Mehrwert mit Marx: „Das Kapital“ für 60.000 Euro bei Reiss & Sohn versteigert

Die Molukken nannte man aus naheliegenden Gründen auch „Gewürzinseln“ – einige dieser Schätze sind am unteren Rand der Karte abgebildet, daher der Spitzname „Spice Map“.

Königstein (kw) – Reiss & Sohn, das renommierte Auktionshaus für Bücher, Handschriften und Landkarten kann auch in diesem Jahr wieder auf überaus erfolgreiche Herbstauktionen zurückblicken. Mit teils sensationellen Zuschlägen wurden die aus unterschiedlichen privaten Sammlungen stammenden ‚marktfrischen‘ Lose verkauft. Von den annähernd 3.500 angebotenen Positionen konnten rund drei Viertel in neue Hände abgegeben werden.

Klassiker der Nationalökonomie

Großen Zuspruch bei internationalen Sammlern und Institutionen erhielt die Sonderauktion „Wirtschaft und Staat – Eine bedeutende Privatsammlung“. Zu einem der beiden teuersten Lose avancierte daraus die Erstausgabe der Bevölkerungslehre „An essay on the principle of population“ von Thomas Robert Malthus, das einem Saalbieter für 80.000 Euro (alle Preise ohne Aufgeld) zugeschlagen wurde. Mit einem schriftlichen Gebot über 60.000 Euro sicherte sich ein ausländischer Händler die seltene, vollständige Erstausgabe der sogenannten ‚Bibel des wissenschaftlichen Sozialismus‘, „Das Kapital“ von Karl Marx.

Kostbare Handschriften, alte Drucke

Einen Zuwachs von über 300 Prozent gegenüber dem Schätzpreis erfuhren zwei kostbare Einzelblätter aus einem lateinischen Codex. Die mit prachtvollen Schmuckinitialen verzierte Handschrift war einem ausländischen Händler 21.000 Euro wert. Eine ebenso grandiose Steigerung verzeichnete im Bereich der alten Drucke die auf Luthers Anregung hin angefertigte, erste gedruckte Koranübersetzung mit einem Erlös von 33.000 Euro. Das Buch konnte 1543 nach Beschlagnahme der Druckbogen durch den Rat der Stadt Basel erst auf Luthers Intervention hin erscheinen.

Botanische Prachtwerke

Weit oben auf der Liste der Begehrlichkeiten standen die botanischen und zoologischen Werke, allen voran das um 1750 erschienene Buch der jahreszeitlich geordneten Blumen und Pflanzen des botanischen Gartens der Fürstbischöfe von Eichstätt von Basilius Besler. Das mit über 360 kolorierten Kupferstichen reich illustrierte Werk sicherte sich ein Bieter für 80.000 Euro.

Ein weiteres Ausrufezeichen setzte die Prachtausgabe der „Icones plantarum novarum“ von Carl Friedrich von Ledebour über die Flora des Altai-Gebirges und der Kirgisensteppe. Für das rare, lediglich in zehn Exemplaren gefertigte Werk, von denen allein neun für den russischen Hof bestimmt waren, überzeugte das Gebot von 60.000 Euro eines Sammlers am Telefon, der sich letztlich gegen die geduldig mitgehenden Telefon-Konkurrenten durchsetzte.

Zu den weiteren Höhepunkten der Abteilung zählten eine Ausgabe des Hortus Sanitatis, erschienen um 1507, die für 48.000 Euro den Besitzer wechselte und ein altkoloriertes Exemplar von Maria Sybilla Merians „Surinaemsche Insecten“ von 1719, das mit 45.000 Euro annähernd die Erwartungen erfüllte.

Einen Überraschungserfolg konnte das astronomisch-naturwissenschaftliche Volksbuch des Lucidarius von 1548 erzielen, das wegen seines seltenen Ketteneinbands ungeahnten Zuspruch erfuhr und ausgehend von 2.000 auf 14.000 Euro stieg. Eine Einlieferung von über 100 gesuchten Pferdebüchern aus dem 16. bis 19. Jahrhundert konnte fast komplett abverkauft werden.

Bietgefecht um „Spice-Map“

Mit einer taxbezogenen Verkaufsquote von über 85 Prozent belohnten die Käufer das reichhaltige, rund 1.100 Positionen umfassende Angebot an Landkarten, Ansichten und dekorativer Grafik. Eine äußerst seltene Karte der Molukken-Inseln – wegen ihrer Rand-Illustrationen auch ‚Spice-Map‘ genannt – rief das rege Interesse vieler Telefonbieter hervor, was in einem Zuschlag von 38.000 Euro gipfelte. Unter den Toplosen der Auktion rangierte der Atlas „Theatrum orbis terrarum“ von Abraham Ortelius in einem altkolorierten Exemplar von 1592. Mit 65.000 Euro spielte der Atlas mehr als das Doppelte des Schätzpreises ein. Auch einen Ausruf von 2.000 Euro für sechs Blätter mit seltenen Ansichten aus Thüringen und Sachsen von Adrian Zingg ließen wetteifernde Bieter rasch weit hinter sich. Für die mit Tusche schön lavierten Umrissradierungen fiel der Hammer erst bei 16.000 Euro.

Ab sofort nimmt Reiss & Sohn für die Frühjahrsauktionen Angebote entgegen. Die Experten des Hauses beraten Einlieferer dazu gerne.

Solch edle Gewächse aus der Familie der Lilien gediehen im fürstbischöflichen Garten zu Eichstätt.
Repros: Reiss & Sohn

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