Erinnerungen an Fritz Best

Seit meiner Kindheit war ich bei ihm, seiner Schwester Christine Katharina, die Patin meiner Mutter, und in seinem Haus zugange, mindestens einmal die Woche.

Ich war fasziniert von dessen Größe und seiner Vielfalt. Im Ateliertrakt, das untere voller Figuren und Gipsmodelle, ein Kinderhalbkopf in Plastellin mit den Spuren der bildenden Künstlerfinger, meine Urgroßeltern, der Urgroßvater sinnend sitzend, die Urgroßmutter mit der Bibel auf dem Schoß.

Draußen, vor dem riesigen Atelierfenster eine große Terrasse, teilweise überdeckt und mit einem Weinstock berankt, lud im Sommer zur Arbeit im Freien. Im oberen Atelier war ein großes Bilderlager. Auch fand man dort seine Sammlung von Werken seiner Studienkollegen, Stiche und Zeugnisse anderer Künstler. Das große Fenster gen Nordost mit idealem Licht gab den Blick frei auf den Hügel mit Burg und Altstadt, oft Modell in den Sommermonaten.

Auch die Sicht auf seinen geliebten Garten, eine reine Wonne, jedes Beet mit Maßliebchen Vergißmeinnicht und Stiefmütterchen umrandet. Heimlich naschte ich von den besonders dicken Brombeeren aus der großen Hecke, die die Grenze zum Rentbach schuf.

Der Wohntrakt, abgegrenzt vom Treppenhaus, war kleiner, die Küche, immer warm, mit großem Südfenster, im Winter oft der Platz zum Arbeiten an Zeichnungen und vollplastischen Köpfen seiner Aufträge von bekannten und potenten Kronbergern und anderen Kunden. Für die Zeit um 1930 stellte ein extra Badezimmer, zwischen Küche und Schlafzimmer gut platziert, schon ein Luxus dar. Im Schlafzimmer standen die geschichtsträchigen Möbel seiner Vorfahren, ein wunderschönes Biedermeierbett, die Aussteuertruhe meiner Ururgroßmutter von der Fuchsmühle und ein wohl mal gefasster einfacher Frankfurter Schrank, noch eine Kommode aus der Biedermeierzeit. Bis aufs Bad, überall Licht durch große Fenster. Im Wohnzimmer war es am gemütlichsten, ein großer cremefarbener Kachelofen mit geblümtgepolstertem Hochlehnstuhl, daneben ein Beistelltisch (Art Déco) mit Marmorplatte, die Tür zum Schlafzimmer, ein geschnitztes Regal trug eine Art Schatztruhe, um die Ecke die Tür zum Balkon zur Straße und dem Vorgarten, in dem, immer blühend, die schönsten Bauernblumen wuchsen, eine Vitrine mit seinen Klein(Tier)plastiken, unter dem großen Fenster ein großes Regal mit seinen Vorlagen aus Kunstzeitschriften, an der Nordwestwand sein Sekretär mit Büchern hinter Glas (hier borgte ich mir die Buddenbrocks aus), übereck das Kanapee, davor, fast die Mitte des Raumes ausfüllend der große Tisch, um den sich an Geburtstagen die weitere Familie (Best plus Nachkommen) sammelte. Im Vorraum eine Nische für die Garderobe, zwei schöne, alte Schränke, eine Kommode mit den Zeichnungen von seinem Vater und sich in jungen Jahren darüber.

Davor stand quasi in der Mitte seine fast lebensgroße, wunderschöne knieende Muse (praktisch, um seinen Hut abzulegen…). Alles wurde in Licht aus den großen Fenstertüren gesetzt.

Draußen, im steinernen Treppenhaus, in jeder Etage, Toiletten. Neben dem oberen Atelier befand sich noch ein Zimmer mit Kochnische und begehbarem Schrank neben der Toilette, dort wohnte zeitweise ein Malerkollege, auch

mein Vater, bis er meine Mutter heiratete. Die unteren Geschosse des terrassenförmig angelegten Hauses bestanden aus einem weiteren Wohntrakt, ehemals wohl für seinen alten Vater und seine Schwester, der Kohlekeller unter der vorderen Terrasse, im Souterrain hausten zwei Ziegen, deren Futter im großen Vorraum mit anderen Vorräten lagerten. Diese Etage wurde dann zum schmucken Fritz-Best-Museum. Fritz Best, in seinen mittleren zwanziger Jahren, war so schwer erkrankt, dass ihm die Ärzte keine Chancen mehr gaben. Im Garten auf- und abwandernd beschloss er Vegetarier zu werden, was er auch bis auf seine Ziegenmilch äußerst streng

durchhielt. Von seinem üppigen Salatteller zu Mittag lachten mich die ersten bewussten Cornflakes (noch aus dem Reformhaus) so an, dass ich nicht widerstehen konnte, mich zu bedienen. Immerhin wurde er 86 Jahre alt…

Er konnte nach seinen Holzschnitzer- und Zeichenlehrgängen den Wunsch wagen, nach München an die Kunstakademie zu gehen. Leider kam ihm 1918 die Münchner Revolution in die Quere, die Schüsse auf Eisner waren ausschlaggebend, dass er, zurück, sich am Städel bewarb und es bis zum Meisterschüler mit eigenem Atelier brachte.

Wie er den Architekten Dr.-Ing. W. Wede kennenlernte, konnte ich noch nicht herausfinden. Jedenfalls entwarf dieser 1930 ein, für die Kronberger, völlig ungewohntes Flachdachhaus im Bauhausstil – und dann auch noch in Altrosa. Nur die geschnitzte Eingangstür erinnerte an die Holzschnitzanfänge

Bests. Mein Großvater Philipp Peter, Kunstschmied, fertigte die Fenstereinfassungen. So zog er 1934 mit seinem verwitweten

Vater und seiner unverheiratet gebliebenen Schwester ein.

Für diese und für sich konnte er jedenfalls den Unterhalt durch seiner Hände Arbeit begleichen, so oder so, mit seiner Kunst oder den Früchten aus seinen Gärten.

Leider kam bei den letzten Angriffen der Amerikaner seine so oft abgebildete Muse in einem Innsbrucker Hotel ums Leben. So blieb er eine lange Zeit mit seiner Schwester, die den Haushalt führte, allein, zuletzt ganz allein in dem großen Haus, wo er ziemlich krank von einer Nachbarin bis zum Tod gepflegt wurde. Gegen Ende ließ sein Augenlicht und sein Gehör erheblich nach, was offensichtlich bekannt wurde. Denn leider, sein Haus war, vertrauensselig und weil er wohl die Klingel nicht mehr hörte, immer offen, sodass er öfter regelrecht bestohlen wurde, man sich seine Kunstwerke aneignete. So endete sein Leben 1980. Er wurde auf dem Friedhof an der Frankfurter Straße unter dem von ihm geschaffenen Gedenkstein für seine Eltern begraben.

Fritz Best war ein positiv denkender Mensch, konnte herzlich lachen, die Themen, die er seinen Plastiken gab, hatten philosophischen Hintergrund. Er jammerte nie, dass es ihm schlecht ginge. Wenn er seine Figuren zum Gießen brachte, immer im Rucksack, immer per Zug, fanden manche Leute ihn wunderlich ob seiner (heute modernen) Wanderkleidung, was ihm herzlich wenig ausmachte. Als seine Schwester starb, hatte er keine Verpflichtung ihr gegenüber mehr.

In hohem Alter ging er noch einmal auf Reisen, nach Holland, dann nach Rom, wo er, auf der Treppe zum Petersdom sitzend, in seiner üblichen lässigen Art als Penner verjagt wurde. Was er lachend kommentierte („die haben gedacht, ich sei ein Penner, ich war halt vorher nicht mehr beim Friseur“)!

Diese Reisen, nicht möglich zu Lebzeiten seiner Schwester, hätten seine Werke positiv beeinflusst. In seiner Frühzeit entstanden unglaublich schöne Aquarelle in milden Farben. Seine Zeichnungen hatten einen sicheren und kräftigen Strich. Seine Ölgemälde konnten es mit den zeitnahen französischen Malern wie Césanne aufnehmen. Mit den Ausstellungen wurde er bekannt. Einmal begleitete ich ihn zu einer fast romantischen Präsentation im Nebbien’sche Gartenhaus im Bockenheimer-

Anlagenring. Leider hat man ihn wegen seinen naturalistischen Skulpturen in die Nähe nationalsozialistischer Kunst à la Breker stellen wollen. Er hatte mit Politik nie etwas am

Hut, er hätte gelacht. Er liebte auch Musik, mit ihm durfte ich eine Johannespassion in der Johanniskirche erleben. Freunde fand er, obwohl treu evangelisch wie die ganze Familie, bei den Mazdaznanen, einer amerikanischen Sekte, die mit ihm den Vegetarismus und Lebensauffassung gemeinsam hatten. Ich sah, wie ernsthaft er seine Atemübungen machte. In manchem war er seiner Zeit voraus. Sein Andenken als Kronberger Maler des 20. Jahrhunderts sollte, wie sein Haus und Werk, in Ehren gehalten werden.

Christa Brandt

Fritz Best vor Jünglingstorso
Foto: privat



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