Eine amüsante Zeitreise in die 1950er-Jahre

Krimi-Autorin Ingrid Noll entführte ihr Publikum bei ihrer Lesung im Festsaal des Altkönig-Stifts mit viel hintersinnigem Humor und besten internen Kenntnissen in die Nachkriegszeit, jobbte sie doch selbst als Studentin in den Semesterferien im Bonner Innenministerium, wo die Hauptpersonen ihres Romans „Halali“ als Stenotypistinnen arbeiten.

Foto: Wittkopf

Oberhöchstadt (pf) – Ihrem Ruf nicht nur als erfolgreichste, sondern auch originellste Krimi-Autorin deutscher Sprache wurde Ingrid Noll bei ihrer Lesung am Dienstag vergangener Woche im gut besuchten Festsaal des Altkönig-Stifts in jeder Hinsicht gerecht. Dabei fällt ihr jüngster Roman „Halali“, der erst Mitte dieses Jahres erschien, ein wenig aus dem Rahmen, denn die Geschichte um die beiden Hauptpersonen Karin und Holda spielt nicht in unserer Zeit, sondern in den 1950er-Jahren im gerade frisch zur Bundeshauptstadt gekürten Bonn und im benachbarten Bad Godesberg. „Ich habe mir ausgedacht, dass eine 82-jährige Großmutter ihrer Enkelin erzählt, was sie damals im Bonn der Nachkriegszeit erlebte“, erläuterte die heute ebenfalls 82 Jahre alte Autorin ihrem Publikum als Einleitung. Und diese Zeit dürften wohl die meisten der Zuhörerinnen und Zuhörer noch aus eigener Erfahrung kennen, was sie bei der Lesung immer wieder amüsiert schmunzeln ließ.

Es war eine Zeit, in der noch jedes junge Mädchen Ausschau nach einem geeigneten Ehemann hielt, in der es noch den sogenannten Kuppelparagrafen im Strafgesetzbuch gab, wonach Eltern und Vermieter oder Vermieterinnen bestraft werden konnten, wenn sie Herren- oder Damenbesuch nach zehn Uhr abends erlaubten. „Denn Unzucht gab es erst nach zehn Uhr“, schmunzelte Ingrid Noll. Eine Zeit, in der es die Anti-Baby-Pille noch nicht gab, in der Paare zwar heftig knutschten, aber selten mehr wagten. Hatten ihre Mütter sie doch mit dem Spruch gewarnt: Kleine Sünden straft der liebe Gott sofort, große erst nach neun Monaten. Dazu passt, dass Holda, die Großmutter-Erzählerin, ausgerechnet beim Knutschen mit einem Studenten auf einer nächtlichen Wiese am Rhein eine Wasserleiche entdeckt. Ihr Liebster zieht sie zwar an Land, ruft dann aber nicht die Polizei. Schließlich ist der Mann mit der Warze auf der Stirn, den Holda schon früher einmal gesehen hatte, mausetot, sie aber frieren nach dem unfreiwilligen Bad im eiskalten Rhein erbärmlich und wollen sich keine Erkältung einfangen.

Spannend wird es dann, als die beiden Freundinnen im Haus von Karins Tante, einer Gräfin, die in ihrer Villa möblierte Zimmer an alleinstehende Herren vermietet, bei einem ausgelassenen Monopoli-Spielabend mit Karins Freund von einem der „möblierten Herren“ angegriffen werden. Aber sie können sich verteidigen – mit einem der Spazierstöcke aus der Sammlung der Gräfin, in dem ein scharfer Degen verborgen ist. Mit dem hatten sie gerade aus Spaß Brot geschnitten. Doch nach erfolgreicher Selbstverteidigung mit Todesfolge taucht die Frage auf: Wohin mit dem erstochenen Regierungsrat Jäger, den sie aus dem Innenministerium kannten und untereinander immer als den „Jäger aus Kurpfalz“ bezeichnet hatten. Ingrid Noll, die „Grande Dame“ des deutschen Krimis, verriet natürlich bei ihrer Lesung nicht, wie sich die Protagonistinnen aus der Affäre ziehen und ob sie vielleicht doch noch von der Polizei erwischt werden. Was ungewöhnlich wäre, kommen ihre Mörderinnen doch zumeist ungeschoren davon. Aber sie nahm sich viel Zeit, um anschließend ihre Bücher im Foyer des Altkönig-Stifts zu signieren, wo Buchhändler Dirk Sackis einen gut bestückten Büchertisch aufgebaut hatte.



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