„die hannemanns“ spielen – und stellen sicher Gewähntes auf den Kopf

Das Ehepaar Schaffer (Katrin Lena Greiner und Jürgen Völger), in Erwartung ihrer Gäste, haben allen Grund, angespannt zu sein. Fotos: Westenberger

Kron
berg (mw) – „Wenn die Gäste fort sind, wird sich nichts geändert haben!“ Das jedenfalls hofft Henry Schaffer (Jürgen Völger), in „Herr und Frau S. in Erwartung ihrer Gäste“, einem der beiden Einakter zum Thema „Besuch“. Doch genau das wird der Fall sein. Genauso wie beim zweiten Einakter, den die Theatergruppe „die hannemanns“ für ihr Publikum im Recepturkeller ausgewählt hat: „Besuch bei Katt und Fredda“, einem Jugendstück von Ingeborg von Zadow. Henry Schaffer und Anne Schaffer (Katrin Lena Greiner) haben sich zum achten Hochzeitstag etwas besonderes einfallen lassen, sie wollen sich vom anderen überraschen lassen: Jeder von ihnen soll Besuch einladen, den der Partner nicht kennt. Den bekanntlich ist das, „was zu sehen ist, nicht alles.“ Laut Abkommen wollen sie sich dabei nichts ersparen. Beide, Katrin Lena Greiner als auch Jürgen Völger haben sich hineingefunden in ihre nicht ganz einfachen Rollen: Sie, die äußerst nervöse Ehefrau ob der Abmachung: Wie wird ihr Ehemann auf ihren Besuch reagieren, der eine Reihe von Ereignissen offen legen wird, die sie ihrem Ehemann bis dato alle verschwiegen hat? Während sie gemeinsam auf ihre Gäste warten, steigt die Anspannung der beiden, die er hinter einer scheinbar gelassenen Fassade versteckt. Anne Schaffer soll schließlich, nachdem sie ihrem Mann keinen Hinweise auf seine Gäste entlocken kann, die „Spielregeln“ brechen und ihn vor Eintreffen der Gäste bereits ihre Geschichte erzählen … Für den ahnungslosen Ehemann gerät das so vertraute Bild seiner Frau, die er seit acht Jahren so gut zu kennen glaubt, ordentlich ins Wanken. Nach seinem ersten Schreck über die „blinden Flecken“ auf der Landkarte des Lebens seiner Frau, scheint er sich damit zu arrangieren, dass sie ihm entscheidende Dinge nicht anvertraut hat. Angesichts ihrer Offenbarung fasst er Mut, was seine Vergangenheit anbetrifft, auch ihr reinen Wein einzuschenken. Die Spannung erreicht ihren Höhepunkt, als Anne Schaffer klar wird, dass ihr Mann seit Jahren ein noch viel größeres dunkles Geheimnis hatte ... In kürzester Zeit, und noch vor Eintreffen der Gäste hat sich das Leben des Paars komplett verändert, das neue Wissen um das jahrelange „Nicht-Wissen“ erschüttert ihre Ehe. Anne Schaffer ist tief getroffen von den Offenbarungen ihres Ehegatten, der eben noch so sicher scheinende Boden gerät ins Schwanken und droht sie in die Tiefe zur reißen. Nichts ist , wie es war, „alles ist hinfällig“. Als die Gäste endlich klingeln, sitzt eine heulende und völlig verzweifelte Ehefrau auf dem Sofa, die Katrin Lena Greiner am Premierenabend leidenschaftlich überzeugend zu spielten vermochte. Ob es den beiden nach diesem Abend der Überraschungen überhaupt gelingt, weiter gemeinsam ihren Weg zu beschreiten, ist plötzlich völlig ungewiss.

Genauso ungewiss wie die Zukunft von Katt (Karin Krantz) und Fredda (Dagmar Sill), nach ihrem Gast Miranda (Angelika Mosig-Miers). Bis dahin lebten die beiden in vertrauter Zweisamkeit. Während Katt schon hin und wieder neugierig auf die Welt draußen ist und kurzzeitig ins Wanken gerät, ob ihr die vertraute Zweisamkeit, die Fredda so liebt, „weil man weiß, was man hat und wo es ist“, nicht zu eng und langweilig wird, ist Fredda zufrieden mit ihrer kleinen Idylle. Als Miranda klingelt, gerät deren Freundschaft innerhalb kürzester Zeit massiv ins Wanken. Denn es ist Fredda, die sich schließlich von Miranda dermaßen beeindruckt zeigt, dass Katt sich ausgeschlossen fühlt. Es entsteht eine Spirale von Eifersucht, Zu- und Abwendung und Manipulationsstrategien mit dem Ziel, eine auszubooten, denn es wird schnell offensichtlich: Hier ist nicht Platz für Drei, wo alles auf die Zweier-Harmonie ausgerichtet ist. Am Ende muss die „Neue“ wieder gehen, hatte sie es als „König Gast“ doch beinahe geschafft, Fredda so zu bezirzen, dass Katt das Weite suchen wollte. Doch da besann sich Fredda gerade noch rechtzeitig auf das, was ihr so wichtig ist, das Bekannte, Vertraute und setzt Miranda eigenhändig vor die Tür. Auch in diesem zweiten Einakter haben die drei Damen eine ganze Bandbreite von Gefühlsregungen zu spielen und meistern ihre Dialoge mit Bravour. Das Stück lässt sich auf unendlich viele Situationen im Leben adaptieren, in denen ähnliche Empfindungsmuster ablaufen, allein weil durch die ungerade Zahl Drei bei Entscheidungen immer einer in der Minderheit ist. Was bleibt, ist die Gewissheit, dass sich zwischenmenschlich auch hier nach kürzester Zeit einiges verändert hat. Zwar finden sich Katt und Fredda wieder in ihrer scheinbar glücklichen Idylle. Aber Katts Sehnsucht nach Veränderung ist nicht geringer geworden und sie weiß: „Ein Mensch verschwindet nicht einfach so, es bleibt etwas zurück, eine Geschichte!“ Und die wird die Zukunft der beiden ebenfalls beeinflussen, genauso wie das Publikum sich von beiden Stücken zum Nachdenken über das Thema „Veränderung“ anregen ließ. „Eine Komödie zu spielen, ist für Amateurtheaterspieler wie uns wesentlich einfacher“, weiß Elke Grünhagen von den „hannemanns“, die im ersten Einakter als Souffleuse mitwirkte. Diese beiden Stücke seien in ihrer Bandbreite an Emotionen für die vier „hannemanns“ als auch die jeweilige Regie in jedem Fall eine Herausforderung gewesen. Gemeistert haben sie „die hannemanns“ mit Bavour – textsicher, wenig steif und dafür emotionsgeladen. Und den Gästen der „hannemanns“ gefiel‘s. Wer die beiden Einakter zum Thema „Besuch“ vergangenes Wochenende verpasst hat, kann die Stücke am 19. Januar um 20 Uhr in der „Alten Wache“ in Oberstedten, am 17. Februar um 19 Uhr im Altkönig-Stift Kronberg und am 18. Februar um 19 Uhr noch einmal im Recepturkeller sehen. Ein Besuch lohnt.

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