Trost, Nähe und Hilfe in Krisensituationen

Hochtaunus (fch). Es gibt Situationen im Leben, da scheint die Welt stillzustehen. Dies ist meist der Fall, wenn Menschen unvorbereitet durch plötzlich eintretende Not- und Unglücksfälle aus der Normalität ihres Lebens herausgerissen werden. Etwa wenn Polizisten einer Familie nach einem schweren Verkehrsunfall die Nachricht vom Tod eines Angehörigen überbringen, Menschen über den Suizid oder Suizidversuch eines ihnen Nahestehenden informieren oder Eltern das plötzliche Versterben ihres Kindes mitteilen müssen.

Nach einem Unglück oder einer solchen Nachricht stehen viele, ob als Angehörige, Zeugen oder Retter, oft unter Schock und benötigen Beistand. Allen, die sich in einer akuten psychischen Notlage befinden und mit einem schweren Schicksalsschlag zurechtkommen müssen, steht das ehrenamtliche Team der im Januar 1996 gegründeten Psychosozialen Notfallversorgung (PSNV) des Roten Kreuzes (DRK) im Hochtaunus mit Sitz in Bad Homburg zur Seite.

Die 21 speziell ausgebildeten Helfer betreuen Personen in akuten Krisen, unterstützen Einsatzkräfte von Feuerwehren oder Rettungsdiensten. „Die Maßnahmen der PSNV zielen auf die Bewältigung dieser kritischen Lebensereignisse und der damit einhergehenden Belastungen für Betroffene – Angehörige, Hinterbliebene, Vermissende, Unfallzeugen von Notfällen – einerseits und für Einsatzkräfte andererseits ab“, sagen Martina Reißmann und Heike Knorr. „Wir sind keine Therapeuten oder ständigen Betreuer. Wir bieten den Betroffenen ‚Erste Hilfe für die Seele‘, keine umfangreiche psychologische Behandlung. Wir hören zu, spenden Trost, vermitteln Nähe, stehen bei. Informieren Familie, Freunde und Bekannte, helfen bei der Klärung von Fragen. In der Regel sind wir zwei bis drei Stunden bei den Betroffenen, selten kürzer, in Ausnahmefällen auch bis zu acht Stunden. Kein Einsatz ist wie der andere, es gibt keine Routine. Jede Situation, jeder Betroffene ist anders“, sagen die PSNV-Teammitglieder.

Todesnachricht überbringen

Sie begleiten Angehörige auch zum Unfallort oder zum Beerdigungsinstitut. Sie informieren bei Bedarf über Adressen von Fachkräften und Selbsthilfegruppen für eine langfristige Betreuung. „Es gibt auch Fälle, da kommt man im Laufe von vielen Jahren mehrmals in einen Haushalt, um eine Todesnachricht zu überbringen.“ Die PSNV-Helfer wurden in einer psychosozialen Grundausbildung zu Kriseninterventionshelfern sowie in Hospitations- und Praktikumsphasen qualifiziert und fundiert auf ihre Einsätze vorbereitet. Das sind an 365 Tagen im Jahr rund um die Uhr bis zu 140 und mehr Notfalleinsätze. Die stets im Duo arbeitenden Helfer wissen nie, wenn sie über ihre Funkmeldeempfänger von der Leitzentrale alarmiert werden und das jeweilige Stichwort Unfall, Reanimation, Suizid, Suizidversuch, plötzlicher Tod eines Angehörigen, Zeugen- oder Einsatzkräftebetreuung kommt, was sie erwartet. Die Zusammenarbeit mit Polizei, Rettungsdiensten und Feuerwehr sei im Hochtaunuskreis sehr gut.

Distanz ist hilfreich

„In rund 50 Prozent der Fälle betreuen wir einen Partner nach dem Tod des anderen. Bei 25 Prozent der Einsätze handelt es sich um die Betreuung Angehöriger nach Suizid oder Suizidversuchen, und in zwei Prozent der Fälle müssen wir Todesnachrichten überbringen. Wir sind selbst Mütter, die große Angst davor haben, einer anderen Mutter oder Eltern die Nachricht vom Tod ihres Kindes zu überbringen.“ Sind Kinder involviert, dann sind die Einsätze für das Team generell immer sehr belastend. Bei Bekannten lehnen die Helfer die Einsätze meist ab. „Distanz ist hilfreich. Man kann alle Aufgaben besser bewältigen und Hilfen koordinieren.“

Das Abschiednehmen sei ein wichtiger Baustein in der Trauerbewältigung. Kindern könne das Anfassen von Toten bei der Realisier-ung und Trauerbewältigung helfen. „Wir helfen nicht nur den Menschen in Krisensituationen, sondern die Einsätze prägen auch uns. Unsere Arbeit gibt uns viel, wir lernen viel. Wir gehen mit Sterben und Tod anders um als zuvor, der Tod hat seinen Schrecken verloren.“ Wichtig sei für die Teammitglieder ein eigener, starker Familienverband und viel Verständnis. Einmal im Monat werden die Einsätze im Team besprochen, jeden zweiten Monat finden Einzel- oder Gruppen-Supervisionen statt. Die Menschen seien zu 99 Prozent dankbar für die erste menschliche Hilfe bei einem Schicksalsschlag. „Wir werden zum Dank für unsere Hilfe von Betroffenen ab und zu in den Arm genommen und fest gedrückt. Das ist eine schöne Bereicherung für uns selbst. Auch freuen wir uns über Spenden, denn unsere Arbeit kann keiner bezahlen.“

Im Team sind neue Ehrenamtliche ab 25 Jahren mit einer abgeschlossenen Ausbildung willkommen. Kontakt zum DRK-Kreisverband Hochtaunus gibt es unter Telefon 06171-129565 oder per E-Mail an info[at]drk-hochtaunus[dot]de. Informationen sind im Internet unter www.drk-hochtaunus.de zu finden. Alarmiert wird der PSNV in der Regel durch den Rettungsleitstelle (06172-19222) oder durch Fachdienste wie Polizei, Feuerwehr und Krankenhäuser. Wer die wertvolle Arbeit des PSNV-Teams im DRK Kreisverband Hochtaunus unterstützen möchte, kann dies mit einer Spende tun.

Das ehrenamtliche Team der Psychosozialen Notfallversorgung (PSNV) des Roten Kreuzes (DRK) im Hochtaunus hilft in Krisensituationen. Foto: DRK



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