Rudolf Krönke: Der Herr der Heimatkunde wird 80

Ein Schelm, wer in dem großen Blumenstrauß schon das Parfum riecht, das der Drogist später verkaufen wird... Als echter Lokalhistoriker hat Rudolf Krönke natürlich auch ein Jugendbild von sich selbst in der Sammlung, Entstehungsort vermutlich das Reichenbachtal bei einem Sonntagsausflug. Foto: Friedel

Königstein (hhf) – Wenn man ihn auf seinen unzähligen Vorträgen und Führungen beobachtet, kommt man kaum auf den Gedanken, dass man hier einen „Senior“ vor sich hat, wer genauer zuhört, merkt dann aber schon etwas. „Ich bin ja dankbar, dass ich das alles noch so machen kann“ ist in diesem oder ähnlichem Wortlaut eine Formel, die immer öfter in Einleitung oder anschließender Diskussion zu hören ist. Mehr Persönliches ist von Rudolf Krönke in aller Bescheidenheit in der Regel nicht zu hören, daher dürfen wir an dieser Stelle etwas Ähnliches wie ein gut gehütetes Geheimnis lüften: Am Fronleichnamstag, 26. Mai, wird der Rolf 80 Jahre alt. Gratulanten werden allerdings vor verschlossenen Türen stehen, denn er ist – nicht ganz zufällig – in Urlaub gefahren.

Einen Wunsch bekommt er allerdings nicht erfüllt: „Rolf Krönke wird 100 – hoffentlich“, hatte er im Vorab-Interview als Überschrift vorgeschlagen und damit gleich drei seiner wesentlichen Tätigkeitsfelder gestreift. Zum ersten ist das sein Sinn für Humor, den er ohne Pause seit Gründung des Narrenrings 1971 auch auf der Bühne oder in der Bütt der Narrhalla auslebt, besonders gerne auch am Klavier, das er (zum zweiten) seit Kindertagen leidenschaftlich spielt.

Zum dritten hat er als Heimatforscher längst gemerkt, dass die alten Königsteiner viel zu früh sterben, bevor sie alle ihre Geschichten von früher erzählt oder aufgeschrieben haben. Als Sachwalter eines umfassenden Archivs, zu dem auch ein eigenes Museum im Hinterhof gehört, hat sich der Rolf diesbezüglich ausgerechnet, dass er noch gut 20 Jahre braucht, um alles fertig zu bearbeiten. Allerdings schließt diese Schätzung unerwartete Ereignisse wie den Fund einer Mikwe beim Aufräumen seines Kellers nicht ein...

Das Anwesen in der Hauptstraße ist freilich weder Familien-Stammsitz noch Geburtshaus, denn die Krönkes sind – man möchte es kaum glauben – Zugezogene. „Schuld war die Burg“, hat Rudolf Krönke in eigener Sache ermittelt, denn als sein Großvater, Drogist in der Leipziger Straße in Frankfurt am Main, sich verändern wollte, gab es mehrere Angebote. „Frag die Kinder“, hatte Oma vorgeschlagen und so fiel die Entscheidung zu Gunsten Königsteins – wegen der schönen Burg.

Während Wohnung und Geschäft mehrfach umzogen, blieb die Hauptstraße doch immer der zentrale Punkt der Familie, bis zur Hochzeit der nächsten Generation: „Das ist ne anständige Familie, den kannste nehmen“, hatte Adam Kreiner der Wilhelmine geraten, die dort den Alfred Krönke kennen gelernt hatte. Als erster der Familie mit Wurzeln in Pommern und Rheinhessen ist Sohn Rudolf schließlich in Königstein geboren, natürlich im Krankenhaus, wo seine Mutter zunächst den vier Tage älteren Fritz Göbel bewunderte.

In seinem Alter noch kaum von den Umtrieben des Dritten Reiches betroffen, mutierte der Sprößling schnell zum Lausbub mit unheimlichem Freiheitsdrang. Kaum meldete die Kuckucksuhr im Kindergarten (am Burgweg) Mittag, zerschliss der kleine „Reißteufel“ seine Kleidung gern am Burgberg. Viele Kinder, so erinnert er sich heute, gab es damals, und so hat er im Laufe seiner „gut behüteten Kindheit“ nahezu jedes Haus von innen gesehen.

Diese Kameraden aus der Volksschule (in der Wiesbadener Straße) wollte er auch künftig nicht missen, und so „vergaß“ er einfach, die Empfehlung für die Oberschule zu Hause abzugeben.

Ein Jahr (und eine Standpauke) später setzte er seine Karriere dann im „Taunus-Realgymnasium“ am Klärchenweg fort, ging dann aber doch nach der mittleren Reife: „Ich hatte ein ambivalentes Verhältnis zur Schule“, Naturwissenschaften, Kunst, Musik, Religion und Geschichte – alles interessierte ihn, doch zu den ach so wichtigen Sprachen wollte sich einfach kein Draht entwickeln. Stattdessen hörte er aber schon immer begeistert den alten Königsteinern und ihren Geschichten von früher zu und erforschte weiter die Burg: „Wir kannten alle Keller, da war damals ja noch alles offen.“ Abgeschlossen waren dagegen Haus und Hof der Krönkes, und das aus gutem Grund: Fässerweise standen damals die Chemikalien im Hof, zum Beispiel Salzsäure oder auch der Vorrat an Carbid – offiziell für die Beleuchtung der Kleinbahn, aber auch geeignet, um Maulwurfshügel zu sprengen. Um nicht immer über Benzinfässer und den Fleischerhaken in den benachbarten Hof der Metzgerei Bender klettern zu müssen, feilte sich der geschickte Bub schließlich einen Nachschlüssel aus Aluminium (der natürlich irgendwann im Schloss abbrach). Dann führte ihn der Ernst des Lebens nach Frankfurt, Drogistenlehre in der Leipziger Straße: „Da habe ich mir mein halbstündiges Mittagsschläfchen angewöhnt.“ Die Hormone des jungen Mannes waren anschließend an der Entscheidung, für zwei Jahre nach Düsseldorf zu gehen, nicht ganz unbeteiligt, statt der ursprünglich begehrten Dame brachte er allerdings seine erste Frau von dort „als Andenken“ mit in den Taunus, wo er ab 1960 im elterlichen Geschäft arbeitete, Motten- und Schießpulver nach Großvaters Rezeptbuch mixte oder Kondome unter der Ladentheke verkaufte. Natürlich konnte er seinem Hobby, dem Fotografieren, hier auch ausgiebig nachgehen.

1962 trat der junge Rudolf in den Verein für Heimatkunde ein („Meinen Eltern wäre die Feuerwehr lieber gewesen, aber ich dachte an meinen Nachtschlaf“), wo er sich seit 1966, also heute 50 Jahre, im Vorstand engagiert, die ersten zehn Jahre als Schriftführer, die nächsten 40 als Vorsitzender. Gemäß seiner Maxime, nicht Altes aufzuwärmen, sondern immer etwas Neues zur Heimatgeschichte beizusteuern, hat „der Rolf“ unter anderem sowohl Ausgrabungen auf der Burg initiiert als auch Bücher und Broschüren, oft mit alten Fotografien, herausgegeben, da kommt der neugierige Bub immer wieder durch.

Selbst ein Einzelkind, freut sich Rudolf Krönke heute über drei Kinder und fünf Enkel aus erster Ehe. Die zweite Hochzeit war dann mehr geistiger Natur: „Christina lässt mich in Ruhe meine Sachen machen.“ Und das ist auch dringend nötig, zumal seine eigene Familiengeschichte dazu zählt. Einen Zeughausverwalter und einen Schinderhannes-Gefährten, einen Massenchordirigenten der Arbeiterbewegung oder einen Militärkameraden von Bismarck hat er bereits aufgespürt und hält Kontakt zu den Nachkommen der USA-Auswanderer der 1830er Jahre.

Seinen Kindern und Enkeln will er die gleichen historischen Zeugnisse in Zukunft bewahren wie auch den Königsteinern und ihren Gästen, dafür geht er auch mit der Stadtverwaltung hart ins Gericht, wenn es sein muss. Ganz oben auf der Mahnliste stehen Schäden an den Außenmauern der Festung, der er gemeinsam mit Christoph Schlott eine „zweite Schiene“ als Arrestort der frühen Demokraten in Deutschland geben möchte. Aber auch den Mitbürgern, ob politisch aktiv oder nicht, hat er noch einiges zu sagen: „Wir müssen eine Identität der Stadt aufbauen“, Fragen der Sorte „Wie empfinden wir uns“ oder „Wie sehen wir uns“ beantworten. „Schönredner, Bremser und Strippenzieher“ machen da leicht alles kaputt und die städtischen Mitarbeiter dürfen ihr Tagesgeschäft nicht vernachlässigen und sollten dabei noch an die Zukunft denken: „Das habe ich als Geschäftsmann gelernt.“

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