Königstein und die Mainzer Republik: Themenführung durch Stadt und Festungsruine

Kurzweilig informierte der Vorsitzende des Vereins Terra Incognita e.V. , Christoph Schlott, auf dem Spaziergang zum Burginnenhof seine Zuhörer über die politisch brisanten Geschehnisse in den Jahren 1792 bis 1796, in denen die Königsteiner Festung eine herausragende Rolle gespielt habe. Foto: Krüger

Königstein (sk) – Ausgangspunkt war der Kapuzinerplatz in Königstein, an dem Christoph Schlott, der Vorsitzende des Vereins Terra Incognita e.V. und Leiter des Projektes „Festung Königstein – Ort europäischer Demokratiegeschichte“, seine Zuhörer am vergangenen Samstag mit auf die Reise nahm in die politisch hochbrisante Zeit um die Jahre 1792/93 bis 1796, in denen insbesondere die Festung Königstein aus ihrer gewöhnlichen Bedeutung herausgehoben und in den besonderen Kontext der ersten Republik auf deutschem Boden katapultiert wurde.

Die Veranstaltung überschnitt sich versehentlich mit der zeitgleich angesetzten Stadtführung von Heinz-Gerhard Halberstadt („Cuno von Königstein“). Laut dem Vereinsvorsitzenden sei dies der Grund für eine publizistische Zurückhaltung im Vorfeld gewesen. Die kleine Gruppe von zehn Personen wanderte vom Kapuzinerplatz entlang der Villa Borgnis durch den Kurpark bis hoch zur Festungsruine. Dabei nutzte Christoph Schlott vergrößertes Karten- und Bildmaterial sowie zeitgenössische Kupferstiche, um seinen Zuhörern die damaligen örtlichen Gegebenheiten auf der Königsteiner Festung möglichst plausibel darzustellen.

General Custine kommt bis in den Taunus

Ausgehend von dem Sturz der Pariser Bastille am 14. Juli 1789 beschrieb der Historiker die elektrisierende Wirkung des exportierten, französischen Gedankenguts auf die deutsche Bildungselite. Die Zuhörer bekamen einen kurzen geschichtlichen Überblick über die Geschehnisse, die schließlich die Revolution nach Deutschland brachten.

Im September 1792 stoppten die französischen Truppen bei Valmy die monarchische Koalition unter Führung Preußens und Österreichs. Die französische Revolutionsarmee unter General Custine überrannte anschließend weite Teile des Rhein-Main-Gebietes, nicht zuletzt um die politische Befreiung und die demokratische Freiheit zu propagieren, vornehmlich aber um Gelder einzutreiben. Am 21. Oktober 1792 ergab sich ihm die Stadt Mainz ohne Widerstand. Schon Tags darauf wird Königstein zum Kriegsgebiet. Zum Kampf kam es aber ebenfalls nicht, da die auf der Königsteiner Festung diensthabenden Soldaten die Festung widerstandslos an die rund 300 französischen Revolutionssoldaten übergaben.

Ein Vorstoß der preußischen Verbände führte schon bald darauf zum Rückzug der Franzosen. Lediglich die 300 Besatzer auf der Königsteiner Festung hielten stand. Am 8. Dezember 1792 nahmen die Preußen die Festung mit Kanonen unter Beschuss und zerstörten dabei fast 80 Prozent aller Königsteiner Häuser, während die Festung kaum Schaden davontrug.

Erst nach dreimonatiger Belagerung ergaben sich die völlig ausgehungerten Franzosen am 8. März 1793 und überließen die Festung der preußischen Garnison. Drei Jahre später sprengten französische Truppen im Zuge des fortwährenden Koalitionskrieges die Festung 1796 in die Luft. Was also heute in unserem romantisch verklärten Bewusstsein als Königsteiner Burg verankert sei, entspreche in etwa dem Zustand der Festung nach ihrer Sprengung im Jahr 1796, weshalb man sie durchaus als Festungsruine bezeichnen könne, erklärte Christoph Schlott.

Erste Wahlen in Mainz

Die wogende Revolutionswelle war nicht aufzuhalten. So kam es im Februar und März 1793 zu den ersten parlamentarischen Wahlen in den französisch-besetzten Gebieten rund um Mainz, in denen die Abgeordneten für den rheinisch-deutschen Nationalkonvent gewählt wurden. Dies sei das erste Parlament auf deutschem Boden gewesen, betonte Christoph Schlott, das sich uneingeschränkt zur Demokratie bekannt habe.

Am 18. März 1793 rief der Konvent im Deutschordenshaus am Rheinufer die erste deutsche Republik aus – den „Rheinisch-Deutschen Freistaat“. Angesichts der preußischen Truppen, die sich Mainz rasant näherten, beantragten die Deputierten beim Pariser Konvent die Angliederung an die Mutterrepublik und hofften auf französische Unterstützung. Der Vereinigung mit der französischen Mutterrepublik wurde zwar entsprochen, doch war es für Mainz bereits zu spät – preußische Truppen setzten die Stadt unter Beschuss und belagerten sie mehrere Wochen bis zu ihrer Kapitulation am 23. Juli 1793.

Republikgegner machten unerbittlich Jagd auf die verbliebenen Jakobiner. Ein großer Teil der Republikanhänger wurde in Gefangenschaft genommen. Bereits am 8. April 1793 kerkerte man einen großen Teil davon im „Kurmainzer Staatsgefängnis“ auf der Königsteiner Festung ein. „Die Zustände müssen barbarisch gewesen sein“, erklärte Christoph Schlott. Wie die „Heringe“ hätten die rund 400 politischen Gefangenen dort oben ohne Feuerholz bei schlechtem Essen vegetiert und unter allen nur erdenkbaren Krankheiten gelitten.

Historische Pläne von der Festung

„Dank eines Querschnittes der Festung aus dem Jahr 1791 wissen wir, dass sie mitsamt Gewölbe damals maximal ausgebaut war“, informierte der Historiker. Wie der heutige Zustand der Burg zu beurteilen ist, wird eine bauwissenschaftliche Vermessung der Hochschule Rhein-Main in den kommenden Tagen ergeben: „Damit könnte die Festung dreidimensional und digitalisiert wieder auferstehen“, freute sich der Referent.

Den denkmalpflegerischen sowie bauhistorischen Belangen sei dies überaus förderlich, aber in touristischer und pädagogischer Hinsicht könne noch sehr viel mehr gemacht werden, räumte er ein. In den Jahren 1792 bis 1796 spiele die Festung Königstein in militärischer, politischer, geistes- und demokratiegeschichtlicher Hinsicht eine außerordentliche Rolle im Kontext der Kriege mit der revolutionären Republik Frankreich. Baulich sichtbar sei davon aber nur die Sprengung mit dem Ergebnis einer Ruine.

Nicht sichtbar sei die Historie, die die Festung zu etwas ganz Herausragendem mache, nämlich zu einem Tatort, an dem Geschichte geschrieben wurde. Deshalb plädiert Christoph Schlott dafür, die Festungsruine als Ort der europäischen Demokratiegeschichte zunächst einmal überhaupt kenntlich zu machen, um das allgemeine Bewusstsein zu einem demokratischen Selbstverständnis zu sensibilisieren: Es gehe um nichts weniger als die Vermittlung der Geschichte unserer demokratischen Kultur.

Im Sinne einer pädagogischen Aufklärung sieht Christoph Schlott in der Festungsruine eine Chance für die Stadt Königstein, aus ihrem Stück Demokratiegeschichte vor Ort zu einem vollständigeren Bild über unsere nationale Demokratiegeschichte beitragen zu können. Dass damit auch ein touristischer Mehrwert für Königstein einhergehen könne, sei zu begrüßen.



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