Partnerschaft mit Le Mêle seit 48 Jahren und kein bisschen müde

Die Freude über das Wiedersehen stand ihnen allen ins Gesicht geschrieben. Gäste und Gastgeber am See in Le Mêle. Foto: Hedwig Groß

Falkenstein/Le Mêle – Seit 48 Jahren zieht es immer wieder Falkensteiner in die Normandie. So auch an Fronleichnam. Herrliches Frühsommerwetter und die Vorfreude auf ein Wiedersehen mit den befreundeten Familien in Le Mêle-sur-Sarthe und Umgebung bildeten eine gute Grundlage für die vergnügliche Stimmung während der 800 Kilometer langen Busfahrt.

Die Partnergemeinde des Königsteiner Stadtteils Falkenstein – und somit auch der Gesamt-Stadt – hatte zu einem Familienaustausch eingeladen und anlässlich „70 Jahren Kriegsende“ ein Friedensfest organisiert.

Was bei dieser Städtepartnerschaft von Anfang an praktiziert wurde, ist das Fundament der langjährigen Freundschaft: die Begegnung in und zwischen den Familien. So wohnten auch diesmal wieder viele aus der Reisegruppe in „ihren“ Familien, die die Gäste am See in Le Mêle willkommen hießen.

Fast elf Stunden Busfahrt müssen irgendwie vergehen: mit Reden, mit Lesen, mit Schlafen – und mit Singen. Die Falkensteiner gründeten einen „Bus-Chor“, um bei einem geplanten Abendkonzert in der Méloiser Kirche zusammen mit dem örtlichen Chor „Résonance“ bestehen zu können. Die Vorsitzende des Partnerschaftskomitees, Constanze Schleicher, hatte Zettel mit Volks- und Frühlingsliedern kopiert, so dass einer bzw. mehrerer Chorproben während der Fahrt nichts im Wege stand. Und der Gesang wurde immer besser. Sogar Französisch-Unterricht wurde im Bus erteilt.

Bei dem Willkommenstrunk in einem Zelt am See machten auch mehrere Mitreisende zum ersten Mal Bekanntschaft mit der herzlichen Gastfreundschaft, die diese Partnerschaft besonders auszeichnet. Auch sie wurden freundlich in Familien aufgenommen, und die, die dann doch im Hotel wohnten, wurden zumindest privat zum Essen eingeladen. So entstanden wieder neue Kontakte.

Vor den organisierten Terminen des Wochenendes hatten die Falkensteiner noch einen „freien“ Freitag, der – wie schon so oft – zu einem Ausflug ans Meer genutzt wurde. Unter der sach- und ortskundigen Führung von Hermann Groß – man könnte meinen, er kennt die Normandie besser als die Normannen – ging es nach Cabourg, aber keineswegs auf schnellstem Weg über die Autobahn. Über kleine Landstraßen, oft schmal und eng, führte die Route durch das Pay d’Auge, vorbei an Wiesen und Äckern, Kühen und vor allem Pferden und Pferdegestüten, kleinen Schlösschen, stolzen Land- und typischen Fachwerkhäusern, durch kleine Städte und malerische Ortschaften – auch durch Beuvron, das „schönste Dorf Frankreichs“ – und vorbei an dem bekannten Wallfahrtsort Lisieux. Am Rande der kleinen Nachbarstadt St. Desir war der Besuch eines deutschen Soldatenfriedhofs aus dem 2. Weltkrieg eingeplant. Eine Fahrt in und durch die Normandie ist nicht möglich, ohne an die grausame Zeit des Krieges, vor allem an das Jahr 1944, zu erinnern. Hermann Groß gab interessante geschichtliche Erläuterungen zu den Kriegsereignissen in der Gegend nach dem D-Day im Juni 1944 und zu den vielen Friedhöfen verschiedener Nationen. Anschließend legte die Vorsitzende an einem der vielen Kreuze – auf diesem, eher kleinen Friedhof, liegen fast 4.000 Gefallene – ein Blumengebinde nieder. Da gerade eine Arbeitsgruppe des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge auf dem Friedhof tätig war, konnten die Besucher auch noch in persönlichen Gesprächen etwas über das Engagement und die Erinnerungsarbeit dieser Organisation erfahren.

Hermann Groß und seine Schwester Hedwig, die ebenfalls an der Fahrt teilnahm, verdanken es dem Volksbund und vor allem der Partnerschaft, dass sie 1968 das Grab ihres Vaters, der auch im August 1944 in den Kämpfen in der Normandie zu Tode kam, gefunden haben.

Nach dieser eher ernsten Exkursion in die Vergangenheit ging es weiter nach Cabourg, einem vornehmen Badeort mit schönem Sandstrand, einer Spielbank und einer Menge feudaler Hotels. Das Meerwasser hatte zwar noch keine Badetemperatur, aber einige Unerschrockene wagten sich doch zumindest mit nackten Füßen in die Fluten.

Nach der Mittagessens-Einkehr und einem kleinen Spaziergang am Strand wartete der Bus wieder auf die Gruppe, um jetzt auf schnellstem Wege nach Le Mêle zurück zu fahren.

Abends fand dann das Friedenskonzert in der Kirche statt. Der vor zehn Jahren gegründete Chor „Résonance“ bot ein abwechslungsreiches Programm an Friedens-, Liebes- und Volksliedern, meist Reproduktionen bekannter Sänger wie zum Beispiel Simon and Garfunkel oder Nana Mouskouri. Zu den Liedern gab es jeweils eine kurze Einführung in französischer und deutscher Sprache, und zur Illustration wurden thematisch ausgewählte Fotos auf eine Leinwand projiziert. Von den vielen Zuhörern gab es großen Applaus für die Darbietungen, und auch die gute Akustik der Kirche hatte ihren Anteil am Gelingen. Der „Bus-Chor“ der Falkensteiner durfte den zweiten Teil des Abends eröffnen, und die so eifrig einstudierten Lieder klappten vorzüglich und bekamen viel Beifall. Vor allem der Frühlingskanon „Es tönen die Lieder…“ erreichte jeden Kirchenwinkel.

Zum Abschluss des Konzertes sangen „Résonance“ und „Bus-Chor“ gemeinsam die Europa-Hymne aus der 9. Beethoven-Sinfonie: „Freude, schöner Götterfunken…“, und das gleich – als Zugabe – in zwei Durchgängen.

Es war ein beeindruckender Abend, und manchem gingen die Beethoven-Melodie und der Schiller-Text auch nach dem anschließenden Umtrunk noch länger durch den Kopf: Alle Menschen werden Brüder….

Am Samstagvormittag konnte, wer wollte, an einer kleinen Führung teilnehmen, bei der die am See gelegene Seniorenanlage besucht wurde. Die Anlage mit einstöckigen, bungalow-ähnlichen Ein- und Zwei-Zimmer-Einheiten entstand zur gleichen Zeit wie die Partnerschaft, also vor fast 50 Jahren. Schon öfter waren Falkensteiner hier, und in dem umliegenden Wäldchen wachsen einige Bäume aus dem Taunus, die in der Vergangenheit als Gastgeschenke gepflanzt wurden. In der schönen und sehr gepflegten Anlage tragen alle Wege Blumennamen, und jeder Bewohner hat die Möglichkeit, sich ein eigenes Gärtchen anzulegen. Für ein Generationen übergreifendes Miteinander steht auch die Möglichkeit, dass Schulkinder – die Schule ist in der Nähe – sich mit den Senioren zum Mittagessen treffen.

Ein gemeinsamer Gottesdienst ist bei den deutsch-französischen Treffen auch schon lange Tradition, und so kamen am späteren Nachmittag alle in der Kirche zusammen. Der Chor Résonance begleitete auch diesen Gottesdienst.

Die Gedenkfeier am Ehrenmal für die Gefallenen der beiden Weltkriege in der Anlage „Jean Martin“ im Zentrum von Le Mêle war ein weiterer wichtiger Programmpunkt des Wochenendes. Die Verantwortlichen der Partnerschaftskomitees und der Kommunen aus Falkenstein und Le Mêle legten gemeinsam Blumengebinde mit Schleifen in den Nationalfarben nieder. Mit verschiedenen Texten und Gedichten wurde der Toten gedacht und an die Notwendigkeit von Frieden und Versöhnung erinnert. Jugendliche stellten dazu Plakattafeln auf mit den Buchstaben P–A–I–X (Frieden). Auch hier sangen zum Abschluss alle gemeinsam die Europa-Hymne, jeder in seiner Sprache.

Ein Aufenthalt in der Normandie war schon vor 48 Jahren ohne ein umfangreiches gemeinsames Essen undenkbar. So hatten die französischen Freunde auch 2015 mit großem Engagement und vielen helfenden Händen die Tafeln im „Salle Coulonges“, gleich neben Le Mêle, schön und farbenfreudig eingedeckt. Gäste und Gastgeber fanden Platz in Erwartung eines Fünf-Gänge-Menüs. Eine Zwei- Mann/Frau-Kapelle sang und spielte auf – anfänglich eher ziemlich laute Biergartenmusik, so dass es oft schwer fiel, sich zu unterhalten, aber später kamen vor allem die Tanzlustigen auf ihre Kosten. Und dazwischen folgte immer wieder ein neuer Essens-Gang und/oder süffiger Rotwein… Es war ein fröhlicher Abend des Miteinanders und der Begegnung, und für viele folgte eine ziemlich kurze Nacht.

Am Sonntagmorgen nahte dann der Abschied. Koffer und Geschenke wurden im Bus verstaut, und im „Hotel de la Poste“, in dem die Falkensteiner bereits 1967 einkehren durften, wurde noch einmal gemeinsam gefrühstückt. Dann gab es einen Händedruck hier, ein Küsschen da und freundschaftliche Umarmungen dort! Das hatten die deutschen Besucher schon damals schnell gelernt und zu schätzen gewusst. Man sieht sich wieder, manche schon bald beim Jugendaustausch in den großen Ferien, andere spätestens auf dem Königsteiner Weihnachtsmarkt, wenn die Mêloiser wieder mit Misteln und Käse anreisen. Au revoir! Bon voyage! Auf Wiedersehen!



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