Sieg der Literatur der quälenden Fragen und der kritischen Stimme: Der Eugen-Kogon-Preis 2019 geht an Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller

Königstein (aks) – Der 13. Eugen-Kogon-Preis geht an die rumänische Schriftstellerin Herta Müller, so lautet die Entscheidung des Kuratoriums, die vom Vorsitzenden des Kuratoriums und Stadtverordnetenvorsteher Alexander von Bethmann und von Bürgermeister Leonhard Helm im Rathaus verkündet wurde. Die Lektüre des Werks von Eugen Kogon von 1946 „Der SS-Staat“, der selbst als Gegner des Nationalsozialismus sechs Jahre lang Häftling im KZ Buchenwald war, gab ihr viel Kraft im Leben. „Dass ich mich nicht in der Diktatur verfing, habe ich Kogon zu verdanken“, das sind Herta Müllers Worte in ihrem persönlichen Brief an Bürgermeister Leonhard Helm, mit dem sie für ihre Nominierung dankte.

Verleihung im März

Am 22. März 2019 wird die Preisträgerin im Haus der Begegnung von der Laudatorin Ina Hartwig, selbst Autorin und Literaturkritikerin und seit 2016 Kulturdezernentin der Stadt Frankfurt, geehrt werden.

Eugen Kogon, 1903 in München geboren und am 24. Dezember 1987 in Königstein gestorben, war ein deutscher Publizist, Soziologe und Politikwissenschaftler. Der christlich geprägte Gegner des Nationalsozialismus gilt als einer der intellektuellen Väter der Bundesrepublik Deutschland und der europäischen Integration in Deutschland.

Die Stadt Königstein verleiht seit 2002 den Eugen-Kogon-Preis. Erster Preisträger war der frühere polnische Außenminister Władysław Bartoszewski. Die Laudatio hielt damals Alfred Grosser, der Eugen Kogon, zusammen mit Henri Frenay und Altiero Spinelli, zu den drei eigentlichen „Schöpfern von Europa“ zählte.

Zu den Trägern des Eugen-Kogon-Preises der Stadt Königstein gehören auch Stéphane Hessel, Hildegard Hamm-Brücher, Hans Maier sowie das Maximilian-Kolbe-Werk. Der Eugen-Kogon-Preis für das Jahr 2012 war dem ehemaligen Staatspräsidenten der Tschechischen Republik, dem Schriftsteller Václav Havel, zuerkannt worden. Der Preis wurde posthum am 22. Februar 2013 verliehen, die Laudatio hielt der ehemalige Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher.

2015 ging der Preis an den Künstler Gunter Demnig, der in ganz Deutschland „Stolpersteine“ zur Erinnerung an deportierte Juden verlegte und 2017 an Professor Dr. Alfons Nossol, emeritierter Erzbischof, dem es gelang zwischen Deutschen und Polen eine besondere Verbindung aufzubauen und letztes Jahr an den Politologen und Publizisten Alfred Grosser.

Instrumente des Widerstands

Herta Müller, 1953 in Siebenbürgen geboren, wuchs im Banat in Rumänien auf, wo sie die Deutsche Schule besuchte. Sie hat die Repressalien und Bedrohungen des rumänischen Geheimdiensts Securitate unter Ceausescu, der sogar Schüler für das Ausspähen anheuerte, am eigenen Leib erlebt. Ihr Werk zeugt von dem Versuch, die menschliche Würde auch in der Unfreiheit zu wahren. Inhalt und Sprache sind für die Schriftstellerin Instrumente des Widerstands.

1987 reiste sie nach Deutschland aus, wo ihre Romane dank ihrer erfinderischen bildreichen Sprache und ungewöhnlichen Metaphern ein Erfolg wurden. Durch ihre Erfahrungen als Vertriebene wirbt sie heute für Verständnis für Flüchtlinge. Das einzige Mittel gegen autoritäre Führer, die auf Angst und Repressalien setzten und Feindbilder schaffen, ist für die Autorin die kritische Stimme – ebenso wie wirtschaftlicher Druck. Für ihr Werk „Atemschaukel“, in der sie die Deportation in die ukrainischen Arbeitslager ihrer Mutter und ihres Freundes Oskar Pastior durch die Sowjets verarbeitete, gewann sie den Literaturnobelpreis 2009.

Literaturnobelpreis

Zitat von 2003: »Ich muss mich im Schreiben dort aufhalten, wo ich innerlich am meisten verletzt bin, sonst müsste ich doch gar nicht schreiben.«

Ihre Worte nach der Literaturnobelpreis-Verleihung 2009:„Es ist nicht wahr, dass es für alles Worte gibt. Auch dass man immer in Worten denkt, ist nicht wahr. Die inneren Bereiche decken sich nicht mit der Sprache, sie zerren einen dorthin, wo sich Wörter nicht aufhalten können.“

Die Laudatorin Dr. Ina Hartwig, 1963 geboren, ist preisgekrönte Autorin und Literaturkritikerin und beharrt auf der „radikalen Freiheit künstlerischer Ausdrucksmöglichkeiten“. Als Kulturdezernentin in Frankfurt mit dem Wunsch, allen Kindern und Jugendlichen den Zugang zur Kultur zu gewähren, ist ihr der kostenfreie Eintritt für unter 18-Jährige in städtische Museen zu verdanken. Im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung will Ina Hartwig den Digitalen Wandel in den städtischen Kultureinrichtungen fördern.

Auf den Dialog der beiden literarischen Schwergewichte am 22. März 2019 darf Königstein gespannt sein!

Die Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller hat aus eigener Lebenserfahrung gegen Unterdrückung und für den Widerstand geschrieben. Eugen Kogons Werk hat sie dabei gestärkt.
Foto: Wikipedia/Huslage-Koch



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