Ehrenbürgerin Annemarie Ramm im Alter von 98 Jahren gestorben

Königstein (
pu/hhf)
– Königsteins „Grande Dame“, Annemarie Ramm, die auf vielfältige Weise nachhaltige Spuren in der Burgstadt hinterlässt, ist am Samstag nach kurzer, schwerer Krankheit im Alter von 98 Jahren verstorben. Damit bestätigt sich nun die Sorge vieler Königsteiner, denn es war vollkommen ungewöhnlich, der Ehrenbürgerin für mehrere Wochen nicht zu begegnen.

Es bleibt die Erinnerung an eine charismatische Frau, die es ihr Leben lang vermochte, andere dafür zu begeistern, für ein gerechtes Leben einzutreten. Denn das sei stets ihr Ansporn gewesen, verriet die Jubilarin anlässlich ihres 95. Geburtstages vor knapp vier Jahren – am 20. Juli wäre sie 99 geworden. „Ich bin immer ein sehr politischer Mensch gewesen, das treibt mich an“, sagte sie über sich selbst.

Bekenntnis zum Menschenbild der FDP

Mit ihr habe der Ortsverband „das letzte aktive Mitglied einer Generation von Königsteiner FDP-Mitgliedern, die ihn lange Zeit geprägt haben“ verloren, beklagt auch dessen Vorsitzender Alexander Freiherr von Bethmann in einem Nachruf, der zu wesentlichen Teilen in diesem Artikel aufgeht. Er fährt fort: „Bei aller Offenheit andern Menschen gegenüber hat Annemarie Ramm immer ihre Zugehörigkeit zur FDP klar betont und ihre Kontakte zu vielen Menschen auch genutzt, um für ihre Partei zu werben. So verdanken wir ihr auch manchen neuen Mitgliederzugang und sicher verdanken wir ihr bei den diversen Wahlen manche Stimme, die eine Stimme für Frau Ramm war. Annemarie Ramm hat das Menschenbild für das die FDP steht, nämlich der Mensch der eigenverantwortlich lebt und handelt und gleichzeitig Verantwortung für das Gemeinwesen, dem er angehört, und für Menschen, die Hilfe brauchen, übernimmt, auf vorbildliche Weise verkörpert.“

1977 bis 1993 saß Annemarie Ramm für die Liberalen im Stadtparlament, 38 Jahre lang bekleidete sie das Amt der Schatzmeisterin im Ortsverband – bei den Liberalen Senioren Hessen wurde sie in gleicher Funktion noch 2016 wiedergewählt.

1957 nach Königstein gezogen

In Königstein „eigeplackt“ ist die gebürtige Kielerin schon 1957, 1973 trat sie in die FDP ein. Im gleichen Jahr verlor die Mutter zweier Töchter ihren Ehemann durch ein tragisches Flugzeugunglück. Doch statt Verzweiflung wuchs von da an ein unglaubliches Engagement für ihre Nächsten, vor allem
ein Ohr für die Anliegen sämtlicher Generationen, damit wird der Name Annemarie Ramm ewig verbunden bleiben
. S
ie schob so manches an, das sich erst noch in den Köpfen der anderen verankern musste. An der Seite des erst
zum Juni
in den Ruhestand ge
tretenen
langjährigen Leiters des Jugend- und Sozialamtes, Hermann-Josef Lenerz, kämpfte sie beispielsweise schon in den
späten
1970er-Jahren

mit Herzblut und großer Beharrlichkeit

für die Einrichtung eines Jugendhauses, das viele
andere
Politiker ablehnten, weil es zuvor um ein besetztes Haus einigen Krawall gegeben hatte.

Gerechtes Miteinander in der Gesellschaft

„Bei aller Menschenzugewandtheit und ihrer großen Bereitschaft Gutes zu tun hatte Annemarie Ramm zur Kirche ein schwieriges Verhältnis. Dies ging zurück auf Erfahrungen ihres Mannes während der Zeit des Nationalsozialismus. Als die „Deutschen Christen“ sich dem nationalsozialistischen Denken anschlossen, ist die Familie aus der evangelischen Kirche ausgetreten. Immer wieder hat Annemarie Ramm in den vergangenen Jahren über einen Wiedereintritt in die Kirche nachgedacht. Dazu ist es nun nicht mehr gekommen. Nach evangelischem Verständnis dürfte ihr gleichwohl die göttliche Gnade zuteil werden, auf die wir alle angewiesen sind und die wir nicht verdienen können“, so weit wieder Alexander von Bethmann.

Was er aus religiöser Sicht darstellt, möchte man gerne auch weltlich untermauern, dazu vielleicht vergleichend die Ideale des Roten Kreuzes anführen, das bewusst auch „ohne Ansehen der Religion“ agiert – die Werte sind doch beinahe deckungsgleich. So lag ein besonderes Gewicht im Engagement unserer Ehrenbürgerin auf ihren nie nachlassenden Bemühungen um ein gerechtes Miteinander in der Gesellschaft. Gleichzeitig versprühte
sie
stets positiven Optimismus aus dem Gedanken heraus: „Ich liebe das Leben und die Menschen“
. Beinahe zwangsläufig ergaben sich aus dieser Lebenseinstellung Aktivitäten vielfältigster Weise zum Wohle der „Nächsten“ in Königstein, oft in Form der Vereinsmitgliedschaft, nicht selten im Vorstand.

Blumen, Bürger, Behinderte, Basare...

Die „Aktion Kinderspielplätze“ war eine ihrer frühesten Wirkungsstätten, gemeinsam mit der Verwaltung – und diese mitunter auch antreibend – galt es ausreichende Spielplätze für Kinder zu schaffen und diese auch gut auszustatten. Hinzu kamen Sommerfeste für Kinder, an denen Annemarie Ramm bis vor wenigen Jahren aktiv teilnahm. Auch Blumenpflanzaktionen mit und für Kinder gegenüber dem Kurhaus gemeinsam mit dem früheren Stadtgärtner, Karl Flamme, lagen ihr am Herzen, später unterstützte sie auch privat Pflanzaktionen der FDP am Kreisel und im Kurpark.

Geradezu typisch ihre über 40-jährige Mitgliedschaft bei „Bürger helfen Bürgern“, sie arbeitete selbstverständlich bei Ausflügen, Besuchen im Haus Raphael oder dem traditionellen Weihnachtsbasar mit. Allein ihre Anwesenheit bei diesem Basar, wie noch im Dezember 2017, war für manchen Königsteiner Grund und Verpflichtung auch dorthin zu gehen. Über ihre vielfältigen Kontakte zu vielen Menschen in unserer Stadt konnte sie auch immer wieder Menschen ausfindig machen, die sich in Notlagen befanden und denen der Verein dann unauffällig und unbürokratisch helfen konnte. In Burgverein oder Königsteiner Kulturgesellschaft widmete sie sich mehr der Vermittlung von Lebensfreude, die sie selbst auch genießen konnte, gerne bei Konzerten und Vortragsabenden (zum Beispiel Königsteiner Forum), aber auch in der Kutsche beim Burgfestumzug.

Orden und Ehrungen

Die Stadt Königstein im Taunus würdigte ihre langjährigen Verdienste schließlich mit der Verleihung der Ehrenbürgerwürde anlässlich ihres 90. Geburtstages – eine einmütige Entscheidung über alle Parteigrenzen im Stadtparlament auf Anhieb. Und das, obwohl sie klare Stellung zu sehr umstrittenen Themen wie Erhalt des Hauses der Begegnung oder des Kurbades bezogen hatte – beides erachtete sie als wichtig für die Bürger. Genau 20 Jahre zuvor wurde sie mit dem Ehrenbrief des Landes Hessen
ausgezeichnet, seit 2006 ist sie
Trägerin des Bundesverdienstkreuzes
1. Klasse. „Sie nicht mehr unter uns zu wissen, ist ein großer Verlust“, versucht Bürgermeister Leonhard Helm, seine Trauer in Worte zu fassen, nicht nur ihr Einsatz für (junge) Menschen sei vorbildlich gewesen, sondern auch, dass sie diesen Geist noch bis ins hohe Alter bewahrt habe.

Sogar die Entscheidung, nach einem Rempler auf dem Rathausparkplatz nicht mehr Auto zu fahren, hatte sie in einen zwischenmenschlichen Gewinn umwandeln können: Als „eifrige Nutzerin der Königsteiner Taxis hatte sie unter deren Fahrern ihre ganz besonders treuen Freunde“, berichtet Alexander von Bethmann.

Annemarie Ramm nahm bis ins hohe Alter eine Vielzahl von Terminen persönlich und mit großer Freude wahr, hier bei der Vorstellung des Burgfestbuches im Frühjahr 2016.
Foto: Archiv Friedel



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