Der Kampf um Gleichberechtigung ist noch lange nicht ausgefochten

Kronberg (mw) – Dass das Frauenwahlrecht, das den Frauen heute doch so selbstverständlich erscheint, „nicht einfach vom Himmel gefallen ist“, sondern dass ihm langer Kampf vorausging, davon berichtete die Vorsitzende der AG Kronberger Frauenverbände, Christina Nicolai, in ihrer Eröffnungsrede zum internationalen Frauentag mit Preisverleihungen in der Stadthalle (siehe auch weiteren Bericht in dieser Ausgabe).

Der Kampf hatte bereits im 18. Jahrhundert begonnen. Als erste moderne Kämpferin des Frauenwahrechts gilt die Französin Loympe des Gouges, die im Laufe der französischen Revolution unter anderem die „Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin“ verfasst hatte. „Wegen ihrer Haltung wurde sie 1793 nach einem kurzen Schauprozess durch die Guilllotine hingerichtet“, berichtete Nicolai. 1832 wurde in Großbritannien die erste Petition für das Frauenwahlreicht eingereicht. Nicolai zitierte weiter die deutsche Schriftstellerin und Frauenrechtlerin Hedwig Dohm, die die damaligen Gesetze, an denen die Frauen keinen Anteil hatten, als Form der Tyrannei bezeichnete. „Die Frau besitzt wie der Sklave alles, was man ihr aus Güte bewilligt.“

Ganz allmählich seien die Stimmen für das Frauenwahlrecht erstarkt. Als erste Partei hatten die Sozialdemokraten 1891 das Frauenwahlrecht gefordert. Doch die Einführung desselben sollte noch lange auf sich warten lassen. „Nahezu in allen Ländern wurde immer wieder die natürliche Bestimmung der Frau ins Felde geführt, die sie für die Arbeit für zuhause prädestiniert, während die Politik in die männliche Welt gehöre“, erläuterte Nicolai in ihrem Rückblick auf die Entstehung des Frauenwahlrechts, doch auch mit „verminderter Intelligenz von Frauen“ sei gerne argumentiert worden.

Als Höhepunkte im Erstreiten des Stimmrechts gelten 1904 die Gründungskonferenz des Weltbundes für Frauenstimmrecht und 1907 die Gründung der sozialistischen Fraueninternationale, in deren Folge 1911 der 1. internationale Frauentag stattfand, der mehr als eine Million Frauen zum Protest bewegt hatte.

Sieben Jahre nach dem ersten internationalen Frauentag wurde 1918 dann die Forderung der Frauenbewegung endlich erfüllt und das Frauenwahlrecht eingeführt. „Ein jahrzehntelanger Kampf hatte sein Ende gefunden“, so Nicolai. Es sollten noch vier Jahrzehnte vergehen, bis die Gleichberechtigung im Grundgesetz verankert wurde: Erst im Jahr 1977, innerhalb der zweiten Frauenbewegung, waren es Gerichtsurteile, die dazu führten, das Bürgerliche Gesetzbuch zu ändern, erinnerte Nicolai. Erst seitdem dürfen Frauen ohne Einwilligung des Ehemannes arbeiten gehen.

„Und wo stehen wir heute?“, fragte Nicolai ihre Zuhörer. Das Wahlrecht sei der Schlüssel zur Gleichberechtigung, zur Teilhabe, zum Mitgestalten. „Wir Frauen und Männer entscheiden heute täglich, wie wir in Deutschland gemeinsam leben möchten. Und es ist an uns allen, immer wieder zu fragen, wie wir die Chancengleichheit weiter erhöhen können“, sagte sie.

Menschen könnten Vorbild sein: als Frau beispielsweise selbstbewusst eine neue Position annehmen, als Mann ebenso selbstbewusst in Elternzeit gehen und als Arbeitsgeber über flexible Arbeitszeiten und Kinderbetreuung nachdenken.

Und sie mahnte die Frauen: „Wir können nicht die völlige Gleichberechtigung fordern, gleichzeitig aber bei Bedarf das schwache Geschlecht bleiben wollen, das sich an die starken Schultern eines Mannes lehnt oder Schutz und besondere Rücksichtnahme einfordert. Nichts gibt es umsonst“, betonte die Vorsitzende der AG Kronberger Frauenverbände.

In jedem Fall bestehe auch heute noch großer Handlungsbedarf: Man müsse nur auf den Frauenanteil im Bundestag schauen, der mit 30,6 Prozent auf den Stand von vor 20 Jahren gesunken sei. Oder auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und die schlechtere Entlohnung von Frauen als weitere Indizien dafür, dass es noch viel in Sachen Gleichberechtigung zu tun gibt. Dabei erschüttere der Blick nach Amerika auf den rassistischen, nationalistischen und sexistischen Kurs des Präsidenten Trump „noch tiefer“.

Die Arbeitsfelder in Sachen Gleichberechtigung sieht auch die städtische Gleichstellungsbeauftragte, Heike Stein, die von Seiten der AG Kronberger Frauenverbände für ihre vielfältige, engagierte Arbeit in puncto Gleichberechtigung mit Applaus bedacht wurde, nicht schwinden. Sie erinnerte an die nach wie vor bestehende Lohnungleichheit von Frau und Mann bei gleicher Qualifikation, den Kampf um verlässliche Betreuungszeiten, sowie die Tatsache, dass die Familien-, Sorge- und Pflegearbeit noch immer „männerfreie Zone“ seien und ein Stolperstein im beruflichen Vorankommen von Frauen. „Es müssen sich neue Allianzen herausbilden, in denen verändertes Rollenverhalten beider Geschlechter möglich und akzeptiert werden und es müssen neue Arbeitszeitmodelle her“, warb sie, den Weg zur tatsächlichen Gleichberechtigung weiterzugehen.

Auch ließ sie nicht unerwähnt, dass das Thema häusliche Gewalt von Frauen und Kindern für sie als Frauenbeauftragte „leider immer neu und aktuell ist“. Es seien noch viele Schritte in Richtung Chancengleichheit nötig. „Für mich steht im Mittelpunkt das Ziel einer gleichberechtigen Teilhabe von Frauen. Es geht außerdem um Entgeltgleichheit und darum, die Gleichstellungspolitik verbindlich umzusetzen und sie transparent zu gestalten.“



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