„die hannemanns“ – herzerfrischend „In alter Frische“

„Wer soll denn das verstehen?“ Paula (Daniela Freudenberg) brütet über ihrem Lernstoff, während sich rechts das sonntägliche „Trivial-Pursuit“-Quartett im Seniorenresidenz-Zimmer von Ludwig (Wolfgang Thöns, ganz rechts), trifft. Foto: Westenberger

Kronberg (mw) – Die Stadthalle ist am Premierenabend voller erwartungsvoller Theater- und „hannemanns“-Freunde. Schließlich steht die Kronberger Amateurtheatergruppe seit vielen Jahrzehnten und über die Grenzen Kronbergs hinaus zuverlässig für gute Unterhaltung und das durchaus nicht nur mit leichter Kost, auch ernste und kritische Stücke setzten sie gelungen um. Doch in diesem November durften sich die Besucher auf eine Komödie, das Sechs-Personenstück „In alter Frische“, von Stefan Vögel, freuen. Das Stück handelt von vier Altersheim-Bewohnern, die sich sonntäglich zum „Trivial Pursuit“-Spielen bei Ludwig von Schwitters auf dessen Zimmer (vortrefflich ausgestattet mit antiken Erinnerungsstücken) treffen. Ludwig von Schwitters, ehemaliger Direktor einer Elite-Schule in der Schweiz, nutzt seine Intelligenz in erster Linie dazu, seinen Spielpartnern seine Überlegenheit zu demonstrieren, was den pensionierten und maulwurfsblinden Bahnhofsvorsteher Norbert Klinke (Michael Hoffmann) zur Weißglut treibt. Nicht viel weniger regt er sich jedoch über seinen weiteren Mitbewohner und geselligen Mitspieler Franz Josef Lojewski (Jürgen Völger) auf, da er nur schwer Geduld für dessen mitunter verwirrten Zustand aufbringen kann, weil er im entscheidenden Moment dann plötzlich doch die entscheidende Antwort weiß. Die Vierte im Bunde, Elisabeth Kerr (Elke Grünhagen) fällt die Schlichterrolle zu. „Die hören sich an wie ein altes Ehepaar“, flüstert eine Dame aus der zweiten Reihe. Ein Wortduell, jedes Mal mit einer Portion Humor gespickt, folgt auf das Nächste, und nachdem sich die Vier-Amateurschauspieler nach den ersten zehn Minuten etwas frei gespielt haben, werden die Lacher im Publikum ob der Sprachgewandtheit des Snobs Ludwig von Schwitters zunehmend lauter. Der lässt nämlich keine Möglichkeit aus, seine Mitwohner zynisch und unverblümt zu beleidigen, ja mit großem Genuss zu filetieren. Halt macht er dabei auch nicht bei Schwester Isolde (Carmen Töpfer): „Hören Sie, Panzerkreuzer!“, sagt er zu der resoluten Krankenschwester. „Nicht in diesem Ton. Sie mögen ja aussehen wie eine Bauernmagd, aber das hier ist kein Viehstall.“ In das Viererzweck-Bündnis – Alleinsein ist wohl schlimmer und irgendwie mögen sie sich eben doch, allen voran Elisabeth den Ludwig; kommt Bewegung, als Paula Pfitzner (Daniela Freudenberg) in die Runde tritt. Der alte Ludwig trifft auf die junge Paula, weil sie den Medizinstudenten ablöst, der ihm sonntags immer sein Essen auf seinem feinen Restaurant vorbeibringt und diverse Botengänge für ihn erledigt. Größer können Kontraste kaum sein, denn der Vollblutpädagoge muss jetzt eine Mischung aus Denglisch und Jugendslang mit Hip-Hop-Elementen ertragen.

Außerordentlich erfahren auf dem Gebiet, Mitmenschen möglichst schnell zu vergraulen, ist er die ungebildete, aber forsche Paula beinahe gleich wieder los. Doch Ludwig von Schwitters kann sich auch entschuldigen – überhaupt, der eingebildete ehemalige Schuldirektor, überzeugend gespielt von Wolfgang Thöns, ist auf seine verschrobene Art irgendwie trotzdem liebenswert. Jedenfalls fühlt er sich an seiner Pädagogenehre gepackt, und will der in der Kindheit vernachlässigten Paula doch noch zu einem Schulabschluss verhelfen. Zwischen ihnen entwickelt sich ein Vater-Tochter-Verhältnis, das ihn über seine eigenen schwerwiegenden Fehler, die er gemacht hat und die der Grund sind, warum Tochter Franziska ihn nicht besuchen kommt, ein wenig hinweg tröstet. Die junge Paula alias Daniela Freudenberg rappt „den Alten“ übrigens so richtig was vor. Auch sie spielt souverän die freche wie liebenswerte Paula, an die noch keiner glaubte, „nicht einmal ich selbst“, und in der doch so viel Potenzial steckt, das Ludwig tatsächlich zu wecken vermag, in dem er sich ihrer annimmt. Auch die beiden anderen Herren und die eine Dame verstehen, ihre Rollen auszufüllen, wenn sie auch, neben Paula und Ludwig blasser wirken. Das mag an der Stefan Vögels Vorlage liegen, die die spannendsten Textpassagen und Charaktere eben Ludwig und Paula zugesteht. Auf der anderen Seite beweist Carmen Töpfer in ihrer kleinen Rolle als „Panzerkreuzer“ Schwester Isolde, dass es mit aussagekräftigem Spiel und Mimik keine große Rolle braucht, um das Publikum für sich zu gewinnen.

Das witzige als auch warmherzige Stück und die Hobbytheaterspieler halten ihr Publikum jedenfalls zu jedem Zeitpunkt am Ball und vermögen die Spannung im zweiten Teil nach der Pause auch zu steigern: Denn da gilt es Ludwigs 80. Geburtstag gebührend zu feiern ... Welche Wendungen der mit Paula als Fünfte im Bunde nimmt und wie Carola Nierendorf und M. Michelina von Teuffenbach als Regieteam die Geschehnisse gemeinsam mit den Spielern umgesetzt haben, das können all diejenigen, die „die hannemanns“ jetzt verpasst haben, trotzdem noch sehen. Denn sie spielen „In alter Frische“ noch einmal Samstag, 26. November um 20 Uhr im Bürgerhaus Glashütten und Sonntag, 27. November um 17 Uhr im Dorfgemeinschaftshaus Idstein-Eschenhahn.

Weitere Artikelbilder



X