Meisterhafte „Masters in Performance“

Die irische Geigerin Mairéad Hickey und der englische Bratschist Timothy Ridout verzauberten ihr Publikum im Rathaussaal.
Fotos: Andreas Malkmus

Kronberg (aks) – Die drei Absolventen in der Villa Bonn, dem heutigen Kronberger Rathaus, sind 22 und 23 Jahre jung und spielen unfassbar gut – einfach meisterhaft. Erstaunlich, wie sie in einem anspruchsvollen einstündigen Programm ihr fabelhaftes Können zeigen und dabei alle sehr entspannt auftreten, ohne Lampenfieber.

„Masters in Performance“ sind Konzerte von 23 Absolventen der Kronberg Academy, die in fünf Tagen ein Publikum, darunter viele Freunde und Förderer der Kronberg Academy von nah und fern und vor allem die Jury begeistern. Die Konzerte sind der Abschluss eines akademischen Jahres innerhalb der Studiengänge Kronberg Academy Bachelor und Kronberg Academy Master sowie die speziell auf die Bedürfnisse der einzelnen Künstler zugeschnittenen Professional Studies. Seit zwölf Jahren bilden diese Elitestudiengänge junge Spitzentalente zu Künstlern aus, die sich auf der Bühne bewähren müssen und am Anfang internationaler Karrieren stehen. Prof. Dr. Friedemann Eichhorn, künstlerischer Leiter der Kronberg Academy, bestätigt auf Nachfrage, dass alle Absolventen bestehen und keine Noten verteilt werden: „Sie müssten alle eine Eins bekommen!“. Die Jury besteht aus ihm, Raimund Trenkler, Gründer und Präsident der Kronberg Academy sowie der Geigerin Susanne Stoodt, die seit  1994 Professorin an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst ist.

Den Anfang macht Maciej Kulakowski, Violoncello, 1996 in Polen geboren. Er spielt ein Cello von Charles Gaillard, Paris 1867, das ihm die Deutsche Stiftung Musikleben zur Verfügung stellt. Seit 2017 studiert Kulakowski an der Kronberg Academy bei Wolfgang Emanuel Schmidt. Die Sonate Nr. 3 von Bach für Violoncello und Klavier zählt zu seinen Lieblings-Cello-Werken und ist für ihn eins von Bachs Meisterstücken. Es ist eine Freude ihm zuzuhören, dem sanft fließenden Strich seines Bogens und seinem akzentuierten Spiel. Man hört seine große Leidenschaft nicht nur für die Klassik, sondern auch für die Moderne mit Musik von Shostakovich und zum Abschluss Martinu. In einem Text, der zur Prüfung gehört, in dem er seine Interpretation des Werks darstellt, sagt er über Shostakovich: „It is ...one of the best compositions written for cello-piano duo, clever and transparent.“ In diesem Sinn ist Anna Naretto, die einen Lehrauftrag an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt hat, eine intelligente Klavierbegleiterin, die ihre Leichtigkeit immer behält und das, obwohl „die Piano Kadenz eine der schwierigsten Momente darstellt, die jemals geschrieben wurden“. Kulakowskis temperamentvolles und sehr gefühlvolles Spiel steckt an, der Funke springt über. „Bravo Maciej“, so tönt es ihm entgegen. Zitat von Maciej Kulakowski zu seiner persönlichen Einstellung zur Musik und möglichen modernen Interpretationen: „I would say: always pay respect to the composer. Be faithful to the score and embrace the feelings, emotions, structures, thoughts and everything else, but at the same time see all of this from your point of view“. Gefühle und Transformationen seien erlaubt, solange sie den Komponisten und dessen Werk respektieren.

Mairéad Hickey, Jahrgang 1996, stammt aus Irland und studiert seit 2014 an der Kronberg Academy bei Mihaela Martin. Sie spielt eine Tononi-Geige von 1702, eine Leihgabe der Beare’s International Violin Society. Mairéad Hickey ist eine wahrhaft zauberhaft filigrane Erscheinung, die Bachs Chaconne mit Verve und viel Selbstbewusstsein spielt. Sie schreibt in ihrem Prüfungs-Text: „Bach’s Chaconne is, in my opinion, one of the greatest works ever written...It is the story of life, or humanity or the universe. The major middle section is heartbreakingly pure and beautiful.“ Auch Beethovens Sonate Nr. 6 A-Dur für Violine und Klavier spielt sie voller Ausdruck und Gefühl: „It is sublime and full of tenderness, ...lyrical and expressive, serene and yet full of emotion.“ All diese Nuancen kommen bei den Zuhörern an – sie wird bestens begleitet von der Japanerin Megumi Hashiba, die seit 1994 Dozentin für Instrumentalkorrepetition und Kammermusik an der Hochschule für Musik und Tanz Köln ist. Nicht nur ihre herzliche Umarmung zeigt eine große Verbundenheit, sondern bei Leos Janaceks Sonate ist der Dialog von Piano und Violine besonders temporeich und expressiv, die Melodie wandert zwischen den Instrumenten hin und her. Der dritte Satz ist wie ein Sturm durchsetzt von blitzartigen Einsätzen der Geige. Das Finale bezeichnet Hickey in ihren Worten als „quite dark“. Die Geige „stört“ gewitterhaft den sanfteren Klavierklang und es entsteht Unbehagen. Auch ihr fliegen die Herzen zu und der Applaus ist frenetisch.

Das kammermusikaffine Publikum hält den Atem an, als der englische Bratschist Timothy Ridout, einer der besten der Kronberg Academy Professional Studies, Brahms die „Regenlied-Sonate“ für Viola und Klavier mit enormer Energie und überbordender Freude spielt. Seit 2016 studiert er in Kronberg bei Nobuko Imai. Seine Viola aus dem 16. Jahrhundert von Pergerino di Zanetto klingt wunderbar warm. Am Klavier begleitet ihn Anna Naretto. Das Vivace ist träumerisch („dream-like“) walzerhaft, bis es immer turbulenter wird und zum Leitmotiv zurückkehrt. Das anfängliche Piano-Solo des 2. Satzes ist sehr berührend und wenn die Bratsche einsetzt, ist es fast wie „ein Weinen“, so beschreibt es Ridout selbst. Die klingenden Regentropfen hört man im Allegro, das aufbrausend emotional und ausdrucksstark endet. Kein gefälliges Finale, kein „Crowd pleaser“, so Ridout, sondern eher „like floating away to heaven“ – mit himmlischem Ende. Die Viola-Version klingt ein wenig melancholischer als auf der Geige.

Die beiden Künstler verstehen sich blendend und sind gleichermaßen temperamentvoll verschmolzen mit ihren Instrumenten – Brahms Kunst haben sie vollkommen verinnerlicht. Was für ein Hörgenuss! Die anschließende Komposition von Edwin York Bowen, eine Fantasie für Viola und Klavier, beginnt mit einem Viola-Solo, das zunächst verloren und einsam klingt. Mit dem Einsatz des Flügels ändert sich dieses Gefühl und wird zu einem fröhlichen Tanz, der Volksmusik dieser Zeit sehr ähnlich. Das Finale ist ekstatisch, ein Triumph für den 23-jährigen Viola-Spieler, dem die Zuschauer mit begeistertem Applaus dankten. Wer die vier Stunden „Prüfung“ durchhielt verließ selig das Rathaus – dankbar für so viel Jugend und Talent, so viel Kunst, so viel Kammermusik!

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