Von Frauenkarrieren und Vorurteilen, die sie immer noch blockieren

Kompetent und anschaulich erläuterte Professor Dr. Isabell Welpe beim Campus Kronberg Gespräch „Accent on Leadership“, was die Karrieren von Frauen blockiert.

Foto: Wittkopf

Kronberg (pf) – So viele weibliche Gäste wie beim jüngsten Campus Kronberg Gespräch in den Räumen von Accenture sieht man bei einem solchen Anlass dort selten. Das lag sicherlich an dem vor allem für weibliche Führungskräfte, die auf der Karriereleiter noch weiter nach oben streben, besonders interessanten Thema: „Unconscious Bias – Warum Karrieren von Frauen in Deutschland durch Vorurteile stark geblockt werden“. Frank Riemensperger, Vorsitzender der Geschäftsführung von Accenture, hatte dazu eine ebenso charmante wie kompetente Wissenschaftlerin eingeladen: Professor Dr. Isabell M. Welpe von der Technischen Universität München, die dort den Lehrstuhl für Strategie und Organisation inne hat.

Bei Accenture in China seien erstaunlicherweise bereits die Hälfte der Führungskräfte weiblich, weltweit gesehen seien es aber nur ein Drittel. „Uns gehen die Frauen auf dem Weg in die Geschäftsführung verloren“, meinte er. Nach einem Vortrag von Professor Welpe, den er kürzlich erlebte, habe er erstmals verstanden, was dahinter steckt. Daher habe er sie auch unbedingt als Referentin haben wollen, sagte er in seinen Begrüßungsworten.

Dahinter stecke sicher weniger böse Absicht als vielmehr unbewusste Vorurteile, meinte Sabine Bendiek, Member of the Board of Directors bei AmCham, dem American Chamber of Commerce, als sie die Referentin vorstellte. So glaubten viele, je fröhlicher eine Frau sei, desto ungeeigneter sei sie als Chefin. Frauen seien zudem mit sich selbst viel kritischer als Männer, gab sie zu bedenken. Zwar gebe es in vielen Unternehmen inzwischen Schulungskonzepte für vorurteilsfreies Personalmanagement, doch die Wirtschaft habe damit immer noch Umsetzungsprobleme.

Das bestätigte Isabell Welpe. Die Vorstellungen, was eine gute Führungskraft ausmacht, hätten sich zwar inzwischen leicht verändert, aber unbewusst wirkten in vielen Personalabteilungen bei der Besetzung von Führungspositionen immer noch Vorurteile mit. Und die seien umso beständiger, je weniger sie den Menschen bewusst seien.

Verhalten, Kompetenz und Leistungen würden bei Männern und Frauen nicht gleich bewertet, stellte sie heraus. Das habe eine Studie bewiesen, in der identische Bewerbungen einmal unter einem Männer- und einmal unter einem Frauennamen eingereicht wurden. „Brüllt ein Mann, ist er dynamisch, brüllt eine Frau, ist sie hysterisch“, zitierte sie in diesem Zusammenhang Hildegard Knef.

Wie sind Führungskräfte, wie sollen sie sein und wie sollen sie nicht sein? Bei der Beantwortung dieser Fragen, in die sie das Publikum mit einbezog, spielten Kompetenz und Wärme eine wichtige Rolle, denn gemeinsam erzeugen diese Eigenschaften Sympathie.

Anhand eines Koordinatenkreuzes, das auf der vertikalen Skala den Faktor Wärme und auf der horizontalen den Faktor Kompetenz abbildet, führte sie vor Augen, wo Testpersonen unterschiedliche Berufe einordneten. Karrierefrauen landeten ganz rechts unten. Ihnen wurde zwar Kompetenz, aber keine menschliche Wärme attestiert. Frauen in sozialen Berufen fanden sich dagegen ziemlich weit links oben wieder, bei viel Wärme, aber wenig Kompetenz.

Einfühlungs- und Kommunikationsvermögen gelten gemeinhin als weibliche Eigenschaften, strategisches und analytisches Denken dagegen als männliche. „Frauen müssen auf beiden Seiten punkten,“ sagte Welpe. Sie müssen durchsetzungsstark und aktiv sein, strategisch handeln und analytisch denken können, aber auch als einfühlsam und sympathisch empfunden werden. Denn Karriere machen sie nur, wenn sie eine positive Resonanz hervorrufen.

„Frauen bekommen häufiger ein kritisches Feedback“, berichtete sie. Anders als bei einem Musiker, der sich um eine Stelle in einem Orchester bewirbt und der – wie schon tatsächlich praktiziert – hinter einem Vorhang versteckt sein Instrument erklingen lassen kann, damit nur sein Ton und sein Können bei der Beurteilung entscheiden, sitzen die Bewerber beim Vorstellungsgespräch den Personalchefs direkt gegenüber. Und bei gleich qualifizierten männlichen und weiblichen Probanden fällt deren Entscheidung oft aus dem Bauchgefühl heraus. Das, meinte die Professorin, müsse sich ändern – aber nicht nach dem Motto „fix the women“, sondern „fix the organisation“.

„Wie halten sich Frauen in Topositionen oben?“ wollte Manfred Köhler, Leiter der regionalen Wirtschaftsredaktion der FAZ wissen, als er mit Professor Welpe auf dem Podium zur Diskussion Platz nahm. „Wenn sie neben Sachkompetenz auch Macht- und Mikropolitik betreiben“, lautete ihre Antwort. „Aber Frauen“ bedauerte sie, „bilden leider keine Seilschaften.“

Natürlich durfte in der Diskussion auch die Frage nicht fehlen, was sie von der viel zitierten Frauenquote halte. „Ich bin keine Freundin der Quote“, bekannte sie. „Aber wenn die Quote nicht kommt, wird sich in den Vorständen der DAX-Unternehmen nichts ändern.“

In einer Familie dürfe, wenn Kinder kommen, das kein Problem der Frauen sein, sondern müsse gemeinsam von Frauen und Männern gelöst werden, forderte sie und hatte dazu Ergebnisse einer interessanten aktuellen Umfrage. Danach überwiegt in Bayern immer noch die Meinung, dass Frauen nicht mehr verdienen sollen als ihr Mann. In den USA aber habe sich diese Meinung längst geändert. Da sei es kein Manko mehr, wenn die Frau mehr zum Familieneinkommen beiträgt als der Mann. An diesen Punkten und in der Unternehmenskultur müsse angesetzt werden, um Frauen-Karrieren zu ermöglichen. „Aber die Gesellschaft tut nichts“, bedauerte sie.



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