Petro-Dollars und heilige Kühe: Politische „Revitalisierung von Religion im öffentlichen Raum“ radikalisiert

Königstein (hhf) – „Bitte Platz zu nehmen, wenn Sie die Chance dazu haben...“ Vorsichtig ging Moderator Professor Dr. Diether Döring auf den Umstand ein, dass das „Königsteiner Forum“ wieder einmal bis über den letzten Sitzplatz mit Besuchern gesegnet war. Sicherlich hatte dazu auch das Thema des Abends beigetragen, die Frage „Zeitalter neuer Religionskriege – Zeitalter des Terrors?“ bewegt eben doch. Und das, obwohl uns nach dem Ende des kalten Krieges eine „lange Friedensdekade“ prognostiziert worden war, daran erinnerte Döring noch einmal in der zur Aula umgestalteten Schalterhalle der Volksbank.

Den Religionen war in derselben Zeit ein starker Rückgang, wenn nicht gar das Verschwinden gegenüber den Naturwissenschaften vorhergesagt worden, ergänzte Professorin Dr. Susanne Schröter. Die Referentin gilt als „absolute Wunschkandidatin“ des Beirats, unter anderem leitet sie das Frankfurter „Forschungszentrum Globaler Islam“ und ist seit 2008 Professorin für „Ethnologie kolonialer und postkolonialer Ordnungen“ im Exzellenzcluster „Herausbildung normativer Ordnungen“ an der Goethe-Universität Frankfurt am Main.

Ihre Karriere begann Prof. Dr. Susanne Schröter 1977 bis 1986 mit einem Studium in Anthropologie, Soziologie, Pädagogik, Kultur- und Politikwissenschaften an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz, wo sie nach der Promotion in Ethnologie bis 1997 als wissenschaftliche Mitarbeiterin blieb.

Religionen erobern die Politik

Ab dem 20. Jahrhundert ging man eigentlich davon aus, dass den Religionen nur noch Platz im Privatleben bleibt, während die Naturwissenschaften die Gesellschaft dominieren, noch in den 1990er-Jahren wurde ein Vortrag über Fundamentalismus als „Blödsinn“ abgetan. Mittlerweile ist aber – und das gilt nicht nur für den Islam, der freilich derzeit die Nachrichten dominiert – eine klare „Revitalisierung im öffentlichen Raum“ zu verzeichnen, leider vor allem im politischen Raum, wo Religion als radikalisiert und fundamentalistisch auftritt, also mit ausschließlichem Wahrheits- und Überlegenheitsanspruch.

Dass sich solche Bestrebungen auch gegen den Staat richten, fiel zunächst in den USA auf, wo der Ku-Klux-Klan und andere Gruppierungen ihre Bibeltreue mit dem Gewehr verteidigten oder Abtreibungskliniken überfielen. Längst aber ziehen auch hier Christen gegen den Islam zu Felde, zum Beispiel mit dem „Burn a Koran-Day“. Viel höheres Gewaltpotenzial zwischen Christen und Muslimen betrifft aber in Afrika oft auch die Zivilbevölkerung und in Südasien ziehen protestantische Kindersoldaten gegen die buddhistische Mehrheit zu Felde.

Konflikte in aller Welt

In Indien ist die politische Idee vom pluralistischen Vielvölkerstaat gefährdet, seit der Hindu-Nationalismus mit großen Mehrheiten in die Politik eingezogen ist. Anhänger der Erweckungsbewegung „Hindutra“ zum Beispiel zerstören Moscheen, die angeblich auf alten Tempeln stehen und beschuldigen Muslime, heilige Kühe zu schlachten. „Manchmal fehlt ja nicht viel zum Zündeln“, dahinter steht die Idee eines Hindu-Großreiches von Burma bis Afghanistan. Immerhin strebt der Hinduismus keine Weltherrschaft an, denn er ist keine Missionsreligion.

Auch im Buddhismus nimmt der Fundamentalismus zu, hier stehen oft Mönche an der Spitze der Bewegung. Ob muslimische Rohingya vertrieben werden oder Tamilen auf Sri Lanka (die ihrerseits als „Tamil Tigers“ sogar junge Frauen als Attentäter einsetzen), hier wird oft versucht, Umsiedlungen aus der Kolonialzeit rückgängig zu machen. Viele der Anschläge in diesem Teil der Welt schaffen es aber nicht in die Weltpresse.

Die fokussiert sich dagegen gerne auf die Geschehnisse im Nahen Osten, wo der jüdische Fundamentalismus sich in zwei Richtungen aufspaltet. Die Ultraorthodoxen kennen zwar verschleierte Frauen, lehnen aber jegliche Gewalt ab, da sie auf den Messias warten, der die Welt erlöst, was sogar zu Problemen mit dem eigenen Staat führen kann. Dort ecken auch die Orthodoxen gelegentlich an, die ihr Kernland laut heiliger Schrift in der Westbank beanspruchen und dort auch siedeln, wenn es nicht vom Staat genehmigt ist. Neben dieser innergesellschaftlichen Zerreißprobe ist Israel außerdem von einer Reihe Staaten umgeben, die dem Land die Anerkennung prinzipiell verweigern.

Dazu zählen vornehmlich muslimische Länder, die nicht nur Freiheitskämpfer in Gaza unterstützen, sondern Israel die Vernichtung schwören und dies zum Beispiel mit einem „Quds-Tag“ zur Befreiung Jerusalems kund tun, der 1979 von Ayatollah Chomeini begründet worden ist.

Vielfältiger Fundamentalismus

Im Islam spaltet sich der Fundamentalismus in diverse Gruppierungen auf, die mitunter recht unterschiedliche Ziele verfolgen – er ist „lebendiger als andere und agiert weltweit“. Im Iran zum Beispiel richtete sich der Protest zunächst gegen die West-Freundlichkeit des Schahs, später aber auch gegen einen fundamentalistischen Staat. Dennoch wurde das islamische Recht hier „lückenlos durchexerziert“, die Innenpolitik durch den Krieg mit dem Irak gefestigt.

Ob in Indonesien oder in Mossul, Afghanistan oder auf den Philippinen – stets nimmt der Salafismus unterschiedliche Formen an und macht auch vor den eigenen Glaubensbrüdern nicht halt, Sunniten und Schiiten finden nicht mehr zusammen. Wie bei der Absetzung Saddam Husseins oder dem Stellvertreterkrieg der Großmächte in Afghanistan haben Fehler der westlichen Außenpolitik oft nicht nur Konflikte ausgelöst, sondern wie bei den Taliban erst neue Gruppierungen geschaffen, die zum Teil aus völlig unterschiedlichen Ethnien zusammengesetzt sind.

Solche Vereinigungen können sich plötzlich neu orientieren, und das global, wie bei Al-Quaida zu beobachten war. Hier zeigt sich ebenfalls die verheerende Wirkung von reichlicher finanzieller Unterstützung, wie sie Saudi-Arabien mit seinen Petro-Dollars gerne betreibt. Das Land verfolgt ein „radikales Missionierungsprogramm“, auch über Fernsehprediger und „Fan-Artikel“ für den Islamismus. Solch weltweite Umtriebe betreffen schließlich auch Deutschland, sei es durch Attentäter, ansässige Hassprediger, angeworbene Jugendliche oder auch Rückkehrer aus dem IS-Krieg. Fehler, wie die Einrichtung einer Aufnahmestation für Flüchtlinge in Frankfurt direkt gegenüber einer Moschee mit bekannt radikalem Prediger sollten tunlichst vermieden werden, stattdessen rät Professor Schröter, sich kundig zu machen und vorzubeugen, „damit wir nicht enden wie andere Länder, wo die Religion dominiert.“

„Es ist gut, wenn die Uni stark nach außen geht“, findet Prof. Dr. Susanne Schröter und freute sich über das starke Interesse im Königsteiner Forum. Auch für die Politiker hat sie einen wichtigen Rat: In der islamischen Welt muss man Außen- und Innenpolitik zusammendenken. Immerhin sind wir eine Gesellschaft mit wachsender islamischer Minderheit, also betreffen uns der Islam und seine Konflikte direkt.

Foto: Friedel



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