„Wenn man Musik macht, steht man in einem Sog, der einen nach oben zieht!“

Elisabeth und Karl-Christoph Neumann geben das NOK ab. Sich der Musik widmen, in ihrer ganzen Tiefe, das wollen sie in Zukunft, denn ein Leben ohne Musik gibt es für die beiden nicht. Foto: Diel

Oberhöchstadt (die) – Nach 35 Jahren verabschieden sich Elisabeth und Karl-Christoph Neumann vom Neue Orchester Kronberg (NOK). Nicht weniger als 35 Jahre waren die Eheleute Neumann mit dem NOK eng verbunden. Sie haben dem Orchester das Leben eingehaucht und Karl-Christoph Neumann hat es geleitet. Seine Frau war 35 Jahre Konzertmeisterin und sicher viel mehr für das Orchester. Grund genug für den Kronberger Boten, einiges von den beiden über diese Arbeit zu erfahren und 35 Jahre Revue passieren zu lassen, beispielsweise, wie das NOK entstand.

Von den Anfängen des NOK

„Also eigentlich hatten wir ja schon das projektweise aktive Kronberger Kammerorchester, das gab es schon seit 1978 und bestand aus semiprofessionellen Musikern. Das waren Musiker, die das nicht nur hobbymäßig, sondern schon auf einem recht hohen Niveau gemacht haben“, so Elisabeth Neumann. Zugleich entstand Kontakt zu einer kleinen Gruppe Kronberger Amateurstreichern, die gemeinsam Musik machen wollten. „Warum machen wir nicht ein Streichorchester in Kronberg?“, diese Frage war schlussendlich der Anstoß, der den Stein ins Rollen brachte. Und so ging das Ehepaar Neumann das Wagnis ein, aus dem Kronberger Kammerorchester plus engagierten Hobbymusikern das Neue Orchester Kronberg zu gründen. „Das war im Nachhinein eigentlich ziemlich verrückt, weil wir gerade Mareike, unser drittes Kind bekommen hatten“, so Elisabeth Neumann schmunzelnd, war sie doch von der ersten Stunde an als Konzertmeisterin dabei.

Glücklich konnten die neu zusammengekommenen Musikerinnen und Musiker sein, standen ihnen zwei Vollprofis zur Seite, die in regelmäßigen Abständen, damals noch wöchentlich, die Probenarbeit mit ihnen aufnahmen, Elisabeth Neumann als studierte Instrumentalpädagogin und langjährige Geigenlehrerin an der Musikschule in Limburg. „Da wurde aus einem frisch zusammengestellten Streicher-Ensemble innerhalb von acht Jahren ein in der Musikszene Limburg anerkanntes Schüler-Streichorchester, das zuletzt sogar unter anderem eine Streicher-Sinfonie von Mendelssohn spielen konnte.“ Keine ganz leichte Kost, wie sie betont. Allerdings habe sie schon damals das gemacht, was auch bei ihrer späteren Arbeit im NOK gefragt sein sollte. „Der Originalnotentext, der ist das Herzstück, der liegt mir vor, aber ich verändere den Notentext gelegentlich so, dass die einzelnen Musiker je nach ihren technischen Möglichkeiten damit umgehen können. Wenn ich eine Idee habe, dann will ich das auch hinkriegen!“ Dieses Können zeichnet die Tochter des Komponisten Herbert Beuerle (1911-1994, deutscher Kirchenmusik-Komponist) aus.

Karl-Christoph Neumanns Berufung war von Beginn an das Dirigieren: „Mein Drang ging dahin, mit einer Gruppe zu musizieren“, so Neumann. 15 Semester hat Neumann studiert, neben Kirchenmusik und Schulmusik eben auch die Künstlerische Ausbildung Dirigieren mit Hauptfach Chorleitung (KA) an der Musikhochschule in Frankfurt am Main bei Professor Rilling und Professor Starek. Eine musikalische Kraft, von der das NOK 35 Jahre lang profitieren konnte.

Karl-Christoph Neumann, seit 1977 an der Altkönigschule als Lehrer für Mathematik und Musik tätig, leitete dort zunächst den Chor, später das Orchester, Elisabeth baute ab dem Jahr 2000 die Orchesterarbeit mit auf und machte die Schüler „orchesterfähig“. Nebenbei unterrichtete sie – und tut dies noch heute – Geigen-/und Bratschenschüler und bereitet sie mit viel Herzblut auch auf Wettbewerbe wie Jugend musiziert und den Mendelssohnwettbewerb – auch teilweise in Kammermusikensembles – vor. Daneben die Probenarbeit beim NOK und die Erziehung dreier Kinder, unter denen ein Kind in die musikalischen Fußstapfen der Eltern getreten ist und Violinistin beim Beethoven-Orchester Bonn geworden ist: Mareike Neumann, die in dem Konzert zur Verabschiedung der Eheleute Neumann am kommenden Sonntag solistisch mit dem berühmten Konzert für Violine und Orchester D-Dur op. 61 von Ludwig van Beethoven zu hören sein wird.

Das musikalische Konzept

Das Fazit, was über der gesamten Arbeit mit den Musikerinnen und Musikern des NOK stand, umschreibt Neumann so: „Wichtig ist für mich immer gewesen, aus zwanzig Einzelstimmen ein musikalisches Ganzes zu formen. In Proben gibt es sehr häufig Momente, in denen die Gruppe wirklich klingt, so wie das die aktuelle Zusammensetzung ermöglicht, diese Momente könnte man als kleine Kunstwerke bezeichnen mit dem Ziel, schließlich die flexible Klangentwicklung des Ganzen zu erreichen.“

„Christoph hat in jeder Probe versucht, die Gruppe zum Schwingen zu bringen und spannungsreiche Musik zu erzeugen“, so Elisabeth Neumann über ihren Mann.

Die musikalische Handschrift des NOK wollen die beiden Musiker in dem Bestreben sehen, die Betonung in der Sprachrhythmik mit der Musik nachzuspielen. „Ich kenne eine japanische Musikerin, die extra nach Deutschland kommt, um den Rhythmus der deutschen Sprache zu studieren“, sagt Neumann, „ Mozart hat in Deutsch gedacht – oder vielleicht auch in Wienerisch – so wird z.B. der Schlussakkord, die Tonika, niemals betont. Dieses entlastende Moment ist wichtig und das und mehr wollte ich den Musikern des NOK näherbringen. Nur dann gelingt es ihnen, die Sprache der Musik an die Zuhörer richtig zu vermitteln.“

Erfolge des NOK

Und das scheint doch mehr als gelungen zu sein, durften die NOKler namhafte Solisten wie Matthias Fuchs, Barbara Baun oder Christopher Park mehrfach begleiten. So hatte man in früherer Zeit auch angehende Solisten von Musikhochschulen gefördert und zu solistischen Auftritten verholfen. Später gestaltete man jährlich Preisträgerkonzerte der Lions-Deutschland (Hessen) für den Solistenwettbewerb. Gelegentlich war das NOK Spielpartner der Thomaskantorei Hofheim, die Neumann als Kantor seit 1989 leitete und musizierte erfolgreich bei diversen oratorischen Aufführungen.

Auch Tourneen auf Einladung des Goethe-Instituts mit Unterstützung des Deutschen Musikrats nach Ägypten, Polen, Marokko und Griechenland durfte das NOK mit Neumanns erleben.

Mehrere erste und zweite Plätze bei hessischen und deutschen Orchesterwettbewerben hat das NOK unter der Leitung von Neumann gewonnen. Der Titel „Neues“ Orchester kam dabei nicht zufällig, entsprang es doch dem Wunsch, neues, lebendiges Hören zu erreichen. Beste Beispiele für diese Herausforderung, besondere Konzertprogramme zu erarbeiten, waren das Kombinationen-Programm vom letzten Herbst, wo Kompositionen bzw. Teile davon in nahtloser Folge zu überraschendem Hörerlebnis führten. Ebenso neu zu erleben waren die als Streicher-Sprecherfassung aufgeführten Vier Jahreszeiten von Antonio Vivaldi, mehrmals auch im Salzburger Land aufgeführt. Aber auch das Wagnis, sich als reines Streich(er)-Orchester musikalisch nach Griechenland zu begeben und aus verschiedenen Streichquartetten Mozarts vier Sätze zu finden, die zusammen als Streicher-Sinfonie erklangen, war von Erfolg gekrönt. Ein weiterer Höhepunkt war das Konzert, in dem Lilly Friedemanns „Griechische Tänze“ für zwei bis drei Stimmen von Elisabeth Neumann in einen fünfstimmigen Streichersatz erweitert wurden. Das griechische Publikum nahm das mit Begeisterung auf. Ein weiteres Beispiel für das Besondere ist das Konzert, als Peter Härtling nach Kronberg zur Autorenlesung über seine Schubert-Biografie kam. Einzelne Lieder aus der „Winterreise“ wurden in eine eigene Streicherfassung gegossen, die anstelle des originalen Klaviers die Zuhörer verzauberte.

Mit Frack und Outdoor-Sandalen

„Naja, da gab es schon ein paar komische Situationen“, verrät Elisabeth Neumann verschmitzt auf die Frage, ob es auch mal eine Panne gegeben habe. So geschah es einmal, dass sich womöglich durch das für Neumann charakteristische „(über-)eifrige Dirigieren“ seine Frackweste gelöst hatte und bei der Verbeugung wie ein Lätzchen nach vorne gerutscht war, ein überaus lustiger Anblick. „Einmal habe ich meine Schuhe zum Frack vergessen, da war ich bis zur Pause mit Frack und Outdoor-Sandalen auf der Bühne“, gibt Karl-Christoph Neumann lächelnd zu.

Ausgewählte Stücke zum Abschlusskonzert am 15. April

„Das NOK musiziert sehr gerne mit Mareike, zuletzt war sie die Solistin der Vier Jahreszeiten. Das Beethoven-Konzert D-Dur op. 61 für Violine und Orchester hat sie bereits in Hamburg erfolgreich solistisch aufgeführt, davon wollen wir auch noch mal profitieren“, erklärt Elisabeth Neumann zur Musik-Auswahl für das Abschlusskonzert am 15. April in der Johanniskirche. Das Quodlibet aus den „Goldberg Variationen“ von Bach, eigentlich für Klavier komponiert, hat sie für Streicher „eingerichtet“, wie es ihre Spezialität ist. Und der Hirtengesang aus der 6. Sinfonie F-Dur (Finalsatz) op. 68 von Ludwig van Beethoven mit dem Titel ‚Frohe und dankbare Gefühle nach dem Sturm‘ stellt sich Karl-Christoph Neumann als Ausklang für die ganze Arbeit mit dem NOK vor: „Der hat so einen versöhnlichen und beschließenden Charakter, eben die Ruhe nach dem Sturm.“ Außerdem gehöre Bach unumgänglich zu einem Abschlusskonzert für sie dazu, so Neumanns unisono, weil „wir diesen Musiker als den Größten sehen!“

Neumanns musikalische Zukunft

„Ich will mehr Musik machen!“, so die spontanen Worte des Meisters zur Zukunftsplanung nach dem NOK: Ein Widerspruch zum Ausstieg aus dem NOK? Nein, erklärt Neumann, denn er und seine Frau wollen schließlich nicht aktiv aus der Musik aussteigen, sondern sich mehr nur der Musik widmen in ihrer Tiefe, ohne der Notwendigkeit des organisatorischen „Vordenkens“ für eine ganze Orchestergruppe. Nicht abreißen wird allerdings die Verbindung zum NOK, wurde bei der Planung der Nachfolgersuche bereits die Möglichkeit angesprochen, dass Neumann vielleicht nochmal das ein oder andere Projekt übernimmt.

„Wir wollen den Zuhörer mitreißen!“, so mit Leidenschaft Karl-Christoph Neumann über seine Arbeit als Dirigent, „wenn man Musik macht, steht man in einem Sog, der einen nach oben zieht! Da will man immer wieder hin und daraus wächst das Bedürfnis, dies dem Zuhörer mitzuteilen.“

Wer dies noch einmal miterleben möchte, hat Sonntag, 15. April um 19 Uhr in der evangelischen Kirche St. Johann Gelegenheit dazu. Karten können in der Kronberger Bücherstube Sackis für 15 Euro (10 Euro ermäßigt) oder an der Abendkasse zum Preis von 17 Euro (12 Euro ermäßigt) erworben werden. Für Kinder bis zehn Jahren ist der Eintritt frei.



X