Die Königsteiner lieben ihr Ritterturnier

Dieses ungleiche Duell ist zum Glück nur gestellt, minderte aber dennoch nicht den Spaß am Mittelalter, den Alt und Jung beim Ritterturnier hatten. Foto: Schemuth

Königstein
(el) – Missmutig trottet der kleine Steppke hinter seiner Mutter her, als hätte er es geahnt, dass sich der Weg bis zum Burgtor noch ein wenig hinzieht, schleift er sein hölzernes Schwert unablässig, erst auf dem Boden und dann entlang einer Hecke. Bald aber schon bessert sich die Stimmung des Kleinen und zwar mit jedem Meter, den er und seine Familie sich der gewaltigen Kulisse der Königsteiner Burg nähern. Plötzlich kommt er nicht mehr aus dem Erzählen heraus, während sich hinter ihm die Lanzen kreuzen und ihm Eintritt in eine andere Welt, in die Welt der Ritter, edlen Recken und holde Damen, in das Mittelalter, gewährt wird. „Willkommen, edle Dame!“, wird eingangs der Burg jede Frau begrüßt, die sich daraufhin unweigerlich fragt, wann sie wohl das letzte Mal in den Genuss einer derart galanten Anrede gekommen ist und bei dem Gedanken schmunzeln muss. Schon vor dem Betreten der großen Freifläche vor der Burgruine erkennt man die Zeichen der Übernahme: Die Königsteiner Ritter und ihre Gäste, die Württemberger Ritter, haben die Burg Königstein nicht nur in Beschlag genommen, vielmehr haben sie sie in einen magischen Ort verwandelt, an dem an jeder Ecke etwas darauf wartet, entdeckt zu werden. „Der Samstag ist traditionell unser stärkster Tag“, sagt Anke Dhyringer, die bei den Rittern von Königstein für die Pressearbeit verantwortlich zeichnet. Ritterchef und 1. Vorsitzender des rührigen Vereins, Thomas Lederer, der seit...Jahren das Ritterturnier samt Mittelalterlichem Markt und das stets in neuem „Gewand“ ausrichtet, pflichtet ihr bei: Der Samstag sei gut gewesen, aber auch am Sonntag hätten viele – und gerade viele Familien – den Weg auf die Burg gefunden und sogar das Wetter habe diesmal mitgespielt, was in den vergangenen Jahren – wenn man die Entwicklung des Turniers mal mit verfolgt hat – ja nicht immer der Fall gewesen ist. Nur der Freitag, der den „Spielleuten“ und Gauklern gehört, war eher mau, um es gelinde auszudrücken, was aber dann eher in der vereinsinternen Nachbesprechung des Turniers Erwähnung finden wird.

Großartige Stimmung also auf allen Rängen, als die haushohen Publikumslieblinge mit Philipp von Falkenstein und Wolfgang von Drachenfels, der noch mehr Handgeklapper erhielt als sein Widersacher während des Turniers auf der Festwiese, auf ihren beflaggten und geschmückten Rappen in Rüstung einritten. Sowohl die Rasenfläche vor der Burg als auch die eingezäunte Wettkampfarena selbst waren dicht belagert mit Zuschauern, die sich auf ein Kräftemessen mittelalterlicher Machart mit geköpften Melonen, klirrenden Schwertern oder Feuerreifen freuten, während so mancher von ihnen Gefallen daran fand, ein Stockbrot zu probieren.

Auf der oberen Festwiese und rund um den Eingang zum Burginnenhof war es um die Mittagszeit dann eher ruhig, was auch als Anzeichen dafür zu werten war, dass das gerade ein Schauturnier mit den befreundeten Würtembergern veranstaltet wurde. Nichtsdestotrotz boten auch währenddessen die Händler des Mittelalterlichen Marktes ihre Waren feil und stießen hier auf Kunden, die die Ruhe vor dem Ansturm am Nachmittag genossen, um in aller Ruhe das breit gefächerte Angebot betrachten zu können. Und da gab es so vieles, was das Auge aufnehmen konnte und dann später von den Sinnen verarbeitet werden musste. Am Stand einer Seifensiederei aus Kelkheim zum Beispiel wurde der jeweiligen Duftrichtung auch noch deren Ursprung hinterhergeschickt. Ebenso hatte sich eine Dame an einem weiteren Stand auf das Spinnen von Wolle feinster Qualität verlegt und verarbeitete diese vor den Augen der Besucher auf ihrem Spinnrad. Eine weitere hohe Kunst, die sonst die Kinder beherrschen, ist das Seifenblasen, aber nichts da von wegen aus der Plastikdose. Diese überdimensional großen Seifenblasen wurden von einem Gaukler in Lederhut und mit lustig gestreiften Hosen und Ledergürtel aus einem Keramikbottich mit Hilfe von zwei langen Holzstäben gefischt, zwischen die eine Kordel zum Auffangen des Seifenderivates gespannt war.

Überhaupt wurde, wie immer bei den Rittern, vieles zum Anschauen geboten, um Groß und Klein mit dieser Epoche vertraut zu machen, und dazu gehörte nun mal auch – für die Großen – sich am Stand der Königsteiner Ritter an einem kühlen Bier aus dem steinernen Maßkrug zu laben. Anschauungsunterricht in Sachen Ritterrüstungen gab es dann in der Schloßküche von Vereinsmitglied Jens Alfred Link alias Link von Mainbolzhagen, wie man hört, soll Letzteres für den Wohnort Mammolshain stehen. Bereitwillig plauderte der Gewandete über die Ritterrüstungen, die er zum Turnier hier als Ausstellungsexponate gestellt hat, die aber sonst seinen eigenen Hausflur schmücken und die man selbstverständlich des Öfteren einölen müsse, da Rostgefahr bestünde.

„Diese Rüstung ist jener nachgemacht, die Charles Stewart getragen hat, als die Engländer ihn geköpft haben“, gab es auch noch Geschichtliches nachzutragen, und das ist es auch, was Link an diesem Hobby so fasziniert.

Kaum war das Ritterturnier vorbei und die Schlacht um die Ehre ausgetragen, da kam Bewegung auf an allen Ecken und Enden der Burg. Auch im kleinen mittelalterlichen Café, bei dem es leckeren Mokka gab – Vorsicht, beim Dosieren des scharfen Zimts! – brummte es und nebenan brutzelte der schmackhafte Fisch, um kurz darauf, von zwei Brötchenhälften umschlossen, verzehrt zu werden.



X