„die hannemanns“ als Glücksucher

Nur einer in dieser Geburtstagsrunde ist sich des Glücks bewusst, alle seine Lieben an einem Tisch zu haben. Das ist „Gerry“ (Wolfgang Thöns, rechts), der mit seinen Söhnen, dessen Ehefrau und Freundin den Geburtstag seiner Ehefrau Laura (Carmen Töpfer, links) feiert.

Fotos: Westenberger

Kronberg (mw) – Von Gastregisseur Harald Soldan fällt nach dem ersten Akt des Stückes „Glückliche Zeiten“ von Alan Ayckbourn, das die Kronberger Theatergruppe „die hannemanns“ in der Stadthalle spielen, langsam die Anspannung ab. Bis jetzt haben die acht Laienschauspieler ihre Rollen souverän gemeistert und das Publikum verfolgt gebannt die Geschichte über die Suche nach dem Glück dreier Paare. „Als ich das Stück das erste Mal gelesen habe, habe ich es wie einen Krimi verschlungen“, erzählt Soldan, der normalerweise in Neu-Anspach eine 14-Personenbühne betreut, in der Pause. Seit April dieses Jahres nun haben „die hannemanns“ mit ihm zusammen gearbeitet, um dieses facettenreiche Stück, das am Ende der ersten Szene in Handlung und Zeit gesplittet wird, auf die Bühne zu bringen. Die Zuschauer erleben zunächst das Ende einer Familienfeier im Restaurant. Gerry Stratton (Wolfgang Thöns), Inhaber einer Bau- und Transportfirma feiert den Geburtstag seiner Frau Laura (Carmen Töpfer). Eingeladen sind seine zwei Söhne, der ältere, Glyn (Gastspieler Gero Teufert) mit seiner Frau Stephanie (Katrin Lena Greiner) und der jüngere Sohn Adam (Thomas Sterzel) mit seiner Freundin Maureen (Annette Sterzel).

Schnell wird klar, dass das Idyll täuscht: Bei Laura und Gerry steht die Ehe auf dem Spiel – sie wagen gerade einen Neuanfang, während Laura und Gerry sich mit unerwarteten Geständnissen überraschen, die sie beide auf ganz unterschiedliche Weise aus der Bahn zu werfen drohen. Und dann ist das noch der Lieblingssohn von Laura, Adam, beruflich als auch bei der Auswahl seiner Partnerinnen Lauras verhätscheltes Sorgenkind. Laura: „Was soll bloß aus Adam werden.“ Gerry: „Keine Ahnung, er ist wie Du, Dich habe ich auch nie verstanden!“ Aber Gerry liebt seine egozentrische Frau und seine Söhne, im Gegensatz zu seiner Ehefrau, die sich für ihren eigenen Sohn Glyn nicht erwärmen kann, Adam jedoch vergöttert. Und das, obwohl er seinen Sohn Adam nicht versteht: „Er ist ja ein netter Junge, dein Sohn, aber meiner Meinung nach hat er einen Fehler in der Festplatte.“

Stück für Stück entwickelt sich in Rückblenden zu Adam und Maureen und Vorblenden zu Stephanie und Glyn – Begegnungen, die allesamt im Restaurant stattfinden – die ganze Story. Sie lädt zum Nachdenken ein über das Glück, das alle Menschen suchen, doch nur wenige finden, oder den Moment nicht erkennen, wenn sie es in den Händen halten. Nachdenklichkeit kommt auf, als die Zuschauer erkennen, dass Lauras und Gerrys Ehe nicht zu kitten ist. Oder verfolgen müssen, dass Adam seine schrille Friseuse Maureen zwar liebt, aber nicht vermag, sich den Konventionen seiner Mutter zu widersetzen, die Maureen als nicht standesgemäß für ihren Sohn empfindet. Mit den Dialogen, die an keiner Stelle langweilen und die alle Schauspieler über den langen Abend vortrefflich meistern, werden die Brüche zwischen den Paaren von Minute zu Minute offensichtlicher. Beim Zuschauer wächst die Gänsehaut, Unbehaglichkeit macht sich breit als klar wird: Alle drei Beziehungen werden enden, wenn auch aus ganz unterschiedlichen Beweggründen. Diesem unaufhaltsamen Prozess unterbrechen nur die Kellner, Michael Hoffmann, der gleich drei Kellnertypen, einen so komisch wie den anderen, verkörpert, und Jürgen Völger als Restaurantchef und Reinigungsfachkraft.

Die Kunst des Schauspiels ist und bleibt, das weiß der Regisseur Harald Soldan aus Erfahrung, nicht nur viel Text auswendig zu lernen. Den hat man bei diesem Stück mehrmals kürzen müssen, weil das Stück sonst mindestens drei Stunden gedauert hätte. Vielmehr geht es darum, dass den Schauspielerin gelingt, ihren Figuren Leben einzuhauchen. Wolfgang Thöns muss fühlen, er ist der Chef eines wichtigen großen Unternehmens, nur dann kann er als solcher auftreten. Und Carmen Töpfer als Laura, liebt vor allem sich selbst und ihren Sohn Adam. „Das muss der Zuschauer schon bei der Begrüßung ihrer Kinder spüren“, erklärt Soldan, indem „sie sie unterschiedlich behandelt.“ Geprobt haben die acht Darsteller mit ihrem Regisseur seit April, einmal pro Woche, teilweise auch in drei Gruppen parallel, was gut umsetzbar war, weil nur zur Anfangs- und Schlussszene alle Mitspieler gemeinsam auf der Bühne stehen. Und der Einsatz aller Mitwirkenden hat sich gelohnt, denn das abendfüllende Stück bleibt bis zur letzten Minute spannend. Nachdem sich alle Akteure „warmgespielt“ hatten, gelingt es jedem von ihnen, ihre Rollen überzeugend zu verkörpern, Annette Sterzel als flippige Friseurin, Thomas Sterzel als Müttersöhnchen und besonders Katrin Lena Greiner in ihrer Wandlung der zunächst verzweifelten, ergebenen, dann sitzen gelassenen Ehefrau hin zu einer zufriedenen, ihr Leben anpackenden Frau in einer neuen Beziehung.

Am Ende blicken die Zuschauer auf den Kreis der Geburtstagsfeiernden, die ihr persönliches Glück suchen, aber es nicht finden. Dafür sind die Amateurschauspieler nach vollbrachtem Werk umso glücklicher, das anfängliche Lampenfieber aller Akteure, hinter der Bühne genauso wie auf der Bühne ist längst vergessen und „die hannemanns“ freuen sich über den lang anhaltenden, verdienten Applaus.

Zu den Mitwirkenden gehören Daniela Freudenberg und Jürgen Völger (Produktionsleitung), Susan Schmorl und Monika Köbel (Souffleusen), Daniela Freudenberg (Bühne und Requisiten), Michelina von Teuffenbach (Kostüme), Patrick Oberdörfer und Harald Soldan (Ton und Licht), Anette Modanese und Christine Bandy (Maske und Frisuren), als Nachwuchskräfte Maria Freudenberg und Luise Greiner (Bühnenhelferinnen) sowie Carola Nierendorf zur allgemeinen Unterstützung.

Nach zwei Auftritten in der Stadthalle werden „die hannemanns“ mit „Glückliche Zeiten“ am 23. Februar in Liederbach in der Liederbachhalle noch einmal zu sehen sein. Ebenfalls im Februar geplant ist ein Tucholsky-Abend, gefolgt im Herbst 2019 von dem Stück „Die Porzellanfraktur“, einer Kriminalkomödie von C.B. Gilford.

Eheglück sieht anders aus ...Katrin Lena Greiner als „Maureen“ mit Gero Teufert, der ihren Ehemann „Glyn“ spielt und Jürgen Völger als Restaurantchef.

Überraschungen erleben sie an diesem Abend beide: Carmen Töpfer als „Laura“ und Wolfgang Thöns als „Gerry“, ihren Ehemann.

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