25 Jahre Kreisau: Ein Jugendprojekt gegen das Vergessen und für die Völkerverständigung

Nach der offiziellen Feierstunde trafen sie sich für ein Foto: v.l.n.r.: Daniel Keiser, Berthold Figgen, Martin Fichtert, Helmuth Caspar von Moltke, Henning Zeidler, Martin Peppler

Fotos: Westenberger

Kronberg (mw) – Im Mittelpunkt der Feierstunde zum 25-jährigen Jubiläum des Kreisau-Projektes an der Altkönigschule standen ein Vortrag und eine Gesprächsrunde von Schülern mit Helmuth Caspar von Moltke, dem Sohn Helmuth James von Moltkes, der den Kreisauer Kreis gegründete hatte und von den Nationalsozialisten im Januar 1945 hingerichtet wurde. Moltke stieg direkt in die Geschichte seines Vaters ein, jedoch nicht ohne den geladenen Gäste und der Schülergruppe, die einen Tag nach dieser Feier selbst für sieben Tage zur Jugendbegegnung nach Kreisau startete, zu danken, da mit dem 25-jährigen Jubiläum der Kreisau-Begegnungen nun auch schon ein wichtiges Stück Geschichte geschrieben sei.

Die Erinnerung wachhalten

Denn wie sich aus den Grußworten der anwesenden Gäste der Feierstunden zuvor schon erschlossen hatte, steht Kreisau als Begegnungstätte dafür, die Erinnerung an dieses dunkle Stück deutscher Geschichte wach zu halten. „Es steht für den Widerstand, für Menschen, die sich dagegen gestellt haben, die aufgestanden sind und sich gegen das totalitäre Regime gestellt haben“, sagte AKS-Schulleiter Martin Peppler zur Begrüßung der geladenen Gäste, unter ihnen viele Lions-Vertreter, die das Projekt von Beginn an mittragen, sowie die Frau des verstorbenen ehemaligen AKS-Schulleiters Walter Heist, der damals das Kreisau-Projekt aus der Taufe hob und später in seiner neuen Wirkungsstätte, der Deutschen Schule in Las Palmas auf Grand Canaria, ebenfalls einrichten sollte.

Kreisauer Kreis

Helmuth Caspar von Moltke erzählte von seinem Vater, der einer dieser Menschen gewesen sei, die, in „demokratischer Atmosphäre“ erzogen, gemeinsam mit seiner Mutter, Freya von Moltke, von Anfang an Gegner der Nazis waren. „Als die Nazis mit der Wehrmacht erfolgreich waren, war das für meinen Vater ein zutiefst schwieriger Punkt in seinem Leben“, berichtete er. „Mein Vater hat aus seiner seelischen Not heraus gemeinsam mit seinem Freund den Kreisauer Kreis gegründet. Sie konnten nicht mit dem Gewissen leben, nichts zu tun, saßen aber in jungem Alter – Helmuth James von Moltke war damals 32 Jahres alt – nicht an den Schaltstellen.“ Moltke erläuterte den Gästen des Festakts in der AKS-Aula, worum es in den konspirativen geheimen Treffen der Gruppe ging: Sie machten sich damals Gedanken über ein Deutschland nach dem Nationalsozialismus, ein Deutschland, praktisch eingebettet wie heute in der Europäischen Union. Vieles von dem Gedankengut der Gruppe damals sei mit der Gründung der Europäischen Union 1956 heute tatsächlich umgesetzt. „Für meinen Vater wäre es eine enorme Freude zu sehen, dass wir heute 25-jähriges Kreisau-Treffen feiern. Wenn er sehen könnte, dass Kreisau als Jugendbegegnungsstätte zwischen Polen, Weißrussen, Franzosen, Spaniern und Deutschen für ein friedliches Zusammenleben eine Rolle spielt.“ Genauso, wie ihn freuen würde, dass dort in Kreisau, drei Tage nach dem Mauerfall 1989, die deutsch-polnische Versöhnungsmesse gefeiert wurde.

Von Moltke las auch aus einem der Briefe seines Vaters, des von der Gestapo Verhafteten, der die Willkür der Beweisaufnahme dokumentiert, die dazu führte, ihn des Hochverrates anklagen zu können. Zuvor hatte die Gestapo herausgefunden, dass weitere Mitglieder des Kreisauer Kreises an dem Stauffenberg-Attentat gegen Hitler beteiligt gewesen waren.

In der Fragerunde der Schüler an Caspar von Moltke, der sieben Jahre alt war, als sein Vater ermordet wurde, interessierte die AKS-Schüler unter anderem, ob er damals etwas von den geheimen Treffen auf dem Gut der Familie Moltke in Kreisau mitbekommen habe. „Ich habe mit den Männern Mittag gegessen aber ich wusste nicht, dass es wichtige Treffen waren“, erzählt er den Schülern. „Um politisch zu denken, war ich zu klein und die meiste Zeit oben in meinem Kinderzimmer.“ Sich wirklich hineinzuversetzen in die Zeiten, in denen sein Vater gelebt habe, sei kaum möglich, denn er sei in Südafrika in einer Zeit, in der das Leben deutlich leichter war, aufgewachsen. Sein Vater habe sich in damals chaotischen Zeiten klar gegen die Nazis gestellt und sei damit ein wichtiges Vorbild, erklärte er den Schülern, die auch wissen wollten, wie er zu rechter Politik stehe. „Ich bin kein Befürworter dieser Parteien“, gab von Moltke klar zum Ausdruck, „finde aber, dass eine Demokratie rechte Kritik-Äußerungen in Form von Wortbeiträgen aushalten muss.“

Gelebte Völkerverständigung

Landrat Ulrich Krebs hatte in seinem Grußwort ebenfalls auf die Gefahr des Erstarken rechtspopulistischer Kräfte in Europa hingewiesen und Bürgermeister Klaus Temmen warb dafür, die demokratischen Grundwerte zu verteidigen. Der Altkönigschule dankte Temmen, dass sie das „Vermächtnis des Kreisauer Kreises pflegt“ und für das Stück „gelebte Völkerverständigung“ und wünschte den Schülern für die bevorstehende Jugendbegegnung in Kreisau „viele neue und interessante Begegnungen“. Der Organisator der Kreisau-Fahrt, Martin Fichert, und sein Begleiter, Daniel Keiser, fassten für die Zuhörer kurz die Fakten rund um den Kreisauer Kreis zusammen. Sie berichteten von den drei großen geheimen Treffen, die damals auf dem Gut stattfanden und die als Familienfeiern getarnt waren, dass der Kreis etwas 20 Mitglieder aus ganz unterschiedlichen gesellschaftlichen Kreisen und Gruppierungen hatte und sich mit einem Konzept für Deutschland nach dem Nationalsozialismus beschäftigte. An dem Kreisau-Projekt nehmen jährlich seit 1994 etwa 15 AKS-Schüler teil. Wie der Präsident der Lions und langjährige Kreisaubeauftragte, Berthold
Figgen, informierte, haben die Lions für die Jugendbegegnung in den 25 Jahren mehr als 80.000 Euro aufgewendet. Figgen wies in seinem Grußwort ebenfalls auf die Wichtigkeit der Jugendtreffen hin. Bei aller Rückbesinnung auf das Nationale in „gesunden Portionen“ sei es ungemein wichtig, zu wissen, wohin das führen kann, sagte er. „Diese Botschaft zu senden, ist heute wichtiger denn je.“ Die AKS könne der Unterstützung des Projektes durch die Lions deshalb für viele weitere Jahre gewiss sein.

Die Schüler treffen in Kreisau auf Gleichaltrige aus Polen, Tschechien, Weißrussland und Spanien, beschäftigen sich vor Ort mit der Geschichte der Widerstandsgruppe und lernen die Kulturen der anderen Teilnehmer kennen. „Damit soll ein Zeichen für die europäische Verständigung gesetzt und die Bedeutung des Themas Widerstand – nicht nur während der NS-Diktatur – lebendig gehalten werden“, so Fichert. Henning Zeidler, zu Gast von der Deutschen Schule aus Las Palmas, betonte, dass für die Schüler dort die Teilnahme an der politischen Fahrt „der Höhepunkt ihres Schullebens“ sei.

Zwischen den Grußworten und Helmuth Caspar von Molkes Ausführungen genossen die geladenen Gäste zwei musikalische Beiträge am Klavier: zunächst von Eunsol Park aus Kronberg, anschließend von Gabriel Ducatenzeiler Kapp aus Las Palmas.

Dank an die Lions

Schulleiter Martin Peppler dankte vor Ende des offiziellen Teils noch einmal allen Fördern, die das Projekt über 25 Jahre möglich gemacht haben. „Allen voran danke ich den Lions für ihre sehr, sehr großzügige Unterstützung“, sagte er, „für dieses Projekt und alle anderen, bei denen sie uns ebenfalls schon unterstützt haben.“

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