Hexen, Heilwasser und Obstbau aus Mammolshain, Kronthal und Umgebung

Mammolshain (sk) – Am vergangenen Sonntag öffnete der Heimatverein Mammolshain 1990 e.V. wieder einmal die Dorfstube im Dorfgemeinschaftshaus, um sich mit Interessierten über die Geschichte von Mammolshain auszutauschen. Bei Kaffee und Kuchen plauderte es sich vortrefflich. Und der in der Jahreshauptversammlung Ende Januar neu gewählte Vereinsvorstand hatte sich geschlossen zu einem Fototermin zusammengefunden – und um dann einem besonderen Vortrag zu lauschen.

Erster Vortrag im Ruhestand

Die frisch gebackene Neu-Ruheständlerin und ehemalige Königsteiner Stadtarchivarin Beate Großmann-Hofmann hatte sich auf Bitten des Vorstandsvorsitzenden Bernd Hartmann und seiner Stellvertreterin Ingrid Reimer relativ spontan bereiterklärt, neu gewonnene Erkenntnisse aus ihren Recherchen zur Mammolshainer Geschichte vorzutragen. Wie für viele der Ruhestand meist ein Unruhe-Zustand ist, wirkte auch Beate Großmann-Hofmann völlig unbeeindruckt von ihrer neu verordneten Seniorität und deckte gewohnt locker und ambitioniert ihre historischen Quellen auf.

„Keine chronologische Abhandlung der Geschichte wird es heute von mir geben, sondern einige Highlights, die sich mit dem Obstanbau, dem Heilwasser und den Hexen rund um Mammolshain befassen“, führte sie in ihren Vortrag ein.

Obstanbau nach Rudolf G. Binding

Der Rechtswissenschaftler und freie Schriftsteller Rudolf Georg Binding, verwandtschaftlich verbunden mit der Brauerei Binding, wurde bekannt durch die Veröffentlichung von Novellen und Erzählungen. Im Jahr 1919 erschien seine Erzählung „Die Vogelscheuche“, die in Mammolshain spielt. „Seine Beschreibung von Mammolshain klingt wie ein zeitgeschichtlicher Marketingauftritt“, begeisterte sich Beate Großmann-Hofmann und zitierte den Schriftsteller: „In den Winkel, den die erste Gebirgsterrasse mit den über ihr wuchtiger ansteigenden Bergen bildet, hat Mammolshain sich eingeschmiegt, wie ein sich sonnendes Kätzlein, und versinkt fast in dem dichten Kuppelkranz von altehrwürdigen, breitarmigen echten Kastanien, die nur dieser südliche Hang des Gebirges trägt.“

Die Sprache passe natürlich nicht mehr in unsere Zeit, aber schöner könne man doch kaum die Topografie von Mammolshain beschreiben, so die ehemalige Stadtarchivarin. In einem weiteren Zitat kritisierte der Autor die Mammolshainer Bauern, die sich durch den Verkauf ihrer Beet an Beet gepflanzten Erdbeeren in den Städten „einen hübschen Verdienst“ erwirtschafteten, der „groß genug ist, um die bequemen Bauern an keine anderen Unternehmen denken zu lassen“.

Das sei schon bösartig, meinte Beate Großmann-Hofmann, denn oftmals hätten die Menschen in der Fabrik gearbeitet und zusätzlich noch von ihrer Feldarbeit gelebt. Im Verlaufe der Erzählung weist Binding mehrfach auf die gute Luft und das gesunde Klima in Mammolshain hin, was als mögliche Anspielung auf die Kinderheilanstalt gedeutet werden könne.

Zwetschgen, Birnen, Äpfel, ...

„Wein wurde nicht in Mammolshain angebaut“, berichtete Beate Großmann-Hofmann. Die günstige Südhanglage war vorteilhafter für den Obstanbau, wie bereits Landrat Ernst Ritter von Marx 1908 bei der Entwicklung neuer Baugebiete feststellte. Für den Fremdenverkehr zeichnete sich die Blütezeit der Obstbaugebiete als beträchtlicher Anziehungspunkt aus. „1965 gab es über 10.300 Obstbäume in Mammolshain, darunter 6.600 Apfelbäume“, fasste Beate Großmann-Hofmann zusammen, „während die Erdbeerpflanzungen als Unterkulturen zwischen den Obstbäumen nur bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts kultiviert wurden“.

Heilendes Wasser

Erstmals wurde der Sauerbornbrunnen im heutigen Quellenpark Kronthal im Jahre 1568 erwähnt. Zwischen Kronberg und Mammolshain war allen Anrainern die Nutzung des Quellwassers erlaubt, wovon die Mammolshainer auch regen Gebrauch machten. Bereits vor 1568 wurde die heutige Theodorusquelle geschürft, die nach dem Arzt Theodorus Tabernaemontanus benannt wurde, der sie 1571 erstmals beschrieb.

Aber erst mit der Entdeckung der Heilwirkung des Quellwassers durch den Kronberger Arzt Ferdinand Küster im Jahr 1818 habe die wirtschaftliche Nutzung des Kronthales begonnen, so die Referentin. Dr. Küster habe anfangs das „Sauerborntal“ als öde, sumpfig und morastig beschrieben. Erst nachdem er die Quelle mit Bademöglichkeit und Sitzplätzen einfasste, gewann die nun zugängliche Wasserstelle an Attraktivität. Allmählich vergrößerte man das Areal um ein Badehaus mit dreizehn „Kabinetten“ und mehr als zwanzig Zimmern für Gäste und Patienten. Damit einher ging der ursprüngliche Name „Sauerborntal“ verloren und wurde fortan durch den Namen „Kronthal“ ersetzt.

Alois Henninger beschrieb 1850 bereits die Heilwirkungen des Kronberger Wassers. Sein Buch liest sich wie das Einmaleins der gängigsten Krankheiten, gegen die das Heilwasser äußerlich wie innerlich angewendet ganz hervorragende Therapieansätze bot. Da war es wenig verwunderlich, dass eine Zuhörerin schelmisch anmerkte: „Der Bus ins Kronthal geht um 17 Uhr“.

Hexenverfolgung und Hexenprozesse

Man lese häufig von der paradiesischen Lage von Mammolshain. Die Menschen schwärmten regelrecht von den herrlichen Obstbäumen und den beeindruckenden Kastanienhainen. Nichts desto trotz habe es auch in Mammolshain das dunkle Kapitel der Hexenjagd gegeben. Es begann etwa um 1500/1550 und dauerte bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts. „Als Ursachen nennt man häufig Epidemien, schlechte Ernten, Kriege, für die meistens Frauen verantwortlich gemacht wurden“, erklärte die ehemalige Stadtarchivarin. Man warf ihnen Zauberei und die Buhlschaft mit dem Teufel vor.

Die Zahlen der als Hexen hingerichteten Opfer seien allerdings mit Vorsicht zu genießen. Man gehe insgesamt etwa von 60.000 Hinrichtungen aus, obgleich viele Unterlagen verbrannt oder entsorgt wurden, ohne dieses Kapital abschließend zu erforschen. Aus den Königsteiner Gerichtsakten wisse man von der Verbrennung einer Königsteinerin im Jahr 1594. Drei Jahre später wurden eine Frau und ihre Tochter aus Schloßborn hingerichtet und im Jahr 1600 traf es eine Frau aus Mammolshain. Viele Prozesse wurden gar nicht zu Ende geführt wegen nicht geklärter Zuständigkeiten der einzelnen Gerichte.

Interessant sei aber in diesem Zusammenhang, dass noch 1944 in Schottland eine Frau namens Helen Duncan wegen Hexerei verhaftet wurde – aufgrund des Witchcraft Acts aus dem Jahre 1736. „Erst 1951 schafften die Schotten dieses Gesetz ab“, empörte sich Beate Großmann-Hofmann, wusste aber den Bogen zu Mammolshain zu schließen, indem sie auf den zeitgleich beginnenden steilen Aufstieg von Mammolshain ab 1951 verwies.

Nächster Vortrag angemeldet

Die damaligen Infrastrukturmaßnahmen, Investitionsprogramme und Baulandausweisungen bieten sich allerdings schon wieder für einen eigenständigen Vortrag an, so die Referentin.

Der Mammolshainer Heimatverein griff dies sogleich auf und bekundete Interesse an weiteren Vorträgen. Es bleibe zu hoffen, dass Beate Großmann-Hofmann ihre Suche nach Anekdoten und historischen Highlights rund um Mammolshain fortsetze, betonte der Vereinsvorstand.



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