Schon zehn Jahre aktiv: Netzwerkinitiative Leben in Gemeinschaft

Die Sprecherin der Netzwerkinitiative „Leben in Gemeinschaft“, Irene Wanhoff (Mitte), und der Moderator der Gruppe, Dr. Rainer Schweers, informierten in der Stadtbibliothek über den aktuellen Stand und die Ziele ihres Senioren-Wohnprojektes, während Margarete Knoke (links) einen interessanten Einblick in das soziale Innenleben der Gruppe vermittelte.
Foto: Krüger

Königstein (sk) – Vor mittlerweile runden zehn Jahren entstand die Idee, ein gemeinschaftliches Wohnprojekt für Senioren ins Leben zu rufen. Auslöser war damals eine Podiumsdiskussion mit Vertretern von bereits bestehenden Initiativen für gemeinschaftliches Wohnen, der Arbeiterwohlfahrt, der Caritas Sozialstation und des Gemeinnützigen Siedlungswerkes. Daraus entwickelte sich die „Netzwerkinitiative Königstein Leben in Gemeinschaft“ mit inzwischen 20 Mitgliedern.

Ihre Sprecherin Irene Wanhoff und ein Großteil der Mitglieder informierten vergangene Woche in der Stadtbibliothek über den aktuellen Stand ihres Wohnprojektes und ihre Ziele. Vertreter politischer Gremien, teils in ähnlichem Alter wie die Netzwerker, diskutierten interessiert über die Herausforderungen, Möglichkeiten und bisherigen Hinderungsgründe der Senioren-Wohngemeinschaft.

Individualität in der Gemeinschaft

Für die engagierten Best Ager der Netzwerkinitiative ist das gemeinsame Zusammenleben in Königstein in einer seniorengerechten und bezahlbaren Wohngemeinschaft mit Gemeinschaftsräumen und Rückzugsbereichen in eigenen Räumlichkeiten eine attraktive Vorstellung, da sie alle von dem geselligen Miteinander, der gegenseitigen Unterstützung und der Bündelung ihrer Ressourcen profitieren können, fasste Dr. Rainer Schweers zusammen, der als Netzwerk-Mitglied die Diskussionsrunde kompetent moderierte.

Er brachte auf den Punkt, was der Großteil der etwa 25 Zuhörer bekräftigte: „Ich möchte meinen Kindern später nicht auf der Tasche liegen“. Und Irene Wanhoff akzentuierte es noch deutlicher: „Das gemeinschaftliche Wohnen ist eine Form, die die Gesellschaft nicht belastet, sondern entlastet“. Solange man nicht wisse, wie die Pflege in Zukunft finanziert werde, sei das Modell des gemeinschaftlichen Wohnens realistischer, so ihr Statement. “Wir kümmern uns umeinander“, hob die Sprecherin der Netzwerkinitiative den Kern des Projektes hervor. „Unser Ziel ist ein möglichst selbstbestimmtes, gemeinsames Wirken gegen das Alleinsein im Alter mit gegenseitiger Hilfe und Unterstützung in der Gemeinschaft“, formulierte es Dr. Schweers und fasste zusammen: „Keiner von uns will im Altenheim leben“.

Regelmäßige Treffen

„Jeder kann, aber keiner muss“ ist das Motto der einmal im Monat stattfindenden Mitgliedertreffen. Dabei tauscht sich die Gruppe über den aktuellen Stand ihres Projekts aus und diskutiert künftige Maßnahmen auf der Suche nach einem geeigneten Objekt oder Baugrundstück. „Wir bereiten gemeinsam die intensiven Gespräche mit Sozialträgern, Genossenschaften, potenziellen Investoren und natürlich mit Bürgermeister Leonhard Helm vor und analysieren sie“, erklärte Irene Wanhoff. „Wir haben inzwischen immense Erfahrungen gesammelt rund um das Thema Senioren-Wohngemeinschaften“, ergänzte Dr. Schweers und erntete breite Zustimmung und Anerkennung der anwesenden Mitglieder.

Zum intensiveren Kennenlernen untereinander organisieren die Mitglieder zahlreiche Aktivitäten wie zum Beispiel Museums- und Ausstellungsbesuche, Schifffahrten, Besuche in Kirchen oder der Frankfurter Infobörse für gemeinschaftliches Wohnen und sie gehen gemeinsam wandern. Außerdem trifft sich die Gruppe einmal im Monat zu einem gemütlichen Frühstück. Bei den Treffen gehe es auch um aktuelle Themen wie beispielsweise die Vorsorgevollmacht, neue Serviceleistungen des DRK für Senioren, German Angst zum Thema Sicherheit oder auch um die Hospizarbeit, erklärte die Netzwerksprecherin.

Respektvolle Mitmenschlichkeit

Das gemeinsame Engagement, die vielfältigen gemeinschaftlichen Aktivitäten und die regelmäßigen Treffen haben ein achtungsvolles und freundschaftliches Miteinander in der Gruppe geformt. Förderlich sei der Input der einzelnen Gruppenmitglieder, die sich größtenteils ehrenamtlich, beispielsweise in der Flüchtlingshilfe oder beim DRK, engagierten und ihre Erfahrungen in der Gruppe austauschten. Dies motiviere zum Mitmachen, stärke das Engagement jedes Einzelnen, bereichere die Gruppe intensiv und wirke gegen jede Form der Vereinsamung, erläuterte Dr. Schweers.

Er wies auch daraufhin, dass entgegen früherer Annahme das Gehirn im Alter sehr wohl noch neue Zellen bilden kann bei genügender Anregung und gesellschaftlichem Interesse und Engagement. „Durch menschliche Begegnung bleibt unsere Lebensfreude erhalten“, referierte er. Deshalb sei er auch zu der Annahme gelangt, dass der Mensch allein vom Wohnen nicht leben kann. Das Netzwerk mit all seinen Angeboten sei inzwischen genauso wichtig wie das Wohnprojekt selbst, habe eine Mitgliederbefragung ergeben.

Hoffen auf Kaltenborn III

Warum das Projekt in den letzten zehn Jahren nicht realisiert worden sei, wunderten sich die Zuhörer. Steigende Mieten, Vernachlässigung des sozialen Wohnungsbaus, Spekulationen im Wohnungsbausektor, fehlgeschlagene politische Steuerung des Wohnungsmarktes seien nur einige wenige von vielen ungünstigen Bedingungen, die ein solches Projekt erschweren, mutmaßte Dr. Schweers, obgleich das Familienministerium gemeinschaftliche Wohnprojekte mit einem 48 Mio. Euro schweren Fonds fördere, informierte er.

In Königstein habe es bislang kein geeignetes Objekt oder Grundstück gegeben, mit dem das Projekt finanzierbar gewesen wäre, so das allgemeine Fazit. Aber man blicke mit Hoffnung auf das Königsteiner Bauvorhaben „Am Kaltenborn III“, das den Bau eines Mehrgenerationenhauses mit seniorengerechten und bezahlbaren Wohnungen vorsehe.

Ob ein Mehrgenerationenhaus den Bedürfnissen der Netzwerkinitiative überhaupt gerecht werde – angesichts des auf Flexibilität ausgerichteten, dynamischen Arbeitsmarktes – mag zunächst dahinstehen, viel wichtiger sei doch die Frage, was die Stadt Königstein unternehme, damit es auch den Senioren mit kleiner Rente möglich werde, in einer sozialen Gemeinschaft würdevoll und bezahlbar zu leben, fragte eine kritische Zuhörerin. Ein Senioren-Wohnprojekt mache ihrer Meinung nach nur Sinn, wenn sich normale Rentner ohne Zugehörigkeit zur Ober- oder oberen Mittelschicht ein solches auch leisten könnten. Hier sei die Kommune gefordert. Andere Städte machten es vor. In Kronberg, Bad Soden oder Bad Homburg gebe es vergleichbare Projekte.

Die Netzwerkinitiative resümierte abschließend, dass eine gute Kooperation von Staat, Kommunen, Netzwerken und privaten Akteuren entscheidend sei für ein gutes Leben im Alter. Dafür setzen sich ihre Mitglieder engagiert ein und freuen sich auf interessierte Unterstützer. Kontakt per E-Mail über: irene.wanhoff[at]gmail[dot]com.



X