98 und kein bisschen leise: Heute hat Dr. Hildegard Mallmann Geburtstag

Mit 98 spielt sie noch Beethoven... Man bedenke: Das kerngesunde Geburtstagskind stammt noch aus der Kaiserzeit! Foto: Schäfer

Königstein (ts) – Eigentlich wollte sie Lehrerin werden, damals in den Dreißigern. Nun stammt die damals 19-Jährige aber aus einer streng katholischen Lehrerfamilie aus Weiler bei Bingerbrück. Für die Eltern kam nach dem Abitur nur ein einschlägig konfessionelles Lehrerseminar für das jüngste ihrer drei Kinder in Frage. Dazu hätte die wohlbehütete und auch noch hübsche Tochter allerdings in den wilden Osten des Reiches siedeln müssen. Das konnten sich die konservativen Eltern überhaupt nicht vorstellen…

Also kam Hildegard auf die Idee, Pharmazie zu studieren. Leichter gesagt als getan. Denn um das Studium aufzunehmen, war in dieser Zeit ein Praktikum in einer Apotheke Pflicht, die Plätze dafür aber selten. Also überbrückte die zielstrebige 19-Jährige die Wartezeit als Arzthelferin in Frankfurt. Das Schicksal meinte es gut mit ihr: Ihr Arbeitgeber erkannte schnell, dass aus ihr eine hervorragende Ärztin werden könnte. Die Eltern fanden für dieses Berufsziel allerdings anfangs nur Spott: „In der ersten Anatomiestunde klappst du zusammen!“ Da kannten sie allerdings ihre ebenso begabte wie ehrgeizige Tochter schlecht – zu Ohnmachtsanfällen kam es freilich, betroffen waren aber nur männliche Kommilitonen… Zielstrebig zog sie ihr Studium durch, noch ahnungslos, wie schnell sie nach der Promotion ins kalte Wasser geworfen werden sollte.

Nach einer kurzen Lehrzeit im Krankenhaus wurde sie nach Kelkheim befohlen. Der einzige dort praktizierende Arzt musste an die Front und sie war alleine verantwortlich für die ärztliche Versorgung. So ist es kein großer Zufall, dass ein drei Jahre älterer Arzt in Königstein auf die quirlige junge Ärztin aufmerksam wurde. Zur Hochzeit und der gemeinsamen Praxis war es nicht mehr weit. Dr. Eberhard Mallmann, der bereits 1994 starb, wohnte und praktizierte in einem gemieteten Jugendstilanwesen im Ölmühlweg, das Ende des 19. Jahrhunderts die Degussa-Gründerfamilie Rössler errichtet hatte. 1950 wollten deren Nachkommen den Besitz vergolden. Was tun? Ausziehen oder kaufen? Die Mallmanns machten das Unmögliche möglich. In einer Zeit, in der es praktisch keine Privatkredite gab, kratzten sie alles Ersparte zusammen. Die Großmutter veräußerte sogar eine alte Mühle bei Bad Schwalbach. So wurde das Anwesen am Woogtal Familienbesitz.

Und das ist das Haus bis heute im wahrsten Sinne des Wortes geblieben. Im Erdgeschoss residiert das Geburtstagskind im historischen Ambiente mit den hohen Räumen und herrlichem Burgblick. Im ersten Stock Sohn Gerhard mit Lovane und dem achtjährigen Sohn Philipp. Und im verwunschen schönen Dachgeschoss die 32-jährige Enkeltochter Bettina. Denn trotz des rastlosen Einsatzes für ihre Patienten blieb der Powerfrau dann doch noch genug Zeit, eine Familie zu gründen.

Dank Tochter Doris, Sohn Gerhard und ihren Ehegatten gibt es heute insgesamt drei Enkel, die stolz darauf sind, dass ihre Oma mit 98 noch lebendig aus vergangener Zeit erzählt und virtuos Klavier spielt. Dabei lebt das belesene Geburtstagskind keinesfalls in der Vergangenheit, sondern nimmt immer noch rege Anteil an dem Leben ihrer Kinder und Kindeskinder. Herzlichen Glückwunsch, viel Freude am heutigen Wiegenfest und weiter so, Frau Dr. Mallmann!



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