Leserbrief

Aktuell

Unser Leser Johannes Westenberger, M.A. Bildender Künstler und Kunstpädagoge Pfingstbrunnenstraße, Frankfurt, schreibt zur Gestaltung der Schirn und des Gehwegs vor der Receptur mit „Stadtmöbeln“ Folgendes: Als ich kürzlich von Frankfurt kommend mal wieder meine Heimatstadt Kronberg besuchte, konnte und wollte ich kaum glauben, was ich vor der Receptur und auf der Schirn zu sehen bekam: Neues Stadtmöbel.

Sicher sollten die als „Sitzgelegenheit“ gedachten groben Holzklötze und Balken originell sein, sie sind es aber nicht. Und ganz sicher sollen sie Jung und Alt zum Verweilen einladen, sie tun es aber nicht. Im Gegenteil: Sie stören und zerstören. Sie stören im Auge

eines jeden Betrachters, der noch einen Funken ästhetischen Empfinden in sich trägt und

sie zerstören das Gesamtbild dieses Altstadtbereichs.

Insbesondere dominieren sie den Platz um den Schirnbrunnen, dabei sollte dieser doch im Mittelpunkt stehen. Der Schirnbrunnen stand ursprünglich auf dem Tanzhausplatz und wurde 1737 wegen des Baus der Streitkirche dorthin verlegt. 1973 wurde mit Spenden der Cronberger Schützengesellschaft von 1398 ein neuer Schirnbrunnen errichtet, wobei Julius Hembus die Steinmetzarbeiten ausführte. Die wunderbare Bronze auf dem Schirnbrunnen hat Fritz Best geschaffen. Sie trägt den Titel „Feierabend“, als Modell diente des Künstlers Mutter. Und nun ist diese Harmonie von Brunnen und Skulptur umgeben von Holzklötzen und Balken, die an Geräte eines Trimm dich Pfades erinnern und in einer krassen, ästhetisch unverträglichen Dissonanz zu den Gebäuden, die den Schirnplatz umgeben, stehen. Ganz davon abgesehen, bilden sich im Holz bereits Risse, Wasser dringt ein, das Holz wird faulen.

Altstadt. Was bedeutet denn „Altstadt“? In diesem Begriff steckt das Wort „Alt“. Diesen

Umstand hat man bei den Verantwortlichen der Stadt, des Altstadtkreises und welcher Gremien auch immer, offensichtlich übersehen, als es darum ging, zu entscheiden, welches Stadtmöbel auf der Schirn und auf dem Gehweg vor der Receptur aufzustellen sei.

Darüber hinaus wurden bei der Entscheidung, dieses Stadtmöbel aufzustellen, genau jene Merkmale außer Acht gelassen, die gutes Möbeldesign ausmachen, insbesondere das Design von Möbel im öffentlichen Raum.

Geht es um Design oder Architektur, kommt prompt der Grundsatz „Form folgt Funktion“ ins Spiel. Im ganzen Satz heißt er: „Die Form folgt aus der Funktion“. Gutes Möbeldesign zeichnet sich also dadurch aus, dass sich ästhetische, funktionale und nutzergerechte Faktoren zu einem stilvollen, harmonischen Ganzen vereinen. Zusätzlich zu diesen Design-Grundsätzen, die bei der Gestaltung von Einrichtungsgegenständen in Wohnräumen gelten, kommen beim Design von Möbeln im freien Gelände noch weitere Faktoren hinzu.

Stadtmöbel, gerne auch als Outdoormöbel bezeichnet, sind schließlich den Einflüssen der Natur und der Witterung ausgesetzt. Deshalb haben sie zusätzliche Anforderungen zu erfüllen, in besonderem Maße gilt für sie funktionales Design. Neben allen ästhetischen Gesichtspunkten sollten sie im Idealfall wetterfest sein, nicht verwittern, sich leicht reinigen lassen, schnell abtrocknen und auch nach Jahren nichts an ihrer Schönheit eingebüßt haben. Oft ist es reines Zweckmobiliar, andererseits häufig einem bewussten Gestaltungsanspruch der jeweiligen Kommune entsprungen. Hierbei sollte darauf geachtet werden, sie durch ortsbezogene designerische Gestaltung harmonisch in das Stadtbild einzufügen. Von all dem hier Angeführten ist, was die „Möblierung“ auf der Schirn und vor der Receptur angeht, nichts zu sehen, nichts zu spüren. Nichts ist erfüllt. Die Stadt Kronberg hegt Ambitionen, sich zur Kulturstadt zu entwickeln. Solches Stadtmöbel, wie es nun präsentiert wird, liegt ganz besonders gerne wie ein Stolperstein auf dem Weg dorthin.



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