„Mir wurde klar, dass eine Frau ein super Aushängeschild ist“

Spannende Gesprächsrunde mit Steffi Jones, Marlene Haas, Manuela Wehrle (Moderatorin) und Friederike Anslinger-Wolf (v. l.). Foto: sem

ow-Mir wurde klar

Oberursel (sem). „Da habe ich mir gedacht: Ihr könnt mich alle mal. Ich ziehe jetzt mein eigenes Ding durch!“ Anerkennender Applaus brandet im Sitzungssaal des Rathauses auf. Marlene Haas, Gründerin der „Lust auf besser Leben GmbH“, schildert ihren Werdegang mit klaren Worten. Sie ist Gast beim Impulsgespräch, das zu Beginn von „Fokus Frau 5.0 − Wissen, Workshops, Weiterbildung“ stattfindet. Organisiert hat diese Veranstaltung mit 21 Workshops das Unternehmerinnen-Netzwerk Oberursel in Kooperation mit der Stadt und dem fokus O.

Nach einer kurzen Einleitung von Unternehmerin und Moderatorin Manuela Wehrle sind außer Haas noch Fußballwelt- und Europameisterin Steffi Jones sowie Führungskräftecoach Friederike Anslinger-Wolf. Der Auftakt ist vielversprechend. Denn die drei Gesprächspartnerinnen berichten von den großen Herausforderungen ihres Lebens.

Anslinger-Wolf wollte als passionierte Reiterin Reitlehrerin werden. Ihre Eltern bestanden auf Abitur und Studium. Nach „einem großen Krach“ mit ihrem Vater und einem Auslandsjahr in Frankreich schrieb sie sich nicht wie gewünscht für Betriebs- oder Volkswirtschaft, sondern für Soziologie und französische Philologie ein. „Und dann die Frage: Was macht man denn damit?“ Nachdem sie nach Frankfurt gezogen war, traf sie dort einen Bekannten. „Er schlug mir vor, mich bei einer Bank zu bewerben, da sie jemanden bräuchten, der französisch sprechen kann. Nur widerwillig habe ich mich beworben, denn ich wollte nicht in einer Bank arbeiten. Es waren dann aber 17 Jahre.“

Haas wählte einen anderen Weg. Nach dem Erlangen der Fachhochschulreife „ließ ich die Schule sausen. Ich bin nicht überzeugt vom aktuellen System. Es ging nur um das Abi und die Noten, aber nicht um das, was wir wirklich lernen.“ Doch nach ihrer Ausblidung zum Event Management Assistant kam der große Bewerbungsfrust. Mutig begann sie daher, eigene Projekte ins Leben zu rufen. „Aber es war nicht so klar, in welche Richtung es geht.“ Groß war ihre Freude, als ihr eigentlicher Wunsch in Erfüllung ging und sie eine Stelle in einem Museum bekam. Umso größer der Schock, als gegen die vorherige Absprache wesentlich weniger Gehalt im Vertrag festgelegt war. Die Erklärung genügte ihr nicht. Sie stand auf und beschloss, ihr eigenes Ding durchzuziehen. Schließlich gründete sie die „Lust auf besser Leben GmbH“.

„… die Liebe zum Fußball blieb“

Jones ist sichtlich beeindruckt. Ihre bisherige Lebensgeschichte setzt das Publikum aller-dings ebenfalls in Staunen. Als Tochter einer Deutschen und eines US-amerikanischen Soldaten hatte sie es als Kind nicht leicht. „Ich packte alles, was ich tragen konnte, auf meine Arme, Süßigkeiten und Plätzchen, und ging damit zum Spielplatz“, berichtet sie. Ihre Erfahrungen spiegeln sich in ihrem Lebensmotto wider: „Sei ein guter Mensch, dann wird dir auch Gutes wiederfahren.“ Die Begeisterung für den Sport gründet auch im zwischenmenschlichen Bereich „Seit meinem vierten Lebensjahr spiele ich Fußball. Angefangen habe ich wegen meinem besten Freund Rafael, in den ich verknallt war.“ Die Gefühle wurden zwar nicht erwidert, doch die Liebe zum Fußball blieb.

Aber „irgendwann hat man mir gesagt, ich könne nicht mehr mit den Jungen spielen.“ Deshalb informierte sie sich über Frauenfußball und entdeckte die Nationalmannschaft. Bei dieser zu spielen, war fortan ihr Ziel. „Ich fuhr zweigleisig“, erzählt sie. Denn sie beendete Schule und Ausbildung und arbeitete im Einzelhandel, während sie weiterhin ihren Weg an die Fußballspitze verfolgte. „Ich wollte nie abhängig sein vom Fußball“, erklärt Jones. Dass sie schließlich Präsidentin des Organisationskomitees (OK) wurde, betrachtet sie nüchtern. „Durch mein großes Engagement wollte mich Theo Zwanziger als Präsidentin. Aber ich bin es nur geworden aufgrund meiner Hautfarbe und meiner Lebensgeschichte. Das Thema Integration war damals sehr groß.“

Ein ähnliches Erlebnis hatte Haas, als man sie zur Vizepräsidentin der Industrie- und Handelskammer (IHK) Frankfurt wählte. „Eigentlich werden solche Positionen vor allem von Männern besetzt.“ Obgleich sie eine „Newcomerin“ war, kandidierte sie und gewann die Stichwahl. „Erst hinter her wurde mir klar, dass eine junge Frau ein super Aushängeschild ist.“

Die Erfahrung mit Kollegen oder Vorgesetzten fallen unterschiedlich aus. Jones erzählt von ihrer Zeit als Präsidentin des OK. Der Besuch von 15 Ländern war geplant inklusive Treffen mit den jeweiligen Präsidenten. Vorher sagte man ihr allerdings: „Erwarte aber nicht, dass die dich auch empfangen.“ „Ich dachte mir ‚Ihr Lutscher, ihr werdet sehen!‘ Und ich habe alle Präsidenten gesehen und besucht. Wir sind alle nur Menschen. Wir können sehr respektvoll miteinander umgehen. Dann wurde ich Direktorin beim Deutschen Fußball Bund (DFB). Ich kam mit den Männern besser zurecht. Bei Meetings habe ich zunächst abgewartet, bis sie mit ihren Pimmelgefechten fertig waren und sich positioniert hatten. Dann habe ich gefragt, ob wir nun endlich anfangen können. Schlimmer war es mit den zwei bis drei Frauen. Neid und Missgunst waren da groß.“

Anslinger-Wolf erzählt, dass sie mit den Gesprächen über die Bundesliga bei der Bank nichts anfangen konnte. „Erst hat es genervt. Dann habe ich gemerkt, dahinter steht eine Strategie. Die Männer spielen im Job den ganzen Tag Fußball. Ich habe (vorher) nie verstanden, weshalb alle Positionen, bei denen man was zu sagen hatte, von Männern besetzt waren. Und ich musste kämpfen. Dieses Ungleichgewicht kannte ich aus dem Reitsport nicht. Also habe ich überall angeklopft und gefragt, wie wird man hier denn was.“ Ständig hatte sie die nächste Karrierestufe im Fokus ihres Bestrebens. „Doch ich hatte immer das Gefühl, das ist nicht meins. Das lag daran, dass ich gelernt habe, wie ein Mann zu führen. Ich bin aber eine Frau.“ Daher machte sie eine Zusatzausbildung − wie führen Männer, wie führen Frauen. Diese hat ihr sehr geholfen. Sie fügt jedoch hinzu: „Das Seilschaften-Ding, was die Männer machen, ist ausgrenzend. Für alle anderen Männer und die Frauen.“

In dieser Zeit hat sie viel gelernt. Das zeigt sich in der Schilderung über ihren Ausstieg bei der Bank. „Ich habe es so gemacht, wie es die Männer machen. Ich habe mich da raus gechanged und bin mit Abfindung gegangen.“ „Cool!“, ruft Jones und stimmt lauten Applaus an. Drei Frauen, drei Karrieren. Ein gelungener Start für den anstehenden Tag.



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