„Not the easy way“ – Probe mit Gidon Kremer

Der 70-jährige Geiger von Weltrang, Gidon Kremer, ist seit 17 Jahren Künstlerischer Beirat, Lehrer, Solist und Kammermusikpartner der Kronberg Academy.

Foto: Andreas Malkmus

Kronberg (aks) – Sie sei nicht nervös und auch nicht aufgeregt, mit dem weltberühmten Geiger Gidon Kremer zu proben, sondern wichtig sei ihr „Focus“. Das klingt ziemlich nüchtern, doch man merkt der jungen Bratschistin an, wie wertvoll es für sie ist, mit dem großen Geigen-Virtuosen zu spielen und an diesem Nachmittag Dmitri Shostakovich Streichquartett Nr. 15 es-Moll zur Perfektion zu bringen. Die 30-jährige Chinesin, die mit 16 Jahren in die USA zog und dort viel Erfahrung als Kammermusikerin machte, begeistert sich für zeitgenössische Musik. Shostakovich komponierte sein 15. Quartett im Jahr 1975 – es war sein letztes. Die sechs Sätze sind in der dunklen Tonart es-Moll geschrieben und verbinden sich zu einem beeindruckenden Adagio. Die „Juniors“ Diana Tishchenko, Luosha Fang und Santiago Canón Valencia werden Kremers hohem Anspruch gerecht und so herrscht bereits bei der Probe viel Harmonie, nur Nuancen werden erklärt und Einsätze kurz wiederholt – die Füße wippen dabei im Takt. Was er erreichen will ist „ a mode of operation similar for all of us“. Was zählt, ist ein Gleichklang, ein Klangkunstwerk, das größer ist als die Summe der Instrumente, das Tutti. Er wiederholt die Worte „together“, also gemeinsam den Bogen streichen „up bow and down bow“ – sogar wenn es nicht mehr hörbar (audible), sondern nur eine Bewegung (movement) ist. Er will es nicht einfach, „I don’t want to play it the easy way.“ Das ist Kremers künstlerischer Anspruch, dem die jungen hochtalentierten Musiker gerne und höchst lernfähig folgen. Mit dem Meister zu spielen bedeutet auch, Kritik zu ertragen. Dabei wirkt Gidon Kremer freundlich zugewandt, aufmerksam, geduldig und entspannt, vor allem leise: alles Eigenschaften eines guten Lehrers – und er bedankt sich jedes Mal für den Einsatz seiner Eleven. Die zweite Geige spielt Diana Tishchenko aus der Ukraine, die 2017 ihr Konzertexamens-Studium beendete und viele internationale Preise gewann und die als Konzertmeisterin und Solistin an Kremers Seite seine Verbesserungen sofort umsetzen kann. Trotz höchster Konzentration darf auch mal gelacht werden, wenn zum Beispiel alle ihre Notenblätter vom Notenständer zu Boden segeln. Sie hat besondere Freude am Unterrichten und gab selbst schon Meisterkurse. Der jüngste in der Runde ist der Cellist Santiago Canón Valencia aus Kolumbien, 1995 geboren. Auch er ist ein vielversprechendes Nachwuchstalent, der viele renommierte Musikpreise gewonnen hat. Zwei Alben hat er bereits veröffentlicht und ist seit Oktober 2017 Student an der Kronberg Academy. Die Probe, die öffentlich war und im Raum Feldberg stattfand, machte Lust auf mehr. Alle neugierigen Kammermusik-Liebhaber können das Konzert am 9. Mai um 19 Uhr in der Johanniskirche erleben. Es handelt sich um ein Projekt von Gidon Kremer in künstlerischer Zusammenarbeit mit Victor Kissine beruhend auf den Partituren von Joseph Haydn und Shostakovich.



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