Glashütten Helau! Keine „Eiszeit“ bei den Prunksitzungen

Glashütten (bm) – Beste Stimmung, ein straffes und abwechslungsreiches Programm und alles aus den eigenen Reihen – so macht Fastnacht Spaß! Mit großem Engagement lieferten Präsident, Elferrat und Aktive auf und hinter der Bühne und im Saal eine bunte Narrenschau, zum ersten Mal seit über zehn Jahren auch wieder unterstützt von einer Live-Kapelle.

„Eiszeit“ war das Motto der diesjährigen Kampagne und entsprechend war die Glashüttener Narrhalla im Bürgerhaus nicht nur bunt geschmückt, sondern bot dem fast durchweg kostümierten Publikum neben einem ansprechenden Bühnenbild in eisblau und kristallweiß auch gleich eine zünftige „Eisbar“.

Tradition und Nachwuchs

Nachdem Elferrat und Garden durch den Saal eingezogen waren, schwang der neue Sitzungspräsident Dr. Lutz Riehl zum ersten Mal an diesem Abend seine Glocke und versicherte den Närrinnen und Narren, dass diese „Eiszeit“ sicher keine frostige Angelegenheit würde. Den Beweis dafür lieferte der Kleine Schautanz, bei dem süße Eskimos und coole Blue Girls über die Bühne fegten und für den ersten Begeisterungssturm sorgten.

Der „Nachwuchs-Präsident“ ließ sich nicht aus der Ruhe bringen, als seinen Elfern ein Versehen bei der Vorstellung der kleinen Tänzer unterlief, und steuerte souverän vom Captain‘s Table aus das Narrenschiff durch die „Eiszeit“. Stets mit angenehmer Stimme, humorig, aber zurückhaltend wechselte er in guter Tradition zwischen gereimten Versen und Prosa, auch in schönstem Hessisch.

Ganz traditionell folgte dann das Protokoll. Mathias Högn berichtete mit scharfem Blick und spitzer Feder über die Ereignisse des vergangenen Jahres. Nachwuchs habe es auch im Parteivorsitz der Traditionsparteien gegeben, allerdings sei es bei Politikern wie beim Rotwein: man erkenne sie am Abgang. Den Dieselskandal entlarvte er als weltfremd und die AfD als alternativlos im Spendensumpf steckend. Angesichts des Cum-Ex-Skandals schlug der Chef des Protokolls vor, Bilanzen künftig mit Tipp-Ex aufzubessern, kleinere Fehler mit Pattex zu kitten und unliebsame Mitwisser mit Unkraut-Ex zu beseitigen.

2018 sei ein gutes Jahr für den Sport gewesen: Die Eishockey-Cracks hätten bewiesen, dass Silber golden glänzen kann, und auch im Fußball sei es geglückt – Eintracht Frankfurt als DFB-Pokalsieger. Selbst aus der WM in Russland könne man lernen: Frankreich sei würdiger Weltmeister mit Spielern aus allen fünf Kontinenten („Jetzt wissen wir, wen Marie Le Pen nicht als Nachbarn haben will!“).

Die Heiß-Zeit habe nicht nur Europa getroffen, sondern sei gerade in den USA extrem gewesen nach minus 40 Grad im Januar mit den verheerenden Waldbränden des Sommers, aber das sei alles nichts gegen Amerikas größte Katastrophe: Donald Trump.

Ganz traditionell prangerte der Protokoller an, dass es für Journalisten lebensgefährlich sei, die Wahrheit zu sagen, würdigte im Rückblick einige Große, fragte sich, was Goethe und Friedrich Stoltze wohl zur neuen Frankfurter Altstadt sagen würden, und schloss europäisch mit Schillers „Ode an die Freude“.

Nach dieser pointierten Rede gab es wieder etwas für‘s Auge. Die Große Glashüttener Garde präsentierte den ersten klassischen Gardetanz des Abends. Zwei der zehn Tänzerinnen waren verletzungsbedingt ausgefallen und mussten sehr kurzfristig ersetzt werden. Eine um so reifere Leistung!

Glashütten und Moskau

Von Sitzungspräsident Lutz Riehl in gemütlichem Hessisch angesagt, betrat nun Simone Keller als neue Kraft des Ordnungsamtes die Bühne. Aus der Bütt berichtete sie, dass sie dort all das macht, was sonst keiner will – und das sei in Glashütten viel! Unterstützung bekam sie von Karin Kempf, die als Eisverkäuferin leider keinen Gewerbeschein hatte, aber doch von Simone Keller den guten Rat bekam, ihrem Nachfolger als Sitzungspräsident lieber eine Familienpackung zu geben.

Das gespannt lauschende Publikum erfuhr, dass die Videokamera an den Glascontainern vor allem enthülle, wie oft die Kerbemütter und die Alten Schachteln dort mit leeren Sektflaschen hinkämen. Auch der Blitzer am Schloßborner Plan – von der Kapelle geistesgegenwärtig mit „Schatzi, schenk mir ein Foto“ untermalt – sei mal wieder typisch: den Nutzen hätten die Schloßborner, die nicht geblitzt werden könnten, während die Glashütter ihn finanziert hätten.

Die beiden Insiderinnen stellten sich Bürgermeisterin Brigitte Bannenberg im Nebenjob mit Bauchladen auf dem Alteburger Markt vor, da der Förster kein Holz mehr aus dem Gemeindewald verkaufen dürfe, und bedauerten, dass Glashütten nun ein Ort ohne Banken sei. Und wenn man schon vom Geld spräche: der Umbau der Mehrzweckhalle Schloßborn schlüge mit 1,6 Millionen Euro zu Buche und wofür bräuchten die dort überhaupt einen Kulturtempel? Da sang die ganze Narrhalla „Wer soll das bezahlen?“

Nach einigen weiteren Anekdoten aus dem Glashüttener Nähkästchen fragte sich der Sitzungspräsident, wie er diese beiden Rednerinnen angemessen titulieren könne, denn „alte Hasen“ oder „Urgestein“ sei ja wirklich zu ungalant! Aber genau das seien die versierten Fassenachterinnen, stellte er dankbar fest und verabschiedete sie mit einem dreifach donnernden „Glashütten – Helau!“

Nun durfte die Mini-Garde des KVG zeigen, dass es um den Nachwuchs in der Glashüttener Fastnacht gut bestellt ist. Sieben kesse Mädchen und zwei flotte Jungen bewiesen, dass sie schon Formation und Takt halten können. Das Schlussbild wurde mit begeistertem Applaus und Zugabe-Rufen belohnt.

Zwischenzeitlich hatte Mathias Högn, die rechte Hand des Sitzungspräsidenten, das Mikrofon übernommen, um die Mini-Garde zu verabschieden und den nächsten Gast auf der närrischen Hosta zu begrüßen. Nach Verlesung eines Empfehlungsschreibens von Ministerpräsident Bouffier erhob sich der Saal, um den Sonderbotschafter der Russischen Föderation Wasili Alexandrowitsch Kaputnik (Sitzungspräsident Dr. Lutz Riehl) mit allen Ehren zu empfangen.

Gemessenen Schrittes betrat der hohe Gast die Bühne und begab sich an das beflaggte Rednerpult, sonst Bütt genannt. Von dort begrüßte er das Zentralkomittee der Komischen Elf und die „Freunde der Hurra!“ und überbrachte die Grüße des Zaren, ähm, Präsidenten Putin, der ihn in Sachen deutsch-russische Beziehungen „chierher“ geschickt habe, denn man habe erkannt, dass das nirgends besser als „chier in Glas-chuütten“ gelingen könne, wo nur die Narren das Sagen „chätten“.

Der Elferrat sei die Entsprechung der russischen Duma: alle sitzen herum, haben aber nix zu melden. Allerdings sehe der Elferrat besser aus!

Seine Exzellenz zog dann einige deutsch-russische Parallelen. Die Politik verfahre gleichermaßen: man plane Sachen, die kein Mensch braucht, bezahle sie mit Geld, das man nicht hat und wenn‘s schief ginge, sei keiner Schuld gewesen. Man fördere auch gleichermaßen Sport und Kultur in zurückgebliebenen Regionen, wie zum Beispiel bei der Schloßborner Mehrzweckhalle oder der Sanierung der Schloßborner Feuerwache. Er riet dringend dazu, das Gebäude abzudichten, damit keine zweite Elbphilharmonie entstehe, und meinte zur Sporthalle Glashütten: „Was Dachschäden angeht, seid ihr nicht zu schlagen!“

Auch in Sachen Verwaltung verstehe man sich gut: „Egal wie groß eine Verwaltung ist, sie ist niemals groß genug, weil, cheder verwaltungstechnische Furz braucht viel Raum, um sich auszubreiten.“ Und daher habe sich der Zar, also hm, Präsident Putin entschieden, in Glashütten zu investieren. Unter der alten Schule solle ein großes Parkhaus gebaut werden, darüber Räumlichkeiten für verschiedene Banken entstehen. Glashütten würde zur Steueroase für russische Oligarchen und damit wäre das Baugebiet Silberbach ausverkauft, alle Straßen saniert, am Sportfeld entstünde ein Golfplatz und die B8 würde zur Shopping Mall.

Nachdem er einen seltsamen, dunkelbraunen Wodka in einem Zug geleert und das Glas hinter sich geworfen hatte, meinte er ein wenig neidisch, dass Glashütten allerdings über bewundernswerte Streitkräfte verfüge. Eine Gruppe von achtzehn Frauen habe in nur zwei Tagen Hamburg eingenommen. „Irr chabt ‚Alte Schachteln‘, aberr wir chaben nur alte Säcke!“

Für diese zwar recht lange, aber durchweg kurzweilige und vor allem großartig vorgetragene Rede gab es standing ovations und anhaltende Beifallsrufe eines begeisterten Publikums.

Gesang und Live-Musik

Den Abschluss des ersten Teils bildete die „singende Wirtin“ der Bürgerklause Glashütten Milica Zovko, die in ganz traditioneller Manier den Saal mit „Am Rosenmontag bin ich geboren“ zum Schunkeln und Mitsingen brachte. Nachdem sie auch noch „Gell, du hast mich gelle gern“ mit durchaus hessischen Untertönen gesungen hatte, stand das närrische Volk und forderte als Zugabe noch einmal „Am Rosenmontag“.

In der anschließenden Pause übernahm dann die Band „Just 4 Fun“ zunächst mit einem bunten Potpourri aus Schunkelwalzern, die begeistert mitgesungen wurden. Die vier Herren in der Besetzung Keyboard, Gitarre, Bass, Schlagzeug sind in der Region keine Unbekannten. Man kennt sie hier beispielsweise vom Sportfest Glashütten, aus dem großen Zelt anlässlich der Partnerschaftsfeier in Schloßborn, aber auch von Benefiz-Veranstaltungen wie dem Brasilianischen Abend in Glashütten.

„Just 4 Fun“ heizte die Stimmung weiter an mit Kölner Karnevals-Hits wie „Viva Colonia“ und „Op dem Maat“ und übernahm dann gleich noch die Ansage zur Eröffnung des zweiten Teils, bei dem sie die Elferräte - wie immer live - begleiteten.

Die Zeiten, in denen Elferräte einen geruhsamen Abend mit Aussicht auf Gardemädchen verbrachten, sind vorbei. Die Elfer des KV stellten sich singend einzeln vor, unterstützt von der Kapelle und im Refrain auch vom Saal. Dann gab „die schönste Boy Group von Glashütten“ die Bühne wieder frei.

Bunt, flott und hintergründig

Bunt und quirlig enterten die „Alten Schachteln“ die zur Reeperbahn umfunktionierte Bühne. Inspiriert vom wahren Leben gaben sie eine flotte Playback-Show zum St. Pauli-Musical „Heiße Ecke“. Aber nicht nur die Damen sangen und tanzten im Marine-Look und heißen Kostümen. Auch „Ehemänner, Freunde und Liebhaber“ waren von der rührigen Truppe aktiviert worden.

Im Anschluss bedankte sich Sitzungspräsident Lutz Riehl bei allen, die einen solchen Abend überhaupt erst möglich machen, stellvertretend bei Roland Kempf und Michael Matzak (Technik), Kersten Ickstadt (1. Vorsitzender des Karnevalvereins Glashütten 1948 e.V. und „Büttenschubser“), Nathalie Stein (Bühnenbild) und Jakob Linhart (Tontechnik). Er freute sich, dass es seit Ewigkeiten endlich wieder Live-Musik bei den Sitzungen gibt und machte auch Werbung in eigener Sache: Wer sich auf oder hinter der Bühne engagieren möchte, ist beim Glashüttener Karnevalverein herzlich willkommen!

Inzwischen hatte sich die Midi-Garde aufgestellt. Die elf jungen Damen tanzten äußerst fetzig und mit unverkennbarem Spaß eine gelungene Choreographie. So soll‘s sein! Genau deswegen ist der klassische Gardetanz aus der Fastnacht nicht wegzudenken – das fand auch das Publikum und forderte energisch Zugabe.

Nach vielen Jahren kehrte mit Pitt Flugel ein Sänger und Gitarrist auf die Glashüttener Fastnachtsbühne zurück, der für eher sanfte Klänge und hintergründigen Humor bekannt ist. In bayerischer Lederhose, aber mit nicht frisierter blonder Perücke erklärte er zunächst diesen Zusammenhang: Donald Trumps Großvater sei dereinst aus Bayern ausgewandert und habe zunächst im Land der Unbegrenzten Möglichkeiten ein Bordell eröffnet. Und nun würde der Enkel unter dem Motto „America first“ eine ganze Volksgruppe bekämpfen („Nix first – so einen hatten wir schon mal!“)

Mit dem Refrain „Ich bin der Trump, Trump, aus den USA, ich hab wenig Hirn, aber dafür blondes Haar“, besang er dann Wahlkampf, Raketenvertrag, Klimawandel und eine heiße Affäre mit dem Schluss: „Der Notstand besteht nicht wegen der Mauer – er besteht in meinem Hirn!“ Dann wechselte er zu dem nachdenklichen „Der letzte Schluck ist der Schwerste“ und verzauberte mit der wunderbaren Gitarrenbegleitung das aufmerksame Publikum, bevor er mit seiner Zugabe dann alle gekonnt in die Irre führte. „Da stehst du vor mir im transparenten Gewande … ich will dich haben, will mich an dir laben mit Mund und Händen … am Schluss tu ich noch einen Spritzer rein …“ - Ach, wie herrlich, wenn Hunderte Menschen dasselbe denken!

Klassiker zum Schluss

Mit dem Showtanz der „Happy Feet“ ging es nun in die krönende Schlussrunde. Sieben ehemalige Gardetänzerinnen begeisterten mit einem klassischen Showtanz im Broadway-Stil zu schmissigen Melodien. Schicke Kostüme, tolles Hairstyling und eine temporeiche Darbietung machten den Auftritt der Damen zu einem Leckerbissen.

Ihnen folgte mit Ingrid Keller das „Urgestein, das sich uff de Glashütt auskennt“. Traditionell als Frau Rauscher mit kräftigem Gesang der Narrhalla begrüßt, nahm sie mit bereits herrlich nach Fassenacht klingender Stimme örtliche Ungereimtheiten aufs Korn. Angesichts fehlender Banken wird das Bargeld knapp („Mei Portemonnaie is aus Zwiebelleder – mir komme die Träne, wenn ich nei guck!“) und so wird sie bald eine mobile Bauchladen-Bank eröffnen, von Haus zu Haus gehen und die Zinsen in Naturalien auszahlen. Auch der drohende Ärztenotstand („Unser Dr. Spreitzer hat schon zu viele kranke und nackische Glashütter gesehe!“), die Panne beim eigentlich so schön geplanten Festumzug anlässlich der Städtepartnerschaft („Die Bürgermeisterin wird zur Frau PANNENberg!“), weil leider keine Genehmigung dafür beantragt worden war, und auch der neue Friseur am Ort („Wo der all Haare schneide duht, da werde ich ja puterrut!“) wurden gnadenlos in die Bütt gebracht. Natürlich küsste sie nach gelungenem Vortrag den gesamten Elferrat („Warum den Schönsten aussuchen, wenn mer alle habbe kann?“).

Jetzt konnte nur noch eins kommen: Das mit Spannung erwartete Männerballett „Die Glashübber“. Live on stage brachten elf knackige Jungs nicht nur das weibliche Publikum zum Toben. Zu einem Medley heißer Rhythmen bewegte sich „eine knappe Tonne“ erotisch über die Bühne. Der Schuss aus der Konfetti-Kanone bildete den perfekten Übergang zum großen Finale, zu dem sich noch einmal alle Aktiven auf der Bühne versammelten.

Punkt Mitternacht übernahm dann die Kapelle und schickte eine Polonaise durch den Saal, während die Bühne zum Tanzboden umgebaut wurde. Eine rundum gelungene Sitzung: Glashütten Helau! Weiter so!

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