„Happy, endlich sauberes Trinkwasser zu haben“

Kostbares Glück: Die Freude über das saubere Trinkwasser steht diesen beiden nepalesischen Schülerinnen ins Gesicht geschrieben.

Hochtaunus (sth). Als Samuel Kiefer im November vorigen Jahres über die bevorstehende Reise berichtete, war er voller Vorfreude. „Für mich ist das kein Urlaub, sondern Teil meines Studiums“, sagte er damals über den Trip, der ihn für drei Monate an einen Ort führen sollte, welcher vor allem Trekking-Freunde und Extrembergsteiger anzieht. Doch Samuel, 21 Jahre alt, flog nicht zum Klettern nach Nepal, sondern um sich für die heimische Bevölkerung einzusetzen – indem er half, ihr den Zugang zu sauberem Trinkwasser zu ermöglichen.

Der Oberurseler, der in Friedrichshafen Soziologie, Politik und Ökonomie studiert, ist Teil des Vereins „NePals“. Anfang 2016 gegründet durch seinen Kommilitonen Fabien Matthias, der im Jahr zuvor einen Freiwilligendienst in dem südasiatischen Land absolviert – und die schweren Erdbeben im April und Mai 2015 hautnah miterlebt hatte. Fabien leistete Soforthilfe und wurde auf eines der größten Probleme in der Bevölkerung aufmerksam: von giftigen Stoffen verseuchtes Trinkwasser. Mit Samuel und weiteren Kommilitonen beschloss er, sich für sauberes Trinkwasser in Nepal einzusetzen und dieses dort zu verkaufen.

Im Dorf Devgaun errichtete das Team mit technischer Unterstützung des deutschen Unternehmens Autarcon GmbH und dank zahlreicher Spenden eine Trinkwasseraufbereitungsanlage auf einem Schulgelände. Samuel, der 2015 sein Abitur am Gymnasium Oberursel absolviert hat, unterstützte das Projekt bis Februar dieses Jahres von zu Hause aus, kümmerte sich um organisatorische Aufgaben. Selbst vor Ort zu sein hätte ihm viel bedeutet, „weil man das Ganze dort aus einer ganz anderen Perspektive sieht“, wie er im November sagte. „Dort herrschen ganz andere Verhältnisse, in Deutschland leben wir in einer Blase.“

Endlich selbst in Nepal

Nach einigen Zwischenstationen kam er Anfang März in der nepalesischen Hauptstadt Kathmandu an, von dort ging es weiter in das etwa 6000 Einwohner starke Örtchen Devgaun. Von dort berichtete er: „Für mich ist ein kleiner Traum wahrgeworden, hier sein zu können und mit den Menschen zu arbeiten.“

Kurz vor Samuels Eintreffen wurde die Filtertechnik der Aufbereitungsanlage installiert, die Messungen zeigen: Das Trinkwasser ist sauber. Der Student kann sich nun voll und ganz darauf konzentrieren, die Dorfbewohner über die gesundheitlichen Gefahren von verunreinigtem Trinkwasser aufzuklären. Anfang April läuft er mit 50 Schülern sowie den Mitgliedern der dorfeigenen, im Rahmen des Projekts gegründeten „NGO“ (nichtstaatliche Organisation) durch das Dorf, sie singen Parolen wie „clean trinking water is our life“. Soll heißen: Sauberes Trinkwasser ist lebensnotwendig. Die Aktion wird zum Erfolg, und Samuel stellt fest: „In Deutschland dachte ich, dass man die Leute erst mal aufklären muss, aber die wissen alle Bescheid.“

Die ersten Wochen in Devgaun sind für Samuel „ein Schwall an Hochgefühlen.“ Wenige Tage nach der Dorfrallye beginnen die NePals – „Pal“ bedeutet übersetzt guter Freund und Helfer – mit dem Verkauf des Trinkwassers. Die ersten positiven Reaktionen der Dorfbewohner lassen nicht lange auf sich warten. „Die Leute sind happy, endlich sauberes Wasser zu haben“, berichtet Samuel und erzählt von einem Mann, dessen Frau immerzu krank gewesen sei. Seit er das saubere Wasser kauft, gehe es ihr viel besser.

Mit einem eigens angeschafften Mini-Truck werden täglich um die 2000 Liter Wasser an die Dorfgemeinschaft verteilt. Etwa 1000 Menschen in 200 Kundenhaushalten freuen sich über die einschneidende Veränderung. Den Verkauf leitet eine von den NePals und der örtlichen NGO ausgewählte und ausgebildete Dorfbewohnerin. Der Verein setzt darauf, die Menschen vor Ort bestmöglich in das Projekt miteinzubeziehen. Langfristig wollen Samuel und seine Mitstreiter die Verantwortung an die Dorfbewohner übergeben, damit diese auch zukünftig profitieren.

Schwierige Kommunikation

Als Samuel Ende Mai die Erfahrungen seiner Nepal-Reise Revue passieren lässt, sind die vielen Glücksmomente jedoch kontrastiert von einem großen Aber: „Bei der NGO haben wir es nicht so richtig geschafft, sie zu integrieren.“ Die 13-köpfige Gruppe sollte die Interessen der Dorfgemeinschaft gegenüber dem Verein NePals vertreten, in sämtliche Vorgänge rund um das Projekt miteingebunden werden. Eine der Hauptaufgaben Samuels in Devgaun war die regelmäßige Kontaktpflege zur NGO. Die gemeinsamen Sitzungen seien jedoch allzu häufig von Kommunikationsschwierigkeiten, inhaltlichen Differenzen und Missverständnissen geprägt gewesen.

„Die Kommunikation zur NGO habe ich anfangs unterschätzt“, sagt Samuel, und nennt als Beispiel für die Schwierigkeiten die Auswahl des Fahrers für den Mini-Truck. Der favorisierte Kandidat wurde von der NGO abgelehnt, weil er aus derselben Familie kam wie die Wasserverkäuferin. Bei den NGO-Mitgliedern sei Neid entstanden, sagt Samuel. Zudem weist er auf das Problem der in Nepal oftmals geduldeten Korruption hin. Den NGO-Mitgliedern finanzielle Rücklagen zu überlassen, sei deshalb besonders heikel: „Dann stecken sie es möglichweise in die eigene Tasche.“

Nun ist Samuel zurück in der Heimat, demnächst steht erst mal das Schreiben der Bachelorarbeit an. Er ist zuversichtlich, dass seine Vereinskameraden in Nepal die Schwierigkeiten mit der NGO in den Griff bekommen. „Es braucht zwar Zeit, aber ich wüsste nicht, warum es nicht funktionieren sollte.“ Alles in allem blickt er auf eine Zeit mit tollen Erfolgen zurück: „Unsere Kunden, unsere Betreiberin und der Fahrer sind zufrieden, der technische Partner auch. Insgesamt sind die Aussichten gut.“ In zwei bis drei Jahren wollen die NePals das Projekt in die Hände der Dorfbewohner übergeben.

Wissen nicht verpuffen lassen

Im Verein hat man sich derweil ob des eigenen Erfolgs für einen Ausbau des Engagements entschieden. Es geht um weitere Standorte für Trinkwasseraufbereitungsanlagen. „Fabien hat in diese Richtung Ambitionen“, erzählt Samuel, „er will das in Nepal gesammelte Wissen nicht verpuffen lassen.“ Mindestens ein weiteres Projekt soll es geben, derzeit beginnen die Planungen dafür. Samuel und seine Teamkameraden haben allen Grund, ehrgeizig in die Zukunft zu blicken: „Wir haben jetzt gezeigt, dass es funktionieren kann.“

Der Verein freut sich über Spenden, um den Einsatz für sauberes Trinkwasser für die nepalesische Bevölkerung langfristig finanzieren zu können. Weitere Infos dazu und zum Verein stehen im Internet unter nepals.net.

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