Käthe Muscharski feiert ihren 100. Geburtstag in den eigenen vier Wänden

Schon der Blick in die Kamera verrät eine Mischung aus Lebenserfahrung und Interessen an Neuem – sowie den Willen zu einem selbstbestimmten Leben. Am Montag feiert Käthe Muscharski ihren ersten dreistelligen Geburtstag. Foto: Scholl

Königstein (gs) Käthe Muscharski erreicht am 22. August das beeindruckende Alter von 100 Jahren und die Geschichte, die sie zu erzählen hat, ist wohl eine typische Geschichte ihrer Generation.

Vor genau einem Jahrhundert wurde Käthe Muscharski also im Jahr 1916 in Briesen/Westpreußen geboren. Die Geschichte ihrer Familie ist eine Geschichte aus einer Zeit, die wir uns gar nicht mehr vorstellen können. Ihr Leben begann recht traurig. Als Käthe Muscharski erst eineinhalb Jahre alt war, starb ihre Mutter mit nur 37 Jahren an einer schweren Grippe und der Vater musste von nun an für seine fünf Kinder alleine sorgen. Ihre Mutter kennt Käthe Muscharski nur von einem Familienfoto, das ihr bis heute erhalten geblieben ist.

Der Vater heiratete später seine zweite Frau, die ebenfalls Witwe war und eine Tochter mit in die Ehe brachte. Zu den nun sechs Kindern kamen noch vier dazu, so dass die Familie zwölfköpfig war, als sie wegen der Arbeitsstelle des Vaters nach Danzig umsiedelte. Mit Sack und Pack zog die Familie dort in eine Zwei-Zimmer-Wohnung. „Da hatte nicht jedes Kind ein eigenes Bett“, erinnert sich Käthe Muscharski an diese Zeit zurück. Der Vater arbeitete in einem Bekleidungsgeschäft – und wie es damals üblich war, mussten auch die älteren Kinder früh in der Landwirtschaft arbeiten, um das Familieneinkommen zu sichern.

Ihren Mann Helmut lernte Käthe Muscharski dann auch in Danzig kennen und am 4. April 1936 wurde Hochzeit gefeiert. Ein Hochzeitsbild erinnert noch heute an diesen schönen Tag. Zwei Jahre später wurde ihr einziger Sohn Heinz geboren, der mit seiner Frau heute im Nachbarhaus in Königstein lebt und sich liebevoll um seine Mutter kümmert.

Helmut Muscharski wurde zum Kriegsdienst eingezogen und zog sich während des 2. Weltkrieges mehrere schwere Verwundungen zu. Den Krieg verbrachte Käthe Muscharski mit ihrem Sohn in Danzig und auch nach dem Krieg sind die beiden noch bis 1957 dort geblieben, obwohl viele andere Familienmitglieder bereits nach Westdeutschland flohen. Das Wissen, „im Westen“ in Lagern untergebracht zu werden, schreckte die beiden von der Flucht ab.

Während ihr Sohn in Danzig eine polnische Schule besuchte, wurde Käthe Muscharski zunächst als Trümmerfrau eingesetzt, bevor sie in einer Druckerei, an deren Wiederaufbau sie beteiligt war, eine feste Anstellung fand. Ihr Mann wurde nach dem Krieg als Verwundeter in den Westen gebracht, wo er später dann zur Erholung nach Falkenstein kam. Erst als es ihrem Mann soweit besser ging, dass er eine kleine Wohnung finden konnte, siedelten Käthe Muscharski und ihr Sohn ebenfalls nach Königstein um.

Ihr Weg führte sie über Friedland, wo sie sich noch gut an die Willkommenskapelle und das gereichte Obst erinnern kann, über eine kleine Wohnung in Oberhöchstadt nach Königstein, wo ihre erste Wohnung in der alten Königsteiner Post lag. Auch in den folgenden Jahren hatte Käthe Muscharski kein sehr leichtes Leben. Sie arbeitete als Hilfe in Königsteiner Haushalten oder auch als Zimmermädchen in Hotels, außerdem widmete sie sich bis zu dessen Tod der zunehmend notwendigen Pflege ihres Mannes.

Über die Zeit blieb immer der Kontakt zu ihren Geschwistern bestehen, man besuchte sich zu Feierlichkeiten und tauschte sich aus. Nun sind fast alle Familienangehörigen verstorben und auch die Kontakte zu Freundinnen werden ob des Alters immer weniger. Bis zum letzten Jahr hat Käthe Muscharski immer gerne auf einer Bank vor dem Haus gesessen und dabei das eine oder andere kleine Schwätzchen mit Königsteiner Bekannten gehalten. Leider ist auch das heute nur noch selten möglich, da die Treppen vom ersten Obergeschoss mittlerweile beschwerlich geworden sind.

In ihrem hohen Alter lebt Käthe Muscharski dennoch gerne in den eigenen vier Wänden und bestimmt ihr Leben selbst. Dies ermöglichen ihr Sohn Heinz und ihre nette pflegende Mitbewohnerin Ella, die sie täglich umsorgt und sich liebevoll um Käthe Muscharski kümmert. Dass sie sich mit Ella auch auf Polnisch unterhalten kann, räumt so manches Missverständnis aus und hält obendrein den Geist weiterhin fit.

„Eigentlich wollte ich gar nicht so alt werden und es macht mir Angst, dass ich noch älter werde“, antwortet Käthe Muscharski auf die Frage, wie es denn nun so ist, 100 Jahre alt zu werden. Naturgemäß wird das tägliche Leben für sie mühsamer und anstrengender, aber wer Käthe Muscharski in ihrem gemütlichen Sessel sitzen sieht, der sieht eine elegante und bestens gelaunte Dame, die regen Anteil am Leben nimmt. Sie achtet gerne auf ihr Äußeres und ihr offenes Lächeln sowie ihre blitzenden Augen zeugen davon, dass sie hellwach bei der Sache ist.

Einzig die Feierlichkeiten zu ihrem Ehrentag verschaffen ihr schlaflose Nächte, weil sie sich nicht so ganz sicher ist, ob auch wirklich alles gut klappt. Die Familie und der eine oder andere Besucher werden an diesem Ehrentag bei ihr sein, mit ihr auf das vollendete Jahrhundert anstoßen und ihr einen wunderschönen Tag bescheren.

Weitere Artikelbilder



X