Närrisches Volk trotzt Wind und Absage

Die „Bullizei“ ist auch dabei, und das ziemlich laut. Unterwegs werden mehrere versprengte Grüppchen aufgesammelt. Als der Zug sich seinen eigenen Weg nimmt und den Rathausplatz kreuzt, da sind die Ober-Narren und Entscheider schon weg. Foto: js

Von Jürgen Streicher

Oberursel. Traurige Narren, aber auch eine überall spürbare Jetzt-erst-recht-Stimmung. Trotz der Absage des Taunus-Karnevalszugs am Sonntag aufgrund der aktuellen Wetterlage marschierten unentwegte Fastnachter zu Hunderten in die Stadt und feierten ihren Karneval auf der Straße, in Kneipen und in den Höfen der Altstadt. Und es formierte sich ein Netzwerk derer, die schon am gleichen Tag anfingen, an einem Ersatz für den ausgefallenen Zug zu basteln.

Zu Zigtausenden zog närrisches Volk am Wochenende durch die Straßen, jubelte bei Umzügen und der Erstürmung von Rathäusern mit voller Kraft. Glück hatten die Karnevalisten vielerorts, wo die Veranstaltungen schon am Samstag über die Bühne gingen, Mut und Verwegenheit brauchten sie am Sonntag, um Sturmtief Yulia zu trotzen. Die bittere Nachricht für die Närrinnen und Narrhalesen aus „Groß-Orschel“ trudelte gegen halb zehn am Vormittag auf allen verfügbaren Internet-Kanälen ein. „Taunus-Karnevalszug abgesagt!“, als Grund wurde die „aktuelle Unwetterwarnung des Deutschen Wetterdienstes mit Windböen bis Stärke acht angegeben. „Wir hatten keinen Spielraum“, sagte Klaus Müller, Vorsitzender des Karneval-Zugausschusses, ein paar Stunden später beim Empfang der Tollitäten, die trotz der Absage auch aus umliegenden Gemeinden ins Stadthallen-Foyer gekommen waren. Die Sicherheit der Zuschauer und der Mitwirkenden habe oberste Priorität, in Zusammenarbeit mit den Sicherheitsorganen der Stadt sei die Entscheidung zum Abblasen des Umzugs gefällt worden. Rechtzeitig, um die auswärtigen Narren vor der geplanten Abfahrt zu erreichen.

Sichtbares Grummeln

Es war der Todesstoß für die närrische Großdemonstration vor fröhlich-buntem Publikum, die Jahr für Jahr rund 40 000 Menschen in die Taunusstadt zieht. Als närrische Hochburg gilt Oberursel, aus dem gesamten Hochtaunuskreis, aus den Nachbarkreisen kommen sie stets in den Taunus, der drittgrößte Zug Hessens lockt auch „Gugge-Musiker“ wie die „Kinziggeister“ und anderes illustres Fastnachtsvolk aus der Region. Mehr als 2500 Mitwirkende waren für den Fastnachtssonntag angesagt, in 184 Zugnummern mit 64 Motivwagen, 103 Fußgruppen und Garden und 17 Musikzügen.

Mit traurigen Gesichtern zogen die Tollitäten ab, die trotzdem zum Empfang der geladenen Hoheiten gekommen waren. „Es war die richtige Entscheidung“, pflichtete Bürgermeister Hans-Georg Brum dem Zugausschuss bei, die meisten hohen Herren und Damen der Fassenacht nickten dazu, auch wenn das Grummeln in manchen Köpfen sichtbar schien, die im Lotteriespiel nicht unbedingt für die Sicherheitsvariante waren angesichts der aktuellen Wetterverhältnisse um die Mittagszeit. „Eine gute Entscheidung“, lobte auch Brunnenkönigin Pia I., die „so gerne“ mit dabei gewesen wäre beim Triumphzug durch die Stadt.

Frohsinn-Pressesprecher Gerd Krämer schloss sich dem am Rosenmontag an. Der „Kleine Rat“ nutzte die Chance, sich beim Empfang der Tollitäten in der Taunus-Sparkasse auf dem Epinay-Platz zu präsentieren, wie einige andere Oberurseler Formationen haben sie sich am Fastnachtsdienstag mit der Teilnahme am Umzug in „Fichtegickelshausen“ schadlos gehalten.

Das feierwütige Volk der Karnevalisten aber ließ sich vom Wind nicht schrecken, auch wenn es manch einen am Ende doch davongeweht haben mag. Hier und da schlossen sich kleine Gruppen mit ordentlicher „Mucke“ im Hintergrund zu Mini-Zügen zusammen und wären gerne auch ohne Zug zur After-Zug-Party in die Stadthalle gekommen. Da waren zur offiziellen Startzeit um 14.11 Uhr aber schon die Lichter aus und die Türen verschlossen, das organisierte Narrentum hatte sich auf dem Falkenhof in Bommersheim zum Feiern und zum Netzwerken in Sachen Zug-Ersatz zu einem Zeitpunkt X zurückgezogen. Die Stadthalle blieb zu, der vorgesehene Caterer auf seinem Angebot sitzen, die Chance zu einer Verlegung des Karnevals in den Saal blieb ungenutzt.

Partyzone am Epinay-Platz

So schnell sich die Nachricht über die Absage des Umzugs über die üblichen Kanäle verbreitet hatte, so schnell waren auch diejenigen informiert, die trotzdem Lust auf Straßenparty hatten. Wie in den vergangenen Jahren bereits üblich, entwickelte sich der Epinay-Platz in der Stadtmitte schnell zur Partyzone für das Jungvolk. Ein Platz überreichlichen Alkoholgenusses unter Teenagern war es geworden, entsprechend hoch war hier das Aufmerksamkeitslevel zahlreicher Sicherheitskräfte. „Alles im grünen Bereich“, hieß es dort lange, die Alkoholleichen am Wegesrand wurden als Kollateralschaden verbucht, der Regen am Abend spülte das fort, was sonst von öffentlichen Toiletten erledigt wird. Aus vielen Höfen und Kneipen in der Altstadt klang derweil fröhliche „Feiermusik des Lebens“, wie man es sonst nur beim Brunnenfest im Sommer hört.

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