Demokratiegeschichte und ihr Einfluss auf die aktuelle Politik

Anspruchsvolle Fragen aus dem Publikum hielten die Diskutanten Dr. Kai-Michael Sprenger (links) und Dr. Jörg Schweigard in Atem.

Foto: Privat

Königstein (sk) – Es war wohl dem Auftaktspiel der deutschen Fußballelf geschuldet, dass die dritte Veranstaltung der Reihe „Königstein-Demokratie“ des Vereins Terra Incognita e.V. mehr Arbeits- als Vortragsatmosphäre ausstrahlte. Die 25 offensichtlich nicht fußballaffinen Teilnehmer vertieften sich in eine intensive Diskussion über die frühgeschichtliche Entwicklung unserer Demokratie in Deutschland.

Mit Dr. Kai-Michael Sprenger, dem Geschäftsführer des Instituts für geschichtliche Landeskunde an der Universität Mainz e.V., saß ein wichtiger Repräsentant der aktuellen Forschung zur sogenannten „Mainzer Republik“ mit am Tisch. Daneben stand der Historiker und Wissenschaftsjournalist Dr. Jörg Schweigard, ein profunder Kenner der geschichtlichen Ereignisse rund um die Französische Revolution und einem breitem Publikum durch seine zahlreichen Publikationen in der ZEIT bekannt, dem Publikum Rede und Antwort.

Von Beginn an klinkten sich die Zuhörer mit zum Teil sehr spezifischen Fragen zu den ersten modernen Demokraten Deutschlands in Verbindung mit der Französischen Revolution in die Diskussion am Podiumstisch mit ein. Veranstalter Christoph Schlott hatte mehrere Themenblöcke vorbereitet, darunter das Thema „Erinnerungsstätten zur Demokratie“ und hier insbesondere das Königsteiner Projekt „Festung Königstein – Ort europäischer Demokratiegeschichte“. Dr. Kai-Michael Sprenger brachte im Verlauf der mehr als zweistündigen Veranstaltung das Diskussionsergebnis auf den Punkt: „Neben aller Ausgewogenheit im wissenschaftlichen Sinne dürfen die Historiker nicht die Deutungshoheit über unsere Demokratiegeschichte denen überlassen, die dieses komplexe Thema vereinfachen und für politische Zwecke vereinnahmen wollen.“

Co-Referent Dr. Jörg Schweigard führte zum Thema „Demokratieversuch Mainzer Republik“ zahlreiche Beispiele ins Feld, die den Stand der historischen Forschung dokumentierten. „Insbesondere die Gleichsetzung unserer Frühdemokraten mit den berüchtigten Jakobinern in Paris ist völlig falsch“, so sein Fazit.

Veranstalter Christoph Schlott fasste zusammen: „So wenig wie die frühen Demokraten in Mainz etwas mit der Guillotine zu schaffen hatten, so wenig geht es darum, ihnen ein unkritisches Denkmal zu setzen.“ Mit Blick auf die aktuellen populistischen Strömungen in Deutschland, die u.a. eine Neubewertung identitätsstiftender historischer Fakten beanspruchen, zog Christoph Schlott abschließend die Quintessenz aus der Diskussionsrunde: „Gegen Populismus hilft nur der schwere Weg der differenzierten, wissenschaftlich korrekten Darstellung. Nur wer historische Widersprüche aushält, kann den neuen Populisten in Sachen Identität und Demokratiegeschichte entgegentreten.“



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