für den Betrieb einer Postfiliale ist es, dass diese in einen bestehenden Geschäftsbetrieb integriert wird. Selbst wenn die Post also wollte, könnte sie gar keine weiteren Postfilialen betreiben, da auf den Dörfern meist keine Einzelhändler mehr vorhanden sind. Durch das Aufstellen der Automaten sei so aber wenigstens die Infrastrukturvorgabe erfüllt. 

Unter dem Aspekt ist es wahrscheinlich auch egal, ob, wie vom Bundesrat gefordert, das Wort „Benehmen“ der Gebietskörperschaft durch „Einvernehmen“ der Gebietskörperschaft 

im Gesetzesentwurf ersetzt wird, denn bei einer fehlenden #nahversorgung wird eine Gemeinde gar keinen Einspruch erheben können.

Der Schwarze Peter wird also an die Kommune weitergereicht. Wären in den Stadtteilen Läden, in denen man einen Postbetrieb anbieten könnte, müsste man keine Automaten aufstellen. 

๐—ช๐—ถ๐—ฟ ๐˜€๐˜๐—ฒ๐—น๐—น๐—ฒ๐—ป ๐—ฎ๐—น๐˜€๐—ผ ๐—ฒ๐—ฟ๐—ป๐—ฒ๐˜‚๐˜ ๐—ฑ๐—ถ๐—ฒ ๐—™๐—ฟ๐—ฎ๐—ด๐—ฒ: Ist das Aufstellen von Automaten die Lösung, wenn in einem Ort die Nahversorgung komplett wegbricht? Oder sollte man vielmehr seine städtischen Randgebiete wieder attraktiver gestalten, dass auch dort die Grundversorgung gewährleistet ist und die Post AG gar keine Notwendigkeit sieht, Automaten aufstellen zu müssen.



X