Ein Symbol für 150 Jahre gewachsene Gemeinschaft

Mit der Kettensäge fügt Künstler Frank Pompé dem schmalen Fichtenstamm weitere Narben und Einschnitte zu. Foto: fch

Bad Homburg (fch). Voller Vorfreude und Erwartung warteten die Christen vor der Kirche. Sie waren aus den sechs Kirchorten St. Johannes, St. Marien, Heilig Kreuz, Herz Jesu, St. Bonifatius und St. Josef, aus den beiden Ordensgemeinschaften, den Maria-Ward-Schwestern und den Karmelitinnen, den muttersprachlichen Gemeinden, aus Bad Homburg, Friedrichsdorf und Frankfurt gekommen. Mit Sektgläsern und Brezeln in der Hand standen alle im Mondschein auf dem Vorplatz der St.-Marien-Kirche und warteten gespannt auf die Enthüllung der Jubiläumsskulptur „Vor der Höh’“.

Eingerahmt wurde diese durch sechs Objekt- und zwölf Textinstallationen sowie Lichtbildersets des Künstlers Frank Pompé. Der in Wehrheim lebende Künstler erhöhte die Spannung durch Einbettung der Enthüllung in eine „skulptural performative Kunstaktion“. Gebannt verfolgten Menschen aller Generationen, wie der Künstler unterstützt von Helfern die Jubiläumsskulptur Schicht für Schicht von den sie verbergenden Planen befreite. Sichtbar wurde erst ein weißer Sockel, dann ein drei Meter hoher, narbig verletzter Fichtenstamm, den eine „Geist-Taube“ mit nach vorn gerichtetem Schnabel, Blickrichtung Horizont, krönt. Diese symbolisiert wie ihre sechs Schwestern auf den in Birkenholzscheiben verankerten Gemeindestäben den Heiligen Geist, das biblische Motiv der Taube mit Palm-/Ölzweig und die Friedenstaube.

Jedes Mal, wenn Helfer die Hüllen von den zwölf Holzweg-Textinstallationen, den sechs Gemeindestäbe-Objektinstallationen und den Blickachsen-Fotosequenzen entfernten, schritt Frank Pompé zur Tat. Und fügte vor den Augen des Publikums dem schmalen Fichtenstamm der Jubiläumsskulptur mit seiner Kettensäge einen neuen „Wurmstich“, eine neue Verletzung, zu. Trotz allem strahlt die Skulptur „Vor der Höh’“ Ruhe und Frieden aus. „Gefunden und bearbeitet, sprich den teils von Würmern befallenen Kiefernstamm von seiner Rinde befreit, habe ich den diesen Sommer im Wald bei Seligenstadt“, berichtete der Künstler. Die Jubiläumsskulptur bildet den Mittelpunkt der Installation. Er symbolisiert die seit 150 Jahren gewachsene Gemeinschaft der Gemeinde. Zugleich steckt ein nicht sichtbarer Metallstab in der Jubiläumsskulptur, der in den Sockel einzementiert wurde. Dieser menschengroße Stab mit der Geist-Taube darauf, wird zum Wander- oder Gemeindestab. Er „reist“ im Laufe des Jubiläumsjahres in Form der sechs Gemeindestäbe-Objektinstallation zu den sechs Kirchorten von St. Marien. Die sechs Objektinstallationen „können dort ein Zeichen sein für die Pfarrei St. Marien als Gemeinschaft der Gemeinschaften“, informierte Pastoralreferen-tin und Kunsthistorikerin Sylvia Lins in ihrer Einführung.

„Den Auftrag für die Skulptur habe ich Anfang des Jahres erhalten. Ich sollte darauf achten, dass die Pfarrei St. Marien eine Gemeinschaft mit sechs Kirchorten bildet. Die Zen-trale bildet der Fichtenstamm, die Kirchorte die Birkenholzscheiben. Verbunden sind sie mit den auf den Metallstäben sitzenden Geist-Tauben aus Fichte und Birke“, sagte der Künstler. Passend zu seiner Beschäftigung mit Holzsskulpturen hatte er sich in diesem Jahr auf einen „Holzweg“ gemacht. „Ich habe alle Sprichworte und Redewendungen gesammelt und Sprüche formuliert, die im weitesten Sinne mit Holz zu tun haben.“ Gemündet ist seine Beschäftigung mit dem Thema Holz in 23 Fragen zum Holzweg, die auf zwölf Tafeln in den Ästen der Bäume des Kirchvorplatzes hängen. Fragen wie „Weswegen wollen wir lügen, dass sich die Balken biegen?“, „Warum sind wir auf dem absteigenden Ast?“ oder „Auf welchem Holzweg befinden wir uns?“ sollen zum Nachdenken anregen. „Diese Fragen fressen sich in den Stamm wie der Holzwurm und sind Wurmstiche, die zu Unruhestiftern werden. Aber vielleicht letztlich auch zu Ruhestiftern“, schlug Sylvia Lins vor. Letztes Element der Installation sind die „St. Marien – Blickachsen Fotosequenzen“. Sie nehmen Kirche erneut in den Blick, in ihren Bestandteilen und als Teil der Stadt, des Landes und der Welt. „Meine Fragen und Blickachsen sollen die Menschen anregen, sich mit dem Thema ‚St. Marien – mehr als du siehst‘, der Kirche und der Gemeinschaft auseinanderzusetzen. Kirche ist für alle da. Es hat einen Grund, dass es sie gibt“, betonte Frank Pompé.

Die Jubiläumsskulptur ist bis zum 15. August 2020 auf dem Vorplatz von St. Marien zu sehen.

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