„Bildung ist eine gute Waffe gegen Krankheit und Armut“

Thekla Thiede-Werner, Direktorin des Altkönig-Stifts, und Dr. Martin Kasper freuen sich über das große Interesse an Nordostindien und den dortigen Projekten der Königsteiner Stiftung Childaid Network.

Foto: Wittkopf

Oberhöchstadt (pf) – „Nordostindien – Paradies im Himalaya?“ Unter diesem Titel stand der Lichtbildervortrag, den Dr. Martin Kasper Dienstagnachmittag im Festsaal des Altkönig-Stiftes hielt. Das Fragezeichen spielte dabei eine wichtige Rolle, denn das landschaftlich wunderschöne fruchtbare Land, das sich von den Ufern des wasserreichen Brahmaputra bis hinauf zu den bis zu 7.000 Metern hohen Gipfeln des Himalaya zieht, ist das Armenhaus der Welt.

So jedenfalls bezeichnete es Dr. Kasper und er weiß, wovon er spricht, denn er kennt die Region genau. 2007 hat er gemeinsam mit seiner Frau, Dr. Brigitta Cladders, mit eigenem Vermögen in Königstein die Stiftung Childaid Network gegründet, um vor allem den Kindern, die in abgelegenen ländlichen Stammesgebieten leben, Schulbildung und damit die Chance auf ein besseres Leben zu ermöglichen. „Die Kinder dort sind genauso wissbegierig und intelligent wie unsere Kinder, sie sind nur am falschen Ort zur Welt gekommen“, meint er.

Vier von zehn Kindern dort sterben vor ihrem fünften Geburtstag an Krankheiten oder Mangelernährung, berichtete er und betonte: „Bildung ist eine gute Waffe gegen Krankheit und Armut.“ Jedes Schuljahr, so haben UN-Untersuchungen bestätigt, verlängert die Lebenserwartung einer Frau um zwei bis drei Jahre, erhöht das Einkommen einer Familie um ein Drittel und mit dem Wissen um Krankheiten und Hygiene die Chancen zum Überleben für ihre Kinder deutlich. Und Mütter, die selbst zur Schule gingen, sorgen auch dafür, dass ihre Kinder die Schule besuchen.

Seit mittlerweile neun Jahren reist Dr. Kasper regelmäßig nach Nordostindien, um sich vom Fortschritt der Projekte zu überzeugen, die er mit seiner Stiftung ins Leben gerufen hat, und gemeinsam mit erfahrenen und zuverlässigen Partnern vor Ort, vor allem aber auch mit den Dorfältesten und Stammeshäuptlingen neue Projekte auf den Weg zu bringen. Dabei finanziert die Stiftung keine Schulen, sondern bezahlt das Gehalt der Lehrer. Für Unterrichtsräume müssen die Dorfbewohner selber sorgen. Es sind oft einfache Hütten, wie sie die Menschen mit ihren Familien auch bewohnen. „Wir geben keine Almosen, sondern Hilfe zur Selbsthilfe. Wir ergänzen das staatliche Bildungsprogramm, aber ersetzen es nicht. Wir verlangen einen lokalen Beitrag und lokales Engagement. Wir investieren viel in die Menschen, aber wenig in Gebäude“, ist die Devise der Stiftung.

In Nordostindien, das so groß ist wie die westliche Bundesrepublik, leben 200 Stämme mit unterschiedlichen Kulturen, Sprachen und Traditionen. Einige waren bis vor kurzer Zeit noch Kopfjäger, andere leben im Matriarchat, wo das Erbe von der Mutter auf die jüngste Tochter übergeht. Die Menschen leben in den Bergen in Dörfern, die auf den Bildern, die Dr. Kasper zeigte, zwar malerisch aussehen, in denen es aber keinerlei Infrastruktur gibt, weder Straßen noch Strom oder Wasserleitungen. Dort sind 90 Prozent der Erwachsenen Analphabeten. Ihre Kinder müssen oft schon früh harte Arbeit auf den Feldern, beim Reispflanzen, bei der Ernte und beim Heranschaffen von Brenn- und Bauholz leisten.

Inzwischen finanziert Childaid Network dort 700 Lehrer, hat 30.000 Kindern eine Schulausbildung ermöglicht. Da aber von Bildung allein der Magen nicht voll wird, hat die Stiftung inzwischen 70 Berufsbildungszentren geschaffen, in denen die Menschen 20 verschiedene Berufe erlernen können, um den Lebensunterhalt für sich und ihre Familien zu verdienen.

Auch in der Millionenstadt Guwahati, wohin viele Familien flüchten, wenn der Monsun und damit die Ernte ausbleiben und wo sie dann in größter Armut unter Plastikplanen neben den Bahngleisen leben, kümmert sich die Stiftung um die Kinder. Für 200 Waisenkinder hat sie in fünf Waisenhäusern ein sicheres Zuhause geschaffen. Sie betreut Kinder tagsüber, wenn ihre Eltern arbeiten, sie gibt jugendlichen Schulabbrechern in Abendkursen eine zweite Chance, den Anschluss an die Schule zu erreichen und sie will 3000 Straßenkindern den Besuch einer Schule ermöglichen.

Mit beeindruckenden Bildern, die er bei seinen vielen Besuchen machte, zeigte Dr. Kasper, der erst am Vortag wieder aus Nordostindien zurückkam, die Schönheiten der Natur, Urwälder und unberührte Landschaften, in denen noch weiße Nashörner und wilde Elefanten leben. Er zeigte das harte Leben der Menschen in den Dörfern und das Elend in den Slums der Großstädte. Er zeigte aber auch Kinder und junge Leute, die dank der Hilfe von Childaid Network zu stolzen und selbstbewussten Menschen herangewachsen sind, die ihr Leben selbst in die Hand nehmen, für sich und ihre Familien sorgen können.

Um die Arbeit seiner Stiftung erfolgreich fortsetzen zu können, braucht Dr. Kasper Unterstützung und Spenden. Stiftsdirektorin Thekla Thiede-Werner bedankte sich bei ihm für seinen hochinteressanten und informativen Vortrag mit einer Geldspende, aber auch viele der Zuhörerinnen und Zuhörer zückten bereitwillig ihr Portemonnaie, sodass sich am Ende 820 Euro in der Spendenbox befanden – Geld, das 27 Kindern ein Jahr lang den Schulbesuch finanziert.



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