36 Jahre waren Böhms das Herzstück des Fritz-Emmel-Hauses

Marie-Luise und Hans Joachim Böhm vor ihrer feierlichen Verabschiedung im Fritz-Emmel-Haus. Foto: Westenberger

Kronberg (mw) – Gute 36 Jahre sind es geworden, die das Ehepaar Marie-Luise und Hans Joachim Böhm das Fritz-Emmel-Haus in der Königsteiner Straße 33, eine Jugendbildungsstätte des Landesverbandes Hessen im Bund der Pfadfinderinnen und Pfadfinder (BdP), geführt hat. Hans Herold, der damalige ehrenamtliche Vorsitzende des Fritz Emmel-Hausvereins hatte die beiden damals eingestellt und brachte nun in seiner Festrede zur Verabschiedung sogleich auf den Punkt, worin sich alle einig waren: Das Einvernehmen zwischen Vorstand, Pfadfindern und Böhms muss all die Jahre hervorragend gewesen sein, sonst hätte diese Verbindung nicht 36 Jahre gehalten! Schnell hatten die Böhms das Vertrauen der Hausgäste, der Pfadfinder genauso wie der Nichtpfadfinder, gewonnen. „Danke für Euren verlässlichen Einsatz all die Jahre bei Tag und bei Nacht, ja rund um die Uhr, wenn es nötig war.“

Als Dipl-Pädagogen waren sie bestens geschult für ihre Aufgabe. Marie-Luise („Illa“) legte nach der Übernahme des Fritz-Emmel Hauses sogleich noch einen Meister als Hauswirtschafterin obendrauf, um für den Einkauf, das Kochen und das Küchenpersonal besser geschult zu sein. Bis heute hat sie fünf Hauswirtschafterinnen ausgebildet. Längst entspricht das Essensangebot den gestiegenen Ansprüchen der Gäste. „Jeden Essenswunsch habe ich respektiert, ob vegan, vegetarisch oder glutenfrei“, berichtet sie. Hans Joachim („Jockel“) Böhm übernahm die Hausverwaltung und die Technik. Bei allen praktischen Fähigkeiten, die auf ihn zukommen sollten, half ihm seine ursprüngliche Ausbildung zum technischen Zeichner, die damals viel Handwerkspraxis (unter anderem ein Praktikum beim Schlosser) beinhaltete.

Dem Hausverein war es damals wie heute ein Anliegen, dass die Leiter selbst auf dem Gelände wohnten, um eine besonders familiäre Hausatmospähre zu schaffen. Bis heute gibt es bei der Jugendbildungsstätte keine feste Hausordnung: Die Gruppen, die das Haus ab 15 Personen belegen können, gestalten sich ihren Tagesablauf selbst. „Wenn sie wollen, können sie hier auch großes Stühlerücken veranstalten, Hauptsache, am Ende steht alles wieder so, wie es am Anfang war“, erzählt Jockel Böhm. Nach so vielen Jahren im Fritz-Emmel-Haus ist es ihnen schwer gefallen, Abschied zu nehmen. Denn mit dem Abschied ging unwiederbringlich ein Stück Heimat verloren, auch für ihre Kinder Tobias, Judith und Miriam, die sie hier großgezogen haben. „Unsere Tochter Judith wurde inmitten des Umzugs geboren“, erzählen sie. „Wir waren 24 Stunden am Tag ansprechbar, dafür hatten wir keinen Weg zur Arbeit“, fasst er Vor- und Nachteile kurz und bündig zusammen. „Wir haben unseren Job bis zum Schluss sehr gerne gemacht“, betonen sie bei der Verabschiedung. Es sei einfach eine „wunderschöne Sache“ gewesen und zu jeder Zeit seien sie von den Mitarbeitern des Hausvereins als auch von den Gästen zuvorkommend behandelt worden. Was bleibt, sind nun die vielen, vielen Geschichten, Begebenheiten, Momente, die sie mit dem Haus, mit den Gästen verbinden. Und das sind vor allem schöne Erinnerungen, denn toi, toi, toi, erzählen, sie, in all den Jahren sei nichts Schlimmeres passiert. Auch größere Schäden gab es trotz der Freiheiten im Haus kaum, und wenn einmal etwas zu Bruch ging, konnte man sich schnell einigen. Einmal fand Jockel Böhm den Servierwagen morgens in Einzelteilen vor, man hatte zu fünft ausprobiert, darauf zu fahren ... „Es gab aber auch hier keinen großen Ärger, die fünf haben sich entschuldigt, zusammengelegt und den Schaden an Ort und Stelle beglichen.“

Allerdings können sie sich noch gut an 1981 erinnern, als nach einem Unwetter das Wasser die Falkensteiner Straße hinunterschoss und sich aufgrund der fehlenden Kanalanschlüsse seinen Weg direkt durch das Fritz Emmel-Haus bahnte. 2006 stand das Wasser dann wieder im Haus. „Bei 80 Zentimeter Höhe hätten wir schon ein Nilpferd hier einquartieren können.“ Die Hausgäste der zwei Häuser mit jeweils über 30 Betten, Schulklassen, Konfirmanden- und Kommunionsgruppen, Kindergarten und jegliche Jugendgruppen freuen sich jedes Mal über den Blick vom hinteren Haus auf die Opel-Zoo-Giraffen. Wo sonst hat man den schon? Jockel Böhm wird nie vergessen, wie ein Kanadier, den er auf dem Haus angegliederten städtischen Zeltplatz übernachten ließ, mitten in der Nacht bei ihnen klingelte und entsetzt wieder und wieder rief: „There is a horse in my tent, there is a horse in my tent! Tatsächlich war ein Tier in seinem Zelt und zwar ein Zebra. Am nächsten Morgen fand er die Geschichte dann ziemlich „cool“. Eher an einen Jungenstreich und hysterisch gewordenen Mädchen, die meinte Geister zu sehen, hatten Böhms bei einer anderen nächtlichen Störung gedacht. So kann man sich irren, denn auch hier hatte sich ein Tier aus dem Opel-Zoo dank einer Lücke im Zaun auf das Nachbargrundstück verirrt: Und der Anblick der Schraubenhorn-Antilope, die im Dunklen ins Fenster hereinschaut, kann wirklich beeindrucken, erzählt er lachend.

Eine wichtige Weichenstellung für die Zukunft des Fritz-Emmel-Hauses waren die 1,2 Millionen Euro, die vor zwei Jahren in das Haus geflossen sind, um es von Grund auf zu sanieren. „Es ist heute schon abzusehen, dass sich die Sanierung gelohnt hat“, so Andreas Bender, derzeitiger ehrenamtlicher Vorsitzender des Fritz-Emmel-Vereins. Aber auch Dank Böhms sei das Haus gut aufgestellt. „Wir leben von 80 Prozent ,Wiederholungstätern‘“, wissen die beiden. Ob Lehrer oder Pfarrer, wer sich dort einmal wohl gefühlt hat, bucht eben das nächste Mal gleich wieder. Die Hauptbelegung machten inzwischen die FSJ-Gruppen aus, die das Haus für ihre verschiedenen fachbezogenen Seminare oder den obligatorischen Erste-Hilfe-Kurs buchen, den die FSJ-Kräfte für ihr freiwilliges soziales Jahr, besuchen müssen, verraten sie.

„Der Himmel weint heute“, meinte Bender, der sie mit einem „Stück Melancholie“ im Kreise des Vereins, der Mitarbeiter, Freunde und Familie, bei Starkregen und Gewitter verabschiedete, und gleichzeitig den Nachfolger Daniel Paetow herzlich im Fritz-Emmel-Haus begrüßte. Er hat die Hausleitung am 1. Mai bereits offiziell übernommen.

„Es ist schön, mit Paetow jemanden gefunden zu haben, der auch einen pfadfinderischen Hintergrund hat“, so Bender. Sicher sei der Hausumbau eine wichtige Weichenstellung gewesen und die Gäste honorieren die neuen Bäder, erklärte er. Viel wichtiger sei jedoch, dass sie sich hier zuhause fühlen! Paetow, gelernter Einzelhandelskaufmann aus Gießen, hat seinen Lebensmittelpunkt ebenfalls in das Fritz-Emmel-Haus verlagert. Zusammen mit seiner Lebensgefährtin wohnt er ebenfalls auf dem Gelände und hat sich schon an den Umstand gewöhnt, „dass man immer Gäste um sich hat“, wie er sagt. Als Pfadfinder der Dt. Pfadfinderschaft St. Georg habe er sich schnell heimisch gefühlt. „Es ist eben keine normale Jugendherberge, sondern ein Pfadfinderhaus, das merkt man gleich“, sagt er. Es sind die Abläufe, die auch ihm geläufig sind, das Singen vor dem gemeinsamen Essen, das Gruppengefühl, Zelte die aufgebaut werden, die Zeit am Feuer, die Einladung, sich dazu zu setzen und mitzusingen. „Das ist einfach eine schöne Atmosphäre“, weiß Paetow, der, selbst schon Bezirksvorsitzender bei der Dt. Pfadfinderschaft, dort jede Menge Erfahrungen mit Menschen und Gruppen sammeln konnte. „Daher habe ich Gespür für Menschen, auch ohne einen großen fachlichen Hintergrund zu haben.“ Und so springt er jetzt nach einmonatiger Einführung durch das Ehepaar Böhm und ein Herantasten an die ihm vorher unbekannten hauswirtschaflichen Anforderungen beherzt in die großen Fußstapfen seiner Vorgänger. Zur gemütlichen Feier, zu der viele Weggefährten, vor allem Pfadfinder, den Weg ins Fritz-Emmel-Haus gefunden hatten, gab es einen kleinen Eindruck in die vorzügliche Küche des Hauses, mit gefüllten Tomaten, Spargelrisotto, Spinat mit Schafskäse auf Kartoffelboden und vielen Köstlichkeiten mehr, die zum Verweilen einluden. Den Grill bediente Daniel Paetow an diesem festlichen Abend selbst. Die „alten Hasen“ unter den Pfadfindern hatten viele spannende Geschichten um den Stifter des Grundstücks, Fritz Emmel und den Bau des Hauses vor 56 Jahren mitgebracht, zum Beispiel durch welchen Zufall Fritz Emmels Vater seinerzeit den Weg nach Kronberg fand. Der Müllerssohn traf nämlich mit seiner Eselskaravane im Kronberger Wald auf die preußische Kronprinzessin Victoria persönlich ... (die spannende Historie soll jedoch an anderer Stelle ausführlicher behandelt werden).

Damit es Böhms, die sich inzwischen in Schönberg schon wohnlich eingerichtet haben, nicht langweilig wird, wollen sie noch diesen Sommer die Welt entdecken und machen sich mit dem Wohnmobil auf an den Baikal-See nach Sibirien.

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