Kronberger Bücherstube gewinnt Deutschen Buchhandlungspreis 2019

Die Freude ist groß bei Dirk Sackis (Mitte), seiner Familie (links von ihm) und seinem Team. Gerade haben sie erfahren, dass sie in der Kategorie „Hervorragende Buchhandlungen“ den Deutschen Buchhandlungspreis 2019 gewonnen haben. Fotos: privat

Kronberg (mw) – Im Schaufenster der inhabergeführten Buchhandlung Kronberger Bücherstube von Dirk Sackis ist immer etwas los: Je nach Veranstaltung in der Stadt – im linken Schaufenster baumeln noch Stoff-Cellis von der Decke – wechseln die Auslagen, manchmal in rasanter Folge, greifen das Geschehen in der Stadt auf, erzählen Geschichten, spiegeln die Jahreszeiten wider, kündigen Autoren an und stellen natürlich neueste spannende Bücher vor. Aktuell hängt unübersehbar eine große Fahne im rechten Schaufenster. „Deutscher Buchhandlungspreis 2019“ ist darauf zu lesen. Auf die ist Dirk Sackis und sein engagiertes Team mächtig stolz. Warum? Weil er die Fahne eigenhändig aus Rostock mitgebracht hat und dazu den mit 7.000 Euro dotierten Deutschen Buchhandlungspreis 2019 in der Kategorie „Hervorragende Buchhandlungen“ gleich mit. Vergeben wird dieser Preis seit fünf Jahren an kleine, inhabergeführte Buchhandlungen, die ein anspruchsvolles und vielseitiges literarisches Sortiment oder kulturelles Veranstaltungsprogramm anbieten. Außerdem erwartet die unabhängige Jury unter dem Vorsitz der FAZ-Literaturkritikerin Sandra Kegel, die insgesamt 118 Gewinner aus insgesamt 467 eingereichten Bewerbungen auszuwählen hatte, ein „innovatives Geschäftsmodell“. Umtriebig wie Dirk Sackis ist, hat er sich schon zum fünften Mal um den Preis beworben, auch wenn das nach Geschäftsschluss zusätzliche Arbeit macht. Aber was ist überhaupt nach Geschäftsschluss? Wer eine lebendige und liebenswerte Buchhandlung führen will, der kennt vermutlich keinen Geschäftsschluss. Ein Stück weit ist die Buchhandlung zum Lebensmittelpunkt von Dirk Sackis geworden. Und nichts anderes scheint die Jury von den Buchhändlern auch zu erwarten. Die Buchhandlung sollte sich nämlich auch noch im Bereich der Lese- und Literaturförderung für Kinder- und Jugendliche engagieren. „Ich glaube, was man bei der Bewerbung gar nicht schreiben darf, ist mit seinem Geschäftsmodell Bücher verkaufen zu wollen.“ Für ganz so zielführend hält Dirk Sackis dieses altruistische Bild einer Buchhandlung, die sich ganz der Kultur und Literatur verschrieben hat, allerdings nicht. Die Vorstellung, sich ganz und gar der Kultur und Literatur zu verschreiben, gefällt ihm zwar außerordentlich gut, doch sein tägliches Leben finanzieren können sollte die Buchhandlung dann doch. Zu viele Buchhandlungen – auch die der noch höher ausgezeichneten der Kategorie „Beste Buchhandlungen“ und „Besonders herausragende Buchhandlungen“ hat er schon sterben sehen.

Und das dürfe bei einer Auszeichnung, die aus der Taufe gehoben wurde, um die Vielfalt in den Buchhandlungen zu stärken, ja wohl auch nicht das Ziel sein, gibt er zu bedenken.

Über das Gütesiegel, das er auf die Eingangstür kleben darf, ist er besonders glücklich: „Ausgezeichneter Ort der Kultur“ ist darauf unter anderem zu lesen.“ Und genau dafür brennt Dirk Sackis, wenn er Woche für Woche, wie er sagt, „so ganz nebenbei“ die unterschiedlichsten Autorenlesungen, Themenabende und Kooperationen, sei es mit der Volkshochschule, der Kronberg Academy, den Kindergärten oder der Stadtbücherei, vorbereitet. „Das macht mir wirklich Spaß“, gesteht er und die Ideen gehen dem studierten Landwirt dabei bestimmt nicht aus. Er ist mit Leib und Seele Buchhändler, auch wenn er das schnelle Querlesen von Büchern für sich persönlich als „ungesundes Lesen“ empfindet. Aber nur so gelingt es, sich über drei Meter Neuware einen Überblick zu verschaffen. Und auch wenn die Buchhandlung ein großes Stück seines Lebens ausmacht, hat er auch noch ein Leben neben der Buchhandlung, in dem er unter anderem – gerne per Rad – zum Entdecker von Landschaften wird, die er schließlich, wieder zuhause angekommen, leidenschaftlich gerne malt. Es kommt also nicht von ungefähr, dass er in der Scheune hinter dem Geschäft, die die Dingeldein-Stiftung im Begriff ist, zu restaurieren, weitere Veranstaltungen plant. Dass er sich vorstellt, dort Kinder der Kunstschule zum „mal ordentlich in die Farbe langen“, einzuladen oder Länder und Landschaften literarisch wie musikalisch vorzustellen. Schon jetzt sind es 35 bis 40 Kulturveranstaltungen über das Jahr verteilt, die er organisiert, oftmals ganz altruistisch, denn erfahrungsgemäß machen Veranstaltungen bekannter und binden die Menschen vielleicht an diese „ihre“ Buchhandlung, sind jedoch für sich genommen erst einmal keine große Einnahmequelle. Oft genug, lege man bei den Veranstaltungen sogar noch oben drauf, sagt Sackis. Nichtsdestotrotz will er genau dieser Ort der Kultur sein, von dem aus man sich mit Worten in gänzlich fremde Welten entführen lassen kann. Bei ihm finden auch kleine Verlage Gehör. „Eine Nele Neuhaus muss ich nicht lesen, sie wird ohnehin gekauft“, einen „Alan Rusbridger mit „Play it again“, aber schon. „Hinter den kleinen Verlagen steht oftmals keine große PR-Maschine, die den Buchverkauf anzukurbeln hilft, erklärt er. „So ein Buch wie dieses, in dem der Autor, ein Journalist beschreibt, wie er auf dem Klavier ein Chopin-Stück spielen lernt und dabei gleichzeitig die Welt beschreibt, würde gänzlich untergehen. Doch Sackis hat sich die Zeit genommen und in dem Buch gelesen, nachdem er seinerseits von einem Verleger darauf aufmerksam gemacht wurde. „Es ist toll und ich habe es auch schon 30 bis 40 mal verkauft“, gesteht er. Vor allem aber habe er Glück gehabt, seine Berufung gefunden zu haben. Man muss Menschen schon mögen bei diesem Job“, sagt er augenzwinkernd und freut sich, dass das unermüdliche Wirken seines gesamten Teams nun endlich gewürdigt worden ist. „Wir sind ausgewählt worden, aber auch in diesem Jahr sind wieder engagierte Buchhandlungen leer ausgegangen und wissen nicht, was sie denn besser oder mehr machen sollen, um diesen Preis zu erhalten.“ Sie alle sollte man ebenfalls loben, denn Anerkennung sei das Wichtigste, um engagiert weiterzumachen, findet er.

Kulturstaatsministerin Monika Grütters würdigte die Buchhändler bei der Preisverleihung in Rostock als Verteidiger der Demokratie. „Die Bereitschaft, sich mit anderen Sicht- und Lebensweisen auseinanderzusetzen, nimmt ab. Angesichts dieser Entwicklung ist die Vielfalt in unseren Buchhandlungen ein Plädoyer für Gedankenfreiheit und Verständigung. Denn Bücher laden dazu ein, Dinge anders zu sehen. Wer liest, öffnet die eigene Weltanschauung für fremde Empfindungen, andere Erfahrungen und neue Erkenntnisse. Das macht Buchhandlungen zu Keimzellen unserer Debattenkultur und damit unserer Demokratie.“ In Hinblick auf die Konkurrenz durch monopolistische Online- Plattformen hob Monika Grütters die Stärken von inhabergeführten Buchhandlungen hervor: „Während die Algorithmen der Online-Händler sich auf Bestseller konzentrieren und Abweichendes eher ausblenden, lotsen die Buchhändler ihre Kunden durch geistiges Neuland. Buchhandlungen sind geistige Schatzkammern, die gerade außerhalb der Großstädte für eine kulturelle Grundversorgung sorgen.“

Der mit Preisgeldern in Höhe von insgesamt 850.000 Euro dotierte Preis wird in drei Kategorien an Buchhandlungen verliehen, deren Jahresumsatz in den letzten drei Jahren unter einer Million Euro lag. Partner des von der Kulturstaatsministerin vergebenen Deutschen Buchhandlungspreises sind die Kurt-Wolff-Stiftung und der Börsenverein des Deutschen Buchhandels.

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