Eine Fußgängerzone zum Flanieren als neues Herzstück der Altstadt

Bürgermeister Klaus Temmen (rechts) und Altstadtkreis-Vorsitzender Hans Willi Schmidt schritten zur Tat Fotos: S. Puck

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Kronberg (pu) – Ein junges Ehepaar schlendert mit seinem Kind Gründonnerstagmittag zwischen Frankfurter Tor und Schirnplatz mittig die Straße entlang. Eine scheinbar alltägliche Szene, doch das Besondere an dieser Situation, nur wenige Minuten zuvor hätten die drei Passanten garantiert mindestens einem von hinten heranbrausenden Auto ausweichen müssen.

„Sehen Sie, dieses Bild führt anschaulich vor Augen, was wir mit der Fußgängerzone bezwecken und unter Steigerung der Aufenthaltsqualität verstehen“, kommentierte Bürgermeister Klaus Temmen (parteilos) die Szene. Gerade hatte er gemeinsam mit dem Vorsitzenden des Altstadtkreises, Hans Willi Schmidt, in Anwesenheit von Mitgliedern von Magistrat und Stadtverwaltung, vorbereitenden Gremien, Bürgern und Pressevertretern, das auf die nunmehr geänderte Verkehrsführung hinweisende Straßenschild enthüllt und den mindestens sechsmonatigen Testbetrieb offiziell gestartet.

Regelung und Hinweise

Demzufolge ist der Bereich zwischen Frankfurter Tor und Schirnplatz – die untere Friedrich-Ebert-Straße – nunmehr in erster Linie den Fußgängern vorbehalten. Daneben sind nur noch Radfahrer zugelassen, die Schrittgeschwindigkeit einzuhalten haben, zufahrtsberechtigte Kraftfahrzeuge mit Ausnahmegenehmigungen und zeitlich auf werktags von 7 bis 11 Uhr begrenzter Lieferverkehr. In den letzten Monaten wurden alle Geschäftstreibende im Bereich der Fußgängerzone durch ein städtisches Informationsschreiben instruiert, ihre Lieferanten über die Neuerungen zu informieren. Die Stadt weist ferner darauf hin, dass unter dem Begriff Lieferverkehr ausschließlich zur Führung und Aufrechterhaltung eines Geschäfts- oder Gewerbetriebes erforderliche und geschäftsmäßige Lieferverkehre zu verstehen sind.

„Die ganze Maßnahme wird mit der Disziplin aller stehen oder fallen“, erklärt Volker Humburg mit Nachdruck. Für die Sicherstellung der Einhaltung der Verkehrsregeln sei man gewappnet. „Die Beschilderung hat den Anspruch, auch beachtet zu werden. Sie ist maßgeblich!“ Also Achtung, auch alle Urlaubsrückkehrer, die die Neuerung nicht mehr auf dem Schirm haben. Anwohner und Hauseigentümer im Bereich der Fußgängerzone erhalten auf Nachweis im Bürgerbüro einen Berechtigungsschein zur Einfahrt. Entsprechende Antragsformulare gibt es sowohl im Bürgerbüro als auch im Fachreferat Sicherheit und Straßenverkehr im Rathaus. Darüber hinaus steht der Antrag auf der Homepage der Stadt Kronberg im Taunus als Download zur Verfügung. Eventuell offene Fragen beantwortet der Fachbereich Sicherheit und Ordnung unter der Telefonnummer 703-1231.

Wer dennoch mit dem Auto in die Altstadt gelangen muss, kann dies fortan über die Tanzhausstraße, von der Hainstraße kommend. Hier wurde die Fahrtrichtung gedreht. Die Einfahrt in die Altstadt aus Richtung Norden ist nach wie vor möglich, die Ausfahrt erfolgt jedoch ebenfalls wieder in nördlicher Richtung. Die Einfahrt von Taxis in die Fußgängerzone ist nicht erlaubt. Es wird auf den zentralen Taxistand in der Katharinenstraße verwiesen.

25 Jahre

Dem in Kraft getretenen Testbetrieb ging „ein langer Weg voraus“, wie der Rathauschef die jahrzehntelangen Diskussionen zur finalen Entscheidungsfindung umschrieb. Er erinnerte in diesem Zusammenhang an die Gründung des Aktionskreises Lebenswerte Altstadt vor 25 Jahren, der auf der ungelösten Diskussion zur Verkehrsführung in der Altstadt basierte. Seitdem wurde um eine tragbare Lösung zur Reduzierung des Durchgangsverkehrs und Aufwertung der Aufenthaltsqualität gerungen.

Spürbar Zug kam vor drei Jahren in die Angelegenheit, als sich das von Wirtschaftsförderer Andreas Bloching moderierte Beratungsteam Einzelhandel Kernstadt Kronberg (BEKK) der Angelegenheit annahm und schließlich einen Vorschlagskatalog als weitere Diskussionsgrundlage erstellte unter der Prämisse, sowohl die Belange von Einzelhandel und Gewerbe, Tourismus, Gastronomie und Kultur als auch die der Anwohner und Anlieger „unter einen Hut zu bekommen“. Eine wahre Herkulesaufgabe, da jahrelang zwar größtenteils Einigkeit über den suboptimalen bisherigen Status Quo herrschte, das Dauerbrennerthema mangels „Ei des Kolumbus“ allerdings ungelöst blieb. Das Ergebnis einer im letzten Jahr durchgeführten schriftlichen Umfrageaktion bei 50 im Bereich Friedrich-Ebert-Straße/Tanzhausstraße liegenden Einzelhändlern und Gastronomen ließ ebenfalls ein klares Meinungsbild vermissen. Nichtsdestotrotz sprachen sich immerhin zwei Drittel für eine Veränderung aus.

Höchste Akzeptanz

Bürgermeister Temmen betonte am Donnerstag auf einem Rundgang mit der Presse nochmals, die von ihm als Leiter der Ordnungsbehörde getroffene finale Entscheidung für die so genannte „Bypass-Variante“ mit einer jetzigen Verkehrsführung sei das Ergebnis umfangreicher Betrachtungen verschiedener Verkehrsführungsvarianten in den zuständigen Gremien, bei öffentlichen Veranstaltungen und nach Abwägung aller Aspekte die Lösung mit der höchsten Akzeptanz aller Beteiligten. In den Entscheidungsprozess waren insbesondere auch der Einzelhandel, die Gastronomie, die Anlieger und die Bürgerschaft eingebunden. „Es gab Workshops und Informationsveranstaltungen zur Beteiligung, die auch gut angenommen worden sind“, erinnerte der städtische Sprecher Andreas Bloching.

Wichtige Rolle

So belangvoll allein schon eine deutliche Verkehrsverringerung des Durchgangsverkehrs für diesen Bereich wäre – die neu eingerichtete Fußgängerzone steht und fällt, darin sind sich alle vorantreibenden Befürworter dieses Projekts einig, mit der Nutzung der geschaffenen Voraussetzungen. An dieser Stelle schließt sich der Kreis, denn mit im Boot ist der Altstadtkreis, der anlässlich seines 25-jährigen Vereinsbestehens aus eigenen Mitteln Sitz-Möbelierung aus Eiche als eigenen Beitrag zur Aufwertung finanziert hat (Spendensumme 14.500 Euro).

„Aufenthaltsqualität misst sich nicht daran, dass man mit dem Auto vor die Tür der Einzelhändler fahren kann, vielmehr haben viele andere Städte bewiesen, Fußgängerzonen werden mit Leben erfüllt durch Menschen, die flanieren, zum Essen und Trinken verweilen und ihren Einkaufsbummel genießen“, unterstrich Altstadtkreis-Vorsitzender Hans Willi Schmidt. Sein Dank galt allen Projektbeteiligten für die „intensive Zusammenarbeit bei der Realisierung einer weiteren Aktion „Bürger für Bürger und Vereine für Vereine“. Einzelhandel und Gastronomie spielen in Sachen Steigerung der Aufenthaltsqualität ebenfalls eine wichtige Rolle. Sie haben zusätzliche Flächen erhalten, die sie für ihre Zwecke nutzen können. Das Projekt „Fußgängerzone“ wird abgerundet durch noch aufzustellende Pflanzkübel sowie verschiedene Veranstaltungen, unter anderem ein offizielles Eröffnungsfest am Samstag, 14. April von 10 bis 16 Uhr, das in Kooperation mit dem Aktionskreis Lebenswerte Altstadt und unter Beteiligung der Einzelhändler, Gastronomen und vieler weiterer Gruppen organisiert wird. Nähere Details zu Terminen und Art der Veranstaltungen werden nach den Osterferien bekannt gegeben.

„Man muss ins Gelingen verliebt sein, nicht ins Scheitern!“

Bürgermeister Klaus Temmen zitierte abschließend den deutschen Philosophen Ernst Bloch „Man muss ins Gelingen verliebt sein, nicht ins Scheitern!“ und gab zum wiederholten Mal seiner Hoffnung Ausdruck „eine Steigerung der Aufenthaltsqualität für den Schirnplatz und wesentliche Bereiche der Friedrich-Ebert-Straße, sowohl für Fußgänger als auch für die Gastronomie und den Einzelhandel“ werde gelingen.

Waren dem Testbetrieb bereits umfangreiche Erhebungen wie beispielsweise Verkehrszählungen vorausgegangen, schließt sich in den kommenden Monaten eine umfangreiche Analyse mit Befragungen, Beobachtung der Verkehrsflüsse und einigem mehr als Grundlage einer abschließenden Beurteilung über die Fortführung der geänderten Verkehrsführung an. Das Ergebnis wird, so Temmen, gegen Ende der mindestens sechsmonatigen Probephase bekannt gegeben.

Trotz aller sorgfältigen Vorbereitung des Testbetriebs rechnet das Rathaus nach den Worten Temmens mit womöglich nachzujustierenden Stellschrauben während der „Einschwingphase“. Eventuell notwendigen Handlungsbedarf müsse die Praxis zeigen. Falls im einen oder anderen Fall Probleme auftreten, werde versucht, Lösungen zu finden. Dennoch ließ es die Stadtverwaltung in den letzten Wochen an Deutlichkeit nicht vermissen, dass auf die strikte Einhaltung der neuen Regelung wachsam geachtet wird. Nachdem der erste Ärger über „Knöllchen“ bereits am Ostersamstag laut wurde (siehe auch die Flugbeobachtungen des Kronkäuzchens), wies auf entsprechende Nachfrage Erster Stadtrat Robert Siedler (parteilos) nochmals daraufhin, nach zahlreichen Publikationen über den Entwicklungsprozess, stattgefundenen Bürgerinfo-Veranstaltungen, verteilten Flyern und mehr könne vonseiten der einheimischen Bevölkerung keinesfalls davon die Rede sein, „von nichts gewusst zu haben“. Daher müssten die Kronberger seit Inkrafttreten des Probebetriebs am Gründdonnerstag bei Regelverstößen mit Verwarnungsgeld rechnen. Lediglich auswärtige Besucher würden zurzeit noch „höflich auf die neue Situation“ hingewiesen.

Alle wesentlichen Projekt-Informationen sind weiterhin der PDF-Präsentation zum Informationsabend „Geänderte Verkehrsführung Altstadt“ zu entnehmen, die als PDF zum Download auf der städtischen Homepage (www.kronberg.de) verfügbar ist. Der Flyer liegt in ausgewählten Geschäften und Gastronomiebetrieben der Kronberger Altstadt sowie im Bürgerbüro, Berliner Platz 3-5 aus und wurde als Beilage im Kronberger Bote (Ausgabe 8. März 2018) an über 10.000 Haushalte in der ganzen Stadt verteilt.

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