Gedenkfeiern in Villebon-sur-Yvett und Liederbach zum 9. November

Auf Einladung der französischen Partnerstadt Villebon-sur-Yvett reisten fünf Mitglieder des Gemeindevorstands, die Bürgermeisterin und zwei Mitglieder aus dem Vorstand des Freundeskreises Europäische Partnerschaften am 9. November nach Villebon, um dort gemeinsam mit den französischen Freunden, an den Feierlichkeiten zum Gedenken an das Ende des Ersten Weltkrieges teilzunehmen. Hier der Bericht.

Nach einem gemeinsamen Abendessen am Freitagabend fand im „Kulturzentrum Jaques Brel“ ein großes, sehr beeindruckendes öffentliches Konzert zu Ehren Jaques Brels statt.

Am Samstagvormittag fuhr die deutsche Besuchergruppe mit Gastgebern zu einer Schlossbesichtigung nach Choisel, wo eine Schlossführung den Besuchern anhand der Familiengeschichte der Schlossherren, der Familie Breteuil, Episoden aus der französischen Geschichte nahebrachte.

Nach dem Mittagessen fand in der Kirche „St.Come et St. Damien“ ein musikalisch ausgestalteter ökumenischer Gottesdienst statt.

An der offiziellen Gedenkfeier auf dem Friedhof von Villebon nahmen der Präfekt, die gewählte Abgeordnete des Parlaments, Bürgermeister Fontenaille sowie zahlreiche Veteranenverbände, die Vertreter des Jugendparlaments und der Schulen, der Feuerwehr und anderer örtlicher Organisationen sowie Bürgerinnen und Bürger Villebons und seiner Nachbargemeinden teil. Die nahezu zwei Stunden andauernde Veranstaltung wurde vom örtlichen Gesang- und Musikverein sowie zwei Schauspielern künstlerisch gestaltet.

Einer der Höhepunkte der Gedenkfeier und sicherlich einer der für alle berührendsten Momente war der, als eingerahmt von der deutschen und der französischen Flagge, die jeweils von einem deutschen und einem französischen Jugendlichen getragen wurde, unter den Klängen der beiden National- und der Europäischen Hymne, von den beiden Bürgermeistern eine Gedenktafel zu Ehren der Opfer des Ersten Weltkrieges enthüllt wurde, auf der stellvertretend für alle Opfer, die Namen eines gefallenen Soldaten aus Liederbach und Villebon-sur-Yvette genannt sind.

Es war vorher verabredet worden, dass eine Tafel mit gleichlautendem Text am Volkstrauertag in Liederbach aufgestellt wird.

Nach der Zeremonie auf dem Friedhof wurde im Rathaus eine Ausstellung zur Geschichte des Ersten Weltkrieges präsentiert, die sehr anschaulich den Verlauf und die Schrecken des Krieges darstellt. Im Anschluss wurde im Rahmen eines Sektempfangs ein 100jähriger Veteran aus dem Zweiten Weltkrieg geehrt.

Den Sonntagvormittag verbrachten alle Liederbacher Gäste mit ihren Gastgebern. Nach einem gemeinsamen Mittagessen trat die Liederbacher Delegation den Heimweg an.

Am Volkstrauertag fand die Feier in Liederbach auf dem Friedhof in der Taunusstraße statt. Eine Ehrenwache der Freiwilligen Feuerwehr und des DRK Liederbach sowie die beiden Liederbacher Gesangvereine Union Niederhofheim und Liederkranz verliehen der Feier den angemessen würdigen Rahmen. In Anwesenheit der Vorsitzenden der Gemeindevertretung, zahlreicher Beigeordneter und vieler Bürger, darunter auch die Familie des Soldaten Karl Engel, wurde nach der Ansprache der Bürgermeisterin und der Kranzniederlegung am Ehrenmal eine ökumenische Andacht mit den Vertretern beider Kirchen gehalten.

Die Gedenktafel, die für die Feier auf dem Friedhof aufgestellt wurde, die zukünftig allerdings an der Evangelischen Kirche in Oderliederbach ihren Platz finden wird, trägt folgende Inschrift:

Zur Erinnerung an das Ende des Krieges 1914-1918

Gewidmet allen Opfern des ersten Weltkrieges Lucien Guyon, Soldat aus Villebon 1886-1916, Gestorben in Lachalade, Karl Engel, Soldat aus Liederbach am Taunus 1898-1917, gestorben in Verdun.

Villebon-sur-Yvette 10. Nov. 2018 Liederbach am Taunus 18. Nov. 2018.

Ansprache von Bürgermeisterin Söllner, gehalten anlässlich der Feierlichkeiten zum 100 Gedenken an das Ende des Ersten Weltkrieges in Villebon-sur-Yvette (am 10. 11.) und Liederbach (am 18.11.):

Was geht uns der Erste Weltkrieg an?

Ja, die Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich waren über die Jahrhunderte durch viele kriegerische Auseinandersetzungen belastet. Es wurde von Erbfeindschaft gesprochen. Und ja, die Erinnerungen der Europäer an die Kriege des 20. Jahrhunderts werden immer dissonant bleiben, sie werden wahrscheinlich auch noch in 100 Jahren von nationalen Siegen und Niederlagen erzählen, Verantwortung und Schuld zuweisen.

Trotz dieser Unterschiede in den nationalen Gedenkkulturen gilt die grundsätzliche Überzeugung, dass wir heute mehr sind als eine Zwangsgemeinschaft zur Lösung aktueller finanz- und wirtschaftspolitischer Probleme.

Denn unsere gemeinsame Erfahrung der letzten 70 Jahre ist die beispielhafte europäische Erfahrung, dass wir der Gewalt, die im Ersten Weltkrieg ihren Anfang genommen und im Zweiten Weltkrieg ihre unvorstellbare Steigerung gefunden hat, ein Ende gesetzt haben. Frankreich hat vor 4 Jahren ein beeindruckendes Bauwerk geschaffen (Departement Pas de Calais, Notre Dame de Lorette), das allen bekannten Opfern des Ersten Weltkrieges, gleich welcher Nationalität, ein gemeinsames Denkmal setzt. Und in diesen Tagen nimmt die Welt wahr, dass Frankreich und Deutschland 100 Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkrieges nicht nur Seite an Seite an den Gräbern der Millionen Opfer stehen, sondern gemeinsam, Schulter an Schulter, für den europäischen Gedanken, für eine Europäische Union, in der alle Partner gleiche Rechte, aber auch gleiche Pflichten haben, eintreten.

Unsere Verantwortung ist es, dass die gemeinsame Erinnerung an den kollektiven Albtraum, seine Ursachen und Auswirkungen unverzichtbarer Bestandteil des europäischen Integrationsprozesses bleibt, damit wir unser Denken und Handeln auf die Zukunft richten und dafür Sorge tragen, dass das, was wir gemeinsam aufgebaut haben, Bestand hat und das europäische Haus nicht zerstört wird.

Schon vor 40 Jahren sagte Alfred Grosser anlässlich des Volkstrauertages: „Wir sind die Glücklichen, weil wir die Überlebenden sind. Nicht nur, weil wir leben, sondern weil wir durch unser Wirken Sterben und Leid verhindern können.“

Diese Worte haben Geltung bis heute, für uns Deutsche, Euch Franzosen, für uns Europäer. Wir leben seit sieben Jahrzehnten in Frieden. Wir sind die Glücklichen! Daraus erwächst unsere Verantwortung! Nehmen wir sie wahr, damit auch unsere Kinder in Frieden leben und auf unser Friedensprojekt Europa stolz sein können!

Liederbach am Taunus, 22. November 2018



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