Unterdrückung durch eine gelenkte Theologie

Es kommt alles auf die Auslegung der Heiligen Schriften an: Khola Maryam Hübsch, Journalistin und Mitglied der islamischen Ahmadiyya-Gemeinde, die Kuratorin am Jüdischen Museum Frankfurt, Sara Soussan, und die evangelische Privatdozentin der Universität Leipzig, Dr. Gisa Bauer (v. l.) diskutieren über die Rolle der Frau in den Religionen. Foto: a.ber

Hochtaunus (a.ber). Die Vermischung von Politik und Religion, religiöse Gesetzlichkeiten, patriarchale Strukturen: All dies kann verhindern, dass Frauen in den Religionen eine freiheitlich erlebte Rolle einnehmen können. Der „Dialogkreis Religionen“, der für den interreligiösen Dialog der islamischen, jüdischen und christlichen Gemeinden im Hochtaunuskreis steht, hatte zur Podiumsdiskussion in die Bad Homburger Stadtbibliothek eingeladen. Es sollte um die Rolle der Frau in den Religionen gehen. Doch schon kurz nach Beginn der Diskussion – die von Dr. Gisa Bauer, evangelische Privatdozentin an der theologischen Fakultät der Universität Leipzig, Khola Maryam Hübsch, Journalistin und Bloggerin und der islamischen Ahmadiyya-Gemeinde zugehörig, und Sara Soussan, Kuratorin für jüdische Kultur der Gegenwart am Jüdischen Museum Frankfurt, geführt wurde – war klar, dass es zuallererst bei diesem Thema um die Auslegung der Heiligen Schriften der jeweiligen Glaubensrichtungen ging.

Was sagt der Koran, was die Thora, und was das Neue Testament zur Rolle der Frau in der Religion? Die evangelische Vertreterin Gisa Bauer meinte, Jesus „war frauenfreundlich oder zumindest ambivalent zu diesem Thema“. In den Schriften des Neuen Testaments seien Frauen aber sukzessive an den Rand gedrängt worden. Später hätten sie in der Kirche eine immer geringere Rolle gespielt. Bauer machte auf das heute stattfindende Aufbegehren der Frauen in den katholischen Gemeinden Deutschlands aufmerksam und darauf, wie unterschiedlich Frauen in der katholischen und evangelischen Kirche angesehen würden. „Es gibt da eine große Spaltung zwischen protestantischen Kirchen auf der einen Seite und anglikanischen, katholischen und orthodoxen Kirchen auf der anderen Seite.“ Die Rolle der Frau sei immer auch vernetzt mit kulturellen Begebenheiten, sei zum Beispiel in christlichen Gemeinden Afrikas deutlich anders als in europäischen Gemeinden.

Auch im Judentum gebe es, so Sara Soussan, viele unterschiedliche Richtungen: liberale, reformerische, orthodoxe und ultraorthodoxe Gläubige sähen die Rolle der Frau als eine „sehr starke Rolle, gerade auch in der Familie“ an. Und doch wurde in den Statements von Sara Soussan, die selbst modern-orthodox ist, deutlich, dass die in der Thora festgeschriebenen Gebote Männern und Frauen sehr unterschiedliche Positionen zuschreiben. Auch die von liberalen Gemeinden gewählten Rabbinerinnen „werden nicht allgemein akzeptiert“, sagte Soussan.

„Es gibt großartige Frauenfiguren im Islam“, sagte die Ahmadiyya-Vertreterin Khola Maryam Hübsch. Mit Gründung des Islam hätten „Frauen fundamentale Grundrechte bekommen, die im Koran verankert sind“, so Hübsch. „Doch warum haben wir in der islamischen Welt heute solche Rückschritte?“, fragte sie und wies auf die Vermischung von Politik und Religion zum Beispiel in Saudi-Arabien hin. „Einflüsse patriarchalischer Kultur und eine gelenkte Theologie führen zu Unterdrückung“, kritisierte Hübsch und sagte, sie halte es für notwendig, sich zurückzubesinnen auf den Koran: „Er muss in seinem historischen Kontext ausgelegt werden.“ Dass die Ahmadiyya-Bewegung des Islam „wertkonservativ“ sei und auch patriarchalisch geprägt, kam in den Statements der jungen Journalistin zum Ausdruck: „Manche alten Strukturen halten sich hartnäckig.“

Das Thema „Rolle der Frau in den Religionen“ war ein wenig zu weit gefasst, und der Moderatorin Susanne Schierwater gelang es streckenweise nicht, Stringenz in die vielen unterschiedlichen Ansätze der drei Glaubensrichtungen mit ihren jeweiligen Ausprägungen zu bringen. Die Diskussion verlor sich mehr oder weniger in einzelnen Statements, in denen eher Wünsche zu einer Geschlechter-Gerechtigkeit in den Religionen zum Ausdruck kamen. Konkrete Beispiele und Fakten kamen zu kurz, auch auf wenige kritische Nachfragen kamen die Diskussionsteilnehmerinnen nicht wirklich aus der Deckung, und so blieb der Zuhörer etwas ratlos zurück, als Moderatorin Susanne Schierwater am Ende meinte, man müsse doch mehr miteinander reden.



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