Unterhaltsame und informative Lehrstunde über richtiges Verhalten

Oberhöchstadt (pf) – Was Duzen und Zahnpasta gemeinsam haben, das erfuhren Besucher der Lesung mit Dr. Enrico Brissa, dem „Mister Etikette der deutschen Politik“. Im Festsaal des Altkönig-Stifts las er kürzlich aus seinem Buch „Auf dem Parkett – Kleines Handbuch des weltläufigen Benehmens“. Und da stellte er unter dem Buchstaben D wie Du fest: „Mit dem Du ist es wie mit der Zahnpasta. Einmal draußen, bekommt man sie nicht wieder in die Tube.“

Der ungewöhnliche, aber sehr gut nachvollziehbare bildhafte Vergleich – „Eine Rückkehr zum ‚Sie‘ wäre ein geradezu feindseliger Akt“, heißt es im nächsten Satz – beweist: Der Mann hat Humor. Sein Buch, 150 mehr oder weniger ausführliche Stichworte in alphabetischer Reihenfolge, von A wie Abendland bis Z wie Zurückhaltung, ist ebenso informativ wie unterhaltsam.

Der Leser erfährt, was ein Aide-de-camp (früher der Flügeladjutant eines Befehlshabers oder Königs mit militärischen, heute mit protokollarischen Aufgaben) und eine Akkolade (eine feierliche Umarmung während einer Ordenszeremonie) ist, bekommt aber auch nützliche Hinweise, wer in Restaurants die Zeche zahlt oder wozu man eine Serviette niemals benutzen sollte. Für seine Lesung im Altkönig-Stift hatte der eigens aus Berlin angereist eAutor, promovierter Jurist mit Lehrauftrag an der juristischen Fakultät der Universität Jena und im Berufsleben seit 2016 Protokollchef des Deutschen Bundestages, vorher fünf Jahre lang im Bundespräsidialamt für die Bundespräsidenten Christian Wulff und Joachim Gauck tätig, acht Stichworte ausgesucht: B wie Bezahlen, D wie Du, K wie Kleidungsempfehlung, M wie Manieren, O wie Oper, R wie Rücksicht, S wie Serviette und V wie Verabschiedung.

Zum Auftakt las er das Vorwort zu seinem Buch. Und da erfuhren die Zuhörerinnen und Zuhörer, dass der 1971 in Heidelberg geborene Sohn eines Italieners und einer Deutschen schon als Kind auf der Autofahrt nach Italien zu seiner nicht gerade kleinen italienischen Familie im Piemont sich die Namen seiner zahlreichen Verwandten und die korrekten Begrüßungsformeln für jeden, dazu die wichtigsten Benimmregeln einprägte. Denn Verstöße wurden geahndet. „Der Ton meiner Großtanten war hierbei nicht so verständnisvoll und freundlich wie in einer Berliner Kita“, merkte er an. Den Käse habe er deshalb nur einmal falsch abgeschnitten und nur einmal die Flasche beim Nachschenken falsch gehalten.

Welches denn seine Motive zum Schreiben des Buches gewesen seien, wollte nach der Lesung eine Zuhörerin wissen. Er habe bei vielen Menschen eine große Unsicherheit festgestellt, was das richtige Benehmen angeht, antwortete Dr. Brissa. Es gebe einen großen Bedarf an sozialen Regeln, die helfen, gerade heute im Umgang mit den vielen regelfreien digitalen Instrumenten. Sein Buch enthalte zwar viele Stichpunkte zum offiziellen Protokoll. Der Schwerpunkt aber liege auf dem privaten Teil. „Ich bin nicht Frau Pappritz“, fügte er schmunzelnd hinzu in Anspielung auf Erica Pappritz. Sie war in der Adenauer-Ära stellvertretende Protokollchefin im Auswärtigen Amt und Mitautorin des 1956 erschienenen umfangreichen „Buchs der Etikette“, in dem Benimm-Regeln bis ins kleinste Detail gegeben wurden. Es schrieb sogar vor, in welcher Häufigkeit die Toilettenspülung zu betätigen sei. Was bald als „die Eti-Kette ziehen“ verspottet wurde, erinnerte Dr. Brissa sein Publikum mit der entsprechenden Handbewegung. Denn damals wurde der über der Toilette angebrachte Spülwasserkasten noch durch Ziehen einer Kette entleert. „Aber wenn jemand nach der Lektüre meines Buches nachzudenken beginnt, dann habe ich schon mein Ziel erreicht“, meinte er.

Ein Autor mit Humor: Dr. Enrico Brissa, Protokollchef des Deutschen Bundestages, las im Festsaal des Altkönig-Stifts aus seinem Buch „Auf dem Parkett – Kleines Handbuch des weltläufigen Benehmens“.

Foto: A. Wittkopf



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